Maritimes Studentenleben an der Spree

Angehende Schiffs- und Meerestechniker üben sich im Bootsbau und werben für ihr Fach

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Werkstatt

Lattenschwestern und Lattenbrüder trifft man nicht all zu oft, und an einer Berliner Universität wie der unsrigen vermutet man sie auch kaum. Die Backsecke - benannt nach dem Aufenthalts- und Lagerareal in einem Schiffsrumpf - ist so etwas wie ihre Wohnstube und die befindet sich am Salzufer im dritten Stock des Instituts für Schiffs- und Meerestechnik der TU Berlin. Allerlei bunte Flaggen schmücken die Wände, eine Schiffsglocke thront in der Ecke und ein lebensgroßer Hai, der seinen Platz unter der Zimmerdecke gefunden hat, wacht über dem runden Versammlungstisch. Um ihn scharen sich all jene, die sich der Vereinigung "Heyliger Orden der Schiffbauer Latte - Heylige Frau Latte" zugehörig fühlen. "Fast alle Studierende der Schiffs- und Meerestechnik machen bei uns mit", erzählt Daniela Bräu. Schon vor sieben Semestern, als sie ihr Studium in Berlin begann, wurde sie Lattenschwester. Seitdem kocht sie, schneidert Seemannskostüme und stellt ihr Organisationstalent unter Beweis. Heute ist Daniela die 1. Vorsitzende der Vereinigung der Schiffs- und Meerestechnikstudenten, die schon seit 1878 an der Spree existiert.

Natürlich durfte das Lattenvolk bei der Taufe des TU-Forschungsschiffes Segeldynamometer nicht fehlen. DYNA - so der Name des Schiffes - ist mit hochkomplizierter Messtechnik ausgestattet, um die Kräfte aus Wind und Wasser zu bestimmen, die während der Fahrt einwirken.

Von Praxisbezug und Teamgeist ist die Arbeit des Schiffbauervolks geprägt: "Zum einen nehmen wir alljährlich an einer Tretbootregatta mit einem selbstgebauten Boot teil", berichtet Lattenbruder Felix Fliege. Immerhin belegten sie bei der offiziellen Weltmeisterschaft der Human powered vehicle Association (HPVA) 1999 in Interlaaken den 4. Platz in der Slalomdisziplin. Auf der Langstrecke und im 100-Meter-Sprint kam die Crew auf den siebten Rang. Die Werkstatt, wo die Studierenden ihre Phantasie mit dem Lehrstoff aus Mathematik, Mechanik und Konstruktionslehre kreativ verbinden können, befindet sich auf dem Severin-Gelände in Berlin-Charlottenburg. Nach zahlreichen Arbeitsstunden bekommen die selbstgezimmerten Wasserwesen bei einer zünftigen Taufe Ulknamen wie "Rheumatischer Frosch" oder "Rumpur".

Daniela Bräu ist seit ihrem 1. Sem. Lattenschwester. Seit 1878 existiert die Vereinigung an der Spree.

Neben dem Praxisbezug gibt es aber noch einen anderen Grund, der das maritime Volk zusammenschweißt, und der ist eher unerfreulich. "Vor einigen Jahren hatten wir acht Professoren, nach den Streichungen sind es nur noch zwei", berichtet Felix Fliege. Deshalb engagieren sie sich auch emsig in der Hochschulpolitik. "Unsere Vereinigung ist keine politische, aber wir wollen unseren Studiengang am Leben erhalten. Wir sprechen Gymnasiasten an, informieren über unser Fach und die sehr guten Berufschancen", erklärt Daniela Bräu ihr Anliegen. Nicht nur auf Universitätsebene sind sie aktiv. "Momentan bauen wir mit anderen Kommilitonen ein europäisches Verbundnetz auf. Dann sollen Studienplatztausch oder die Vermittlung von Praktika folgen", so Daniela, die kürzlich an einer dieser Vorbereitungssitzungen in Bremen teilnahm.

Unterstützung erhoffen sie sich auch von ehemaligen Studierenden. Die Schiffsglocke in der Backsecke zeugt von der Verbundenheit - sie ist eine Spende von einem Alumni. Viele von ihnen findet man namentlich erwähnt in den so genannten Musterrollen. Früher trug sich dort die Schiffsmannschaft ein, heute zieren sie die Wände des Instituts. Die Ehemaligen werden regelmäßig angeschrieben und zu Veranstaltungen oder Fachvorträgen eingeladen. "Da kommen schon mal 130 Leute, natürlich bitten wir sie auch um finanzielle Unterstützung", erklärt die Vorsitzende. Denn ein Boot zu bauen oder ins Ausland zu fahren, koste Geld. "Doch letztendlich steht der Gemeinschaftssinn im Mittelpunkt", betont sie.


Festlich geschmücktes Forschungsschiff der TU Berlin.

Datenbank:

"Heyliger Orden der Schiffbauer Latte - Heylige Frau Latte" Sek. SG7-1, Salzufer 17-19, 10587 Berlin, Tel.: 030/314-26671, -26199, Fax.: 030/314-228 85, E-Mail.: Latte@ISM.TU-Berlin.de, Internet: http://www.cadlab.tu-berlin.de/~hf-latte/

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