Eigeninitiative zählt

Der Blick zurück: Was brachte das Studium?

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Generalist oder Spezialist, Theoretiker oder Praktiker - über die Fähigkeiten von Absolventen wird oft gestritten. Der strukturelle Wandel unserer Gesellschaft betrifft auch die Hochschulen.
Eine Anpassung der Studien- oder Prüfungsordnungen ist oft die Antwort darauf. Gerade bei Fächern, die in der Vergangenheit einen enormen Entwicklungsschub verzeichneten, ist diese Aufgabe keine leichte und im Hinblick auf den Forschungsauftrag der Institute ein Balanceakt. Doch, wie sehen es die Studierenden und Absolventen, die den Prüfstein ihrer Ausbildung - die Praxis - schon kennen?

parTU sprach mit Existenzgründern der Infonie GmbH und gleichzeitig TU-Absolventen sowie einem Informatik-Studenten über ihr Studium.

parTU: Habt Ihr für Eure Tätigkeit das richtige Rüstzeug an der Uni bekommen?

Helmut Oertel (25): Das theoretische ja, aber für das, was ich jetzt mache, musste ich mir das Wissen erst aus der Praxis holen. Also, wie organisiere ich ein Unternehmen oder wie führe ich Kundengespräche . . .

Nurhan Yildirim (25): Aber diese Erfahrungen muss sich der Student selbst aneignen. Und das muss man ihm schon zu Studienbeginn sagen.

Markus Andrezak (33): Der Standardstudent, der nur nach der Studienordnung geht, hat es heute schwer - vor allem in Bezug auf Selbsterfahrung und Selbsteinschätzung. Die Mitarbeit bei Infonie hat mir dafür viel gebracht.

parTU: Neben der Aneignung des theoretischen Wissens gibt es zahlreiche Projektarbeiten. Die Infonie GmbH ist ja auch aus einer Forschungsgruppe hervorgegangen, in der man viele Praxiserfahrungen sammeln konnte.

Nurhan: Ja, für uns war das der Einstieg in den Markt.

Markus: Ich war auch in dem Projekt "Kommunikations- und Informationstechnologie/ Formale Modelle, Logik, Programmierung" tätig. Erst als ich in diese Gruppe kam, habe ich mich an der Uni wieder wohl gefühlt.

Nurhan: Aber bei den Projekten, in denen kleinere Aufgaben oder studiumsbegleitende Programmieraufträge umgesetzt werden, ist es oft verordnete Gruppenarbeit.

Helmut: Und sie sind sehr uneinheitlich besetzt. Ist ein Überflieger dabei, dann zieht er alle anderen mit - aber letztlich haben sie kaum etwas davon. Der Student muss erkennen, dass er selbst etwas machen muss. Die Gruppe entbindet einen oft, die Aufgabe mit aller Energie zu lösen.

parTU: Wie steht Ihr zu Klausuren als Mittel, Wissen abzufragen?

Markus: Klausuren sind reine Geschwindigkeitstests. Ich habe den Eindruck, dass man dabei Prozesse automatisieren, aber nicht verstehen soll.

Nurhan: Man sollte wenige, aber komplexe Fragen stellen, die zum Nachdenken anregen, aber nicht nur auswendig Gelerntes abfragen.

parTU: Welchen Rat könnt Ihr Infor- matik-Studierenden geben?

Markus: Jeder braucht seine Zeit, um sich zu orientieren. Es ist nicht sinnvoll, streng nach der Prüfungsordnung zu studieren. Man sollte mehr tun. Jeder muß sehen, wohin er will, und Studium bzw. Jobs danach aussuchen.

Nurhan: Vorlesungen und Seminare waren dann gut, wenn der Dozent viele Praxisbeispiele brachte. Dort wurde man gefordert und bekam Anregungen, weiter zu denken. Solche Veranstaltungen sollte man besuchen.

Helmut: Jeder muss begreifen, dass vor allem Eigeninitiative zählt. Der Student sollte nichts als gegeben hinnehmen und viele Praxiserfahrungen sammeln. Die Kunden interessieren sich für Projekte und Referenzen, weniger für Noten.

Im Mai 1998 gründeten die Entwickler der Internet-Suchmaschinen FIREBALL und PAPERBALL die Infonie-Technologieentwicklung und Informationsmanagement GmbH. Geschäftsführende Gesellschafter sind die TU-Absolventen Oli Kai Paulus, Helmut Oertel und Nurhan Yildirim. Mitarbeiter Markus Andrezak schreibt momentan seine Diplomarbeit am Institut für Kommunikations- und Softwaretechnik der TU Berlin. Zu den Kunden zählen u.a. AOL und Bertelsmann.

Die Suchmaschinen entstanden in der Projektgruppe KIT/FLP (Kommunikations- und Informationstechnologie/ Formale Modelle, Logik, Programmierung bei Prof. Dr. Bernd Mahr) am Institut für Kommunikations- und Softwaretechnik in Kooperation mit Gruner und Jahr.

Helmut Oertel (25): Studenten müssen erkennen, dass sie vor allem selbst etwas machen müssen.
Markus Andrezak (33): Meine Mitarbeit bei Infonie hat mir viel Erfahrung und Wissen für das Studium gebracht.
Nurhan Yildirim (25): Das Forschungsprojekt an der Uni war für uns der Einstieg in den Markt. AOL und Bertelsmann sind heute unsere Kunden.

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Heinz Dürr, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft von Freunden der TU Berlin, steht den Existenzgründern als Pate mit Rat und Tat zur Seite.

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