Auch für den Airbag gibt es Verhaltensregeln, die von den Autoinsassen beachtet werden müssen, meint TU-Professor Hermann Appel
In jüngster Zeit ist in Fachzeitschriften, Wochenmagazinen und Zeitungen vermehrt berichtet worden, daß der als Schutz für PKW-Insassen hochgepriesene Airbag nicht nur schützen, sondern auch verletzen, ja sogar töten kann. Aus den USA werden von der dortigen Sicherheitsbehörde (National Highway Traffic Safety Administration, NHTSA) Zahlen genannt, wonach der Airbag im Jahre 1995 zwar 570 Leben gerettet habe, aber auch für 12 Todesfälle verantwortlich sei. Insbesondere gegenüber Kindern verhalte sich der Airbag aggressiv, es seien durch den Airbag mehr Kinder getötet, als gerettet worden.
In den USA sind es drei Ursachen, die für diese schlechte Bilanz verantwortlich sind:
Aber auch in Deutschland wurde über Fälle berichtet, bei denen Nutzungs- oder Konstruktionsfehler dazu geführt haben, daß Insassen bei Kollisionen durch den Airbag tödliche Verletzungen erlitten. Dieses ist für Prof. Dr.-Ing. Hermann Appel vom Fachgebiet Kraftfahrzeuge am Institut für Straßen- und Schienenverkehr der TU Berlin Grund genug, zum Airbag und zu Airbagproblemen Stellung zu nehmen:
Zunächst müsse zwischen nutzer- und systembedingten Verletzungen durch den Airbag selbst unterschieden werden. Im einzelnen nennt der TU-Wissenschaftler folgende Ursachen für nutzerbedingte Airbagverletzungen:
"Es können jedoch auch die Fahrzeughersteller Fehler zu verantworten haben", meint Professor Hermann Appel. Systembedingte Fehler seien
Zusammenfassend lassen sich alle diese verschiedenen Ursachen für eine erhöhte Ver-
letzungsgefahr durch den Airbag auf einen einzigen Grundfehler reduzieren: Beim Auslösen ist der Insasse mit Kopf, Brust oder Beinen zu dicht (d.h. weniger als etwa 35 cm) am noch nicht aufgeblasenen Airbag.
"Die Konsequenzen dieses Grundfehlers leuchten ein", so Prof. Appel, "wenn man das Funktionsprinzip des Airbags bedenkt: Der Airbag soll ein automatisches Prallpolster bilden. Dazu muß er schnell, und zwar innerhalb von 0,03 Sekunden, und mit ausreichendem Volumen (30 l bis 60 l beim Fahrer, doppelt soviel beim Beifahrer) explosionsartig aufgeblasen werden. In dieser schlagartigen Aufblähung liegt das Schutz-, aber zugleich auch das Gefährdungspotential: Bei richtigem Abstand schützt der Airbag, bei zu geringem Abstand gefährdet er. Nur in Kombination mit dem Gurt kann er richtig wirken, da dieser die richtige Positionierung der Insassen besorgt. Der Airbag alleine kann gefährlich werden."
"Die Airbag-Probleme also sind ernst und dürfen in der Tat nicht verniedlicht werden. Die Fahrzeughersteller müssen Sensorik und Auslösealgorithmus überdenken und verbessern. Das ist ein derzeit laufender Prozeß, wobei die Erfahrungen mit Airbag-Unfällen eingehen", berichtet der Fahrzeugingenieur. Für die Autonutzer, so konstatiert er, biete der Airbag schon heute unbestreitbar einen zum Gurt zusätzlichen, erheblichen Schutz, jedoch nur, wenn folgende einfache Grundregeln für die Vordersitze beachtet werden:
Erwachsene: Angurten und normalen Abstand zu Lenkrad bzw. Armaturentafel
einhalten.
Kinder: Keinen sog. Reboard-(Rückwärts-) Kindersitz auf dem Beifahrersitz verwenden, Vorwärts-Kindersitz nur in der hintersten Stellung des Beifahrersitzes anbringen.
"Diese Grundregeln und Hinweise sind an sich in jeder Betriebsanleitung und seitlich an der Armaturentafel vorhanden, jedoch scheinen diese Hinweise nicht auszureichen" meint
Hermann Appel, "die Ingenieure müssen das Problem offensiv den Autonutzern erklären und nicht nur bei Fachkonferenzen diskutieren, die Medien müssen das Problem und die Verhaltensregeln erläutern. Ähnlich wie bei der Gurteinführung ist offenbar mehr Aufklärungsarbeit nötig, als die Fachleute bei der Einführung des Airbags glaubten."
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern Prof. Dr.-Ing. Hermann Appel, Fachgebiet Kraftfahrzeuge am Institut für Straßen- und Schienenverkehr der TU Berlin, Tel.: 030/314-72970, Fax: 030/314-72505.