TU Berlin - Medieninformation Nr. 178 - 14. November 1995

Der Himmel über Berlin - Eine Simulation

Wie ein "Künstlicher Himmel" beim Museumsbau hilft


Häuser baut man nicht nur mit Steinen, Stahl und Beton, sondern auch mit Licht. Denn das Licht, das durch Fenster dringt und von Lampen strahlt, und die damit verbundene Wärme sind entscheidend für das Wohn- oder Arbeitsgefühl der Menschen im Inneren. Während man sich aber Gebäudeformen im Modell anschauen und statische Verhältnisse berechnen kann, ist es schwierig, vorherzusehen, wie das Licht in einem zukünftigen Raum wirken wird. Eine mögliche Planungshilfe ist die Tageslichtsimulation am Modell. Sie wird unter einem "Künstlichen Himmel" am Fachbereich Architektur durchgeführt. Bisher prominentestes Projekt einer Tageslichtsimulation war der Erweiterungsbau des Berliner Museums für Verkehr und Technik (MVT).

Das Gebilde "Künstlicher Himmel", das in einer fensterlosen Halle auf dem Nordcampus der TU Berlin steht, erinnert an einen übergroßen, etwa drei Meter hohen Iglu mit einer Hülle aus milchig-weißen Kunststoffplatten. Durch eine Tür gelangt man ins Innere: In der Mitte steht ein kleiner Drehtisch, darauf ein Modell des Museums für Verkehr und Technik. Hinter der transparenten Innenseite der Kuppelwand hängen Leuchtstofflampen. "Das sind fast 650 Lampen", erklärt Roman Jakobiak, Architekt und Betreuer des "Künstlichen Himmels", "sie lassen sich in verschiedenen Segmenten und Ringen schalten und können verschiedene Himmelszustände simulieren." Zum Beispiel den in der DIN 5043 genormten Himmelszustand "vollständig bedeckter Himmel", das verhangene Grau, das man auch vom Himmel über Berlin bestens kennt.

Dem Eingang gegenüber ist ein Parabolspiegel an einer vertikalen Schiene angebracht - die künstliche Sonne. Eine kleine Halogenlampe strahlt in den Spiegel, der das Licht dann in parallelen Strahlen auf das Modell wirft. "Durch die Drehung des Modelltisches und die Höhenverstellung der Sonne können unterschiedliche Sonnenstände simuliert werden. Je nach Aufgabenstellung können einzelne Sonnenstände angefahren oder ganze Sonnentage in ihrem Verlauf simuliert werden", erläutert der wissenschaftliche Mitarbeiter.

Egal ob Sommer oder Winter, morgens oder nachmittags - Jakobiak kann die gewünschten Lichtszenarien einstellen und Architekturmodelle lichttechnisch vermessen. Mit kleinen Beleuchtungsstärkemeßköpfen sowie mit Fotoapparat und Videotechnik kann Roman Jakobiak das Tageslicht in den Modellen testen und die zu zu erwartende Beleuchtungsqualität beurteilen. So sieht er bereits am Modell, wo große Leuchtdichtekontraste zu Blenderscheinungen führen oder welche Raumbereiche nicht ausreichend durch Tageslicht beleuchtet werden. Dafür können dann Verbesserungsvorschläge entwickelt werden.

So untersuchten Roman Jakobiak und sein Vorgänger am "Künstlichen Himmel", Ingo Lütkemeyer, den ursprünglichen Entwurf des Erweiterungsbaus am Museum für Verkehr und Technik, erarbeiteten Verbesserungsvorschläge für die Tageslichtnutzung und stimmten sie mit den Museumsarchitekten ab. Zum Beispiel im dritten Obergeschoß der Abteilung Luft- und Schiffahrt: Dort wurde nach der Überarbeitung die Zahl der Oberlichtbänder über den westlichen Ausstellungräumen verdoppelt.

Außerdem bekamen die Architekten den Rat, zusätzlich pyramidenförmige Oberlichter über die geplanten Ausstellungsnischen zu setzen. Für Verglasung und Sonnenschutz wurde auch gleich ein Vorschlag mitgeliefert: Scheiben aus einem styroporähnlichen, durchscheinenden "Aerogel" für die Ost- und Westseiten der Pyramide, Rasterstreifen für die Südseite.

Solche Detailarbeit zahlt sich aus, denn durch intensive Tageslichtnutzung kann die erforderliche Kunstlichtbeleuchtung und damit auch der Energieverbrauch gesenkt werden. "Tageslicht steigert nicht nur den visuellen Komfort und damit das Wohlbefinden der Nutzer", so Roman Jakobiak, "über Einsparungen an Energie zur Beleuchtung wirkt es sich auch positiv auf die Energiebilanz eines Gebäudes aus. Indirekt geschieht das durch geringere Kühllasten im Sommer und die Steigerung von Energiegewinnen im Winter." Die genaue Untersuchung der Tageslichtbeleuchtung in Gebäuden ist daher "die konsequente Fortführung der Beschäftigung mit Niedrigenergiegebäuden", so Architekt Jakobiak.

Der "Künstliche Himmel" an der TU Berlin ist nicht der einzige seiner Art. Ähnliche Einrichtungen existieren beispielsweise in Stuttgart, Lausanne oder Moskau. Während die meisten anderen "Künstlichen Himmel" von Leuchtenherstellern oder Lichtplanungsbüros betrieben werden, ist der TU-Himmel einer der wenigen, der für Forschung und Lehre zur Verfügung stehen.

Bereits 1988 wurde der "Künstliche TU-Himmel" im Rahmen eines Forschungsprojekts am Fachgebiet Ausbautechnik und Klimagerechtes Bauen von Prof. Hasso Schreck aufgebaut. 1990 wurden die Tageslichtspezialisten der TU Berlin dann zum Erweiterungsprojekt des Museums für Verkehr und Technik hinzugezogen. Dort beraten seitdem die Museumsarchitekten im Rahmen eines baubegleitenden Forschungs- und Entwicklungsvorhabens, das Professor Schreck auch nach seiner Emeritierung weiter leitet. Neben dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Museums-Projekt läuft seit 1991 außerdem ein Forschungsprojekt, das sich mit der "energieökonomischen Erweiterung von Typenschulbauten" in Dresden befaßt.

René Schönfeldt


Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Dipl.-Ing. Roman Jakobiak, Institut für Ausbau- und Innenraumplanung, TU Berlin, Tel.: 030/314-218897-21597.


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