MARVIN Flugkünstler mit Gewinnchancen

Informatik-Studenten bauten autonom fliegenden Helikopter

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Werkstatt

Marvin ist autonom und dazu noch intelligent. Er führt sein Leben überwiegend in einem Labor des Franklin-Gebäudes der TU Berlin. An manchen Wochenenden kreist er über Brandenburg, oder kürzlich sogar über Richland im US-Bundesstaat Washington. Im nächsten Jahr zeigt er seine Flugkünste beim "Millennial Event".

Marvin ist jedoch kein normaler Flugkünstler, Marvin ist ein von Studierenden erdachter und gebauter 10 Kilogramm schwerer Helikopter.

"Das Besondere an ihm ist, dass er ohne menschliches Zutun fliegt und alle zehn Sekunden vom Flugareal Fotos schießt. Die Bilder werden auf einen Laptop übertragen. Dieser wertet sie aus und gibt weitere Anweisungen an den Roboter", erklärt Informatik-Student Volker Remuß.

Marvin erkennt umgestürzte Tankwagen, Autos oder verletzte Menschen und übermittelt ihre Position. Damit kann die 1,20 Meter lange Maschine beispielsweise in Katastrophengebieten eingesetzt werden.

"Der Helikopter ist nicht das Ergebnis eines Forschungsprojektes, sondern motivierte Studenten haben ihn seit dem Wintersemester 1997/98 entwickelt", so Wolfgang Brandenburg, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fachgebietes Prozessdatenverarbeitung. Zeitweise beteiligten sich fast 30 Studierende.

"Das Interessante daran ist", meint Volker Remuß, "dass ich ein reales Produkt mit anderen Studierenden entwickeln konnte und dafür auch Softwareprogramme schrieb. Der Praxisbezug ist für uns wichtig, und er macht Spaß."

Dass die angehenden Informatiker viel tüfteln mussten, zeigt die nähere Betrachtung des Fluggerätes: Marvin besteht aus einem handelsüblichen Modellhelikopter mit Zweitakt-Benzinmotor. Ein Bordrechner wertet die an der Unterseite befestigten Sensoren aus. Dadurch fliegt er autonom und hält seine Position - auch bei Wind. Über zwei Empfänger für das Global Positioning System kann seine Position mit einer Genauigkeit von zwei Zentimetern bestimmt werden. Mehr als 30.000 Messwerte pro Sekunde müssen ausgewertet und umgesetzt werden. Dafür befindet sich im Helikopter ein Kleinrechner. Ein Funkmodul mit digitalem schnurlosen Telefonstandard ist für den Datenaustausch zwischen Flugobjekt und Bodenstation verantwortlich. Die Bilderfassung übernimmt schließlich ein digitaler Fotoapparat.

"Unsere Hauptarbeit bestand darin, den Roboter so zu programmieren, dass er auf bestimmte Signale mit einer bestimmten Reaktion antwortet", sagt Volker Remuß. Die Studierenden entwickelten Programme für die Bilderfassung und -erkennung, für die Signalweiterleitung oder für die Korrektur der Flugposition.

Unterstützt wurden sie von dem Modellhelikopter-Piloten Matthias Jeserich. Viele Stunden verbrachten sie gemeinsam auf dem Flugplatz in Saarmund, um Marvin auszuprobieren. "Es musste alles genauestens stimmen, denn wir haben 50.000 Mark investiert", sagt Institutsmitarbeiter und Betreuer Marek Musial. "Einen Absturz können wir uns also nicht leisten."

Dass das Tüfteln sich gelohnt hat, zeigte der Wettbewerb in Richland/USA im Juni 1999. Die amerikanische "Association for Unmanned Vehicle Systems International" hatte zehn Hochschul-Teams aus der ganzen Welt eingeladen, um ihre autonomen Flugroboter zu präsentieren. Das TU-Team übernahm mit Marvin schließlich die Führung und geht im Jahr 2000 als Spitzenreiter in die dritte und letzte Runde des Wettbewerbs, das "Millennial Event". Selbst das Team vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) musste wegen Getriebeschadens aufgeben.

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