Lust aufs Gestalten von Zukunft

Erinnerungen an das Studium, Ratschläge für Studierende

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parTU befragt an dieser Stelle Absolventinnen und Absolventen der TU Berlin. Diesmal antwortet Franziska Eichstädt-Bohlig (MdB):

parTU: Würden Sie einem jungen Menschen raten, in der heutigen Zeit zu studieren und warum?
Eichstädt-Bohlig: Ja, natürlich! Bildung und Wissen sind gerade heute die wichtigsten Ressourcen, allerdings würde ich auch raten, das Studium mit möglichst viel Praxiserfahrung zu verknüpfen.

parTU: Angenommen, Sie haben noch einmal die Wahl: Welches Fach / welche Fächer würden Sie heute belegen?
Eichstädt-Bohlig: Ich würde wieder Architektur und Städtebau studieren, obwohl die Berufsaussichten heute viel viel schlechter sind als zu meiner Zeit.

parTU: Wenn Sie an Ihre Studienzeit denken: Welche Lebenserfahrung haben Sie damals gemacht?
Eichstädt-Bohlig: Dass das Studieren in Kleingruppen, unabhängig und auch gegen die Weisheiten der Professoren, zu den intensivsten Lernprozessen und den besten Ergebnissen führt.

parTU: Waren Ihnen Noten damals sehr wichtig?
Eichstädt-Bohlig: Je nachdem vom wem und für welche Inhalte es die Noten gab.

parTU: Was hat Ihre Studienzeit an der TU vor allem geprägt?
Eichstädt-Bohlig: Hochschulpolitisch die von mir aktiv mitgestaltete Hochschulrevolte 1967/68. Fachpolitisch die "Diagnose - Ausstellung und Veranstaltung" 1968 bei den Architekten.

parTU: An welche Situation erinnern Sie sich heute noch mit einem Schmunzeln?
Eichstädt-Bohlig: An das "revolutionäre" Gruppendiplom, das wir Architekturstudenten 1969 im Hermkes-Seminar bei Hinrich Baller machten, wo ein Freund sein Architekturdiplom für eine Versuchsreihe mit Schimmelpilzen in diversen Schalen und Schüsseln bekam und ich selbst mit einer Marx-Analyse über den Arbeitsbegriff reüssierte - so wurden wir damals Architekten und vielleicht hat es mich deshalb in die Politik verschlagen . . .

parTU: Und woran eher ungern?
Eichstädt-Bohlig: Unsere Professoren interessierten sich vor allem für ihre Privatbüros und wenig für uns.

parTU: Wenn Sie Präsidentin einer deutschen Hochschule wären, was wäre Ihre erste Amtshandlung?
Eichstädt-Bohlig: Erstens: mehr Frauen an die Uni. Zweitens: Die Begrenzung der Professorenverträge auf jeweils fünf Jahre und die Bezahlung nach Leistungskriterien (ich weiß, dass das nicht Sache einer Hochschulrektorin wäre).

parTU: Welchen Rat geben Sie einem Studierenden im ersten Semester?
Eichstädt-Bohlig: Studiere mit einem Höchstmaß an Selbständigkeit - Entwickle Deine eigene Urteilskraft!

parTU: Und was würden Sie einem Absolventen raten, der sich in Ihrem Unternehmen bewirbt?
Eichstädt-Bohlig: Mein "Unternehmen" ist derzeit der nach Berlin umgezogene Bundestag. Aufgeweckten Studentinnen und Studenten kann ich nur dringend raten, in dieses "Politikunternehmen" reinzuschnuppern, angefangen mit dem Besuch von Anhörungen und Fachveranstaltungen, dem Studium von Berichten und Fachmaterialien über Praktika bis zur Berufsbewerbung. Die fachlich-politischen Grundlagen, die der Bundestag erarbeiten lässt, sind in aller Regel von höchstem fachlichen Niveau.

parTU: Welche Fähigkeiten sollten Hochschulabsolventen in die Berufswelt mitbringen?
Eichstädt-Bohlig: Selbstverständlich den fachspezifischen Umgang mit dem Computer und möglichst schon einige Praxiserfahrung, ansonsten aber vor allem jugendliche Berufsneugierde, Gestaltungswillen und eine gute Mischung aus Idealismus und Realitätssinn.

parTU: Was sollte man in Hinblick auf die Globalisierung schon während der Studienzeit unternehmen?
Eichstädt-Bohlig: Unbedingt Auslandserfahrung sammeln, entweder im Studium oder in der Praxis. Dazu mindestens ein bis zwei Fremdsprachen lernen, vor allem fließend Englisch.

parTU: Wie lautet Ihre Lebensmaxime?
Eichstädt-Bohlig: Lust aufs Gestalten von Zukunft - im Beruf ebenso wie in Politik und Gesellschaft.

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Franziska Eichstädt-Bohlig, Dipl.-Ing. Architektin, ist 58 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Ihr Architekturstudium absolvierte sie von 1961 bis 1963 in Hannover und von 1964 bis 1969 an der TU Berlin. Zwischen 1977 und 1982 war sie Assistentin am Fachbereich Architektur, Institut für Wohnungsbau und Stadtteilplanung bei Prof. Kennedy. Von 1983 bis 1988 und von 1991 bis 1994 war Frau Eichstädt-Bohlig Geschäftsführerin des Sanierungsträgers STATTBAU in Berlin - Kreuzberg, 1989/90 Baudezernentin im Bezirk Berlin - Kreuzberg (parteilos, für die Grünen) und seit 1994 ist sie Mitglied im Deutschen Bundestag (MdB), Fraktion Bündnis 90 / Grüne sowie Mitglied des Fraktionsvorstands und baupolitische Sprecherin.

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