Auch Forscher dürfen tricksen

Neue Lösungen für Schallminderung an Rad und Schiene

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Forschung & Entwicklung

Mehr als 300.000 Wohnungen an Berliner Hauptstraßen sind einem gesundheits- gefährdenden Lärmpegel ausgesetzt. Maßnahmen, um den hohen Schallpegel zu senken, sind dringend notwendig. In den Laboren der TU Berlin sucht man nach neuen Wegen der Schallminderung vor allem an Rad und Schiene, denn auch der Gütertransport mit dem Zug wird sich erhöhen.

Michael Möser ist wohl der einzige Professor in Berlin, dessen gelegentlicher Arbeitsplatz ein Trampolin ist. Für Journalistinnen mit Absatzschuhen keine ungefährliche Angelegenheit!

Das Stahlnetz schwingt unbehaglich. Auch die Wände und der Boden unter uns sind recht seltsam. Schaumgummiwürfel hängen an Stricken von der Decke, ebensolche Würfel, aufgesteckt auf Rohre, schmücken Wände und Fußboden. Unsere Worte werden von ihnen regelrecht verschluckt. Denn Zweck dieser Dekoration ist die Schallminderung. Nicht die Schwingungen des Netzes interessieren den Wissenschaftler, sondern die der Luft.

Prof. Möser ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Technische Akustik und experimentierte soeben in einem Labor der Akustischen Prüfhalle am Berliner Einsteinufer. Der Raum nebenan hat steile, glatte Wände, die den Schall total zurückwerfen. Eine Etage höher ist ein Zuggleis montiert, auf dem ein Versuchswagen hin und her rauscht. "Wir beschäftigen uns vor allem mit Schallentstehung und -minderung an Rad und Schiene", erklärt Prof. Möser.

Künftig wird sich der Gütertransport mit dem Zug um zehn Prozent erhöhen. Um die Lärmbelästigung zu verringern, greifen die Berliner Forscher in die "physikalische Trickkiste".

"Unser Interesse gilt vor allem den Schallabschirmwänden neben den Gleisen. Wir sollten sie verbessern, ohne ihre Höhe zu ändern", erzählt der Akustik-Professor, "denn ein Meter Schutzwand kostet die Bahn jetzt schon 1000 Mark." Auf die obere Wandkante montierten sie beispielsweise durchlöcherte Zylinder, die im Inneren in Kammern unterteilt sind. Oder sie befestigten an der Rückseite Kästen mit zahlreichen Rohren. "Wir verlängern damit den Weg der Schallwellen, und die Lärmbelästigung wird verringert", erklärt Prof. Möser. Auch eine Oberflächenstruktur mit Löchern und Hohlräumen "schluckt" die Geräusche. Bei einem anderen Experiment wurden lärmmindernde Schürzen an die Zugräder angebracht. "Setzt man sie und die Schallwände ein", so der Wissenschaftler, "verringert sich der Lärm um bis zu 20 Dezibel." Einen weiteren Trick wollen die Forscher anwenden: "Schall als Luftdruckschwankung breitet sich ähnlich wie eine Wasserwelle mit Tälern und Bergen aus. Dort, wo zwei Wellenberge aufeinander treffen, verstärkt sich der Schall. Überlagern sich Berg und Tal, hört man nichts mehr."

Auch im Verkehrsbereich könnte dieses Anti-Schall-Prinzip Anwendung finden. Dass Handlungsbedarf besteht, zeigen aktuelle Statistiken: In Berlin hat sich die Lärmbelästigung um 1,3 Dezibel erhöht, und die Verkehrsdichte nahm um 30 Prozent zu. Der aktuelle Lärmminderungsplan des Berliner Umweltsenators Peter Strieder (SPD) zählt 300.000 Wohnungen an Hauptstraßen, die tagsüber einem Lärmpegel von über 65 Dezibel (dB/A) ausgesetzt sind - ein Wert, den Mediziner als gesundheitsgefährdend einstufen.

Im Labor des Instituts für Technische Akustik ist eine maßstabsgenaue Versuchsstrecke installiert. Die Wissenschaftler messen auf dem Schienenstrang unter anderem den Schall verschiedenartiger Zugräder.

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