Was den Physikern oder den Literaten der Nobelpreis bedeutet, ist für die Mathematiker die Fields-Medaille. Mit dieser höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung, die ein Mathematiker erhalten kann, wurden heute vormittag im Rahmen der Eröffnung des International Congress of Mathematicians Richard E. Borcherds, Maxim Kontsevich, William Timothy Gowers und Curtis T. McMullen ausgezeichnet. Außerdem verlieh die Internationale Mathematische Union den Nevanlinna-Preis für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Theoretischen Informatik an den Mathematiker Peter Shor.
Die Fields-Medaille ist die höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die ein Mathematiker erhalten kann. Sie wird alle vier Jahre auf dem Internationalen Mathematiker-Kongreß (ICM) vergeben und ist mit 15.000 kanadischen Dollar (ca. 17.500 DM) dotiert. Es werden jeweils bis zu vier Mathematiker ausgezeichnet, die nicht über 40 Jahre alt sind. Die Altersbeschränkung soll garantieren, daß nicht nur zurückliegende wissenschaftliche Leistungen anerkannt werden. Die Auszeichnung soll die Fields-Medaillisten auch zu weiteren Arbeiten ermutigen.
"Fields-Medaille" ist nur die inoffizielle Bezeichnung der "Internationalen Medaille für herausragende Entdeckungen in der Mathematik". Ihr Namensgeber, der kanadische Mathematiker John C. Fields (1863 - 1932), organisierte den Internationalen Mathematiker-Kongreß von 1924 in Toronto. Fields konnte damals so viele Sponsoren finden, daß am Ende des Kongresses ein Überschuß blieb. Aus diesem Guthaben werden die Medaillen gestiftet. Die erste Fields-Medaille wurde 1936 auf dem Weltkongreß in Oslo vergeben. Wegen der großen Expansion der mathematischen Forschung werden seit 1966 jeweils vier Medaillen pro Weltkongreß vergeben. Die Auszeichnung wird oft als "Nobelpreis für Mathematik" bezeichnet, da die Schwedische Akademie der Wissenschaften Mathematiker nur über den Umweg der Natur- oder Sozialwissenschaften ehren kann; einen eigenen Nobelpreis für Mathematik gibt es nicht.
Die Fields-Medaille ist aus Gold und zeigt den Kopf von Archimedes (287 bis 212 v. Chr.) zusammen mit einem Zitat, das ihm zugeschrieben wird: "Transire suum pectus mundoque potiri" (Über seine geistigen Fähigkeiten hinauswachsen und sich der Welt bemächtigen). Die Rückseite trägt den Satz "Congregati ex toto orbe mathematici ob scripta insignia tribuere." (Die aus aller Welt zusammengekommenen Mathematiker verliehen [diese Medaille] auf Grund herausragender Schriften.)
Der einzige Deutsche, der die Fields-Medaille bislang erhielt, ist Gerd Faltings, Professsor am Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn. Er wurde 1986 wegen seines Beweises der sogenannten Mordellschen Vermutung und seinen Arbeiten in der algebraischen Geometrie ausgezeichnet.
Der Nevanlinna-Preis wird seit 1983 für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Theoretischen Informatik vergeben. Der Preis ist ebenfalls mit einer Goldmedaille verbunden und mit 15.000 kanadischen Dollar (ca. 17.500 DM) dotiert. Stifter ist die Universität Helsinki. Der Preis erinnert an den finnischen Mathematiker Rolf Nevanlinna, der 1959 - 1962 Präsident der Internationalen Mathematischen Union war und den Weltkongreß von 1962 in Stockholm leitete. Die eine Seite der Münze zeigt den Kopf Nevanlinnas. Auf der Rückseite ist das Siegel der Universität Helsinki zu sehen sowie ein Rechteck aus Nullen und Einsen. Hier ist das Wort Helsinki codiert.
Um die Preisträger für die Fields-Medaillen und den Nevanlinna-Preis zu finden, bestimmt das Exekutiv-Komitee der Internationalen Mathematischen Union zwei Gremien. Das "Fields-Medaillen-Komitee" (in dieser Form ab 1962) umfaßt acht, das "Nevanlinna-Preis-Komitee" drei Mathematiker.
Die Mondschein-Vermutung setzt die sogenannte "Monstergruppe"
mit elliptischen Funktionen in Zusammenhang. Diese Funktionen
dienen als Konstruktionsvorschriften für Gitterstrukturen
in der Ebene und können beispielsweise in der Chemie nützlich
sein, um Molekülstrukturen zu beschreiben. Die Monstergruppe
hingegen schien bislang nur innerhalb der reinen Mathematik eine
Bedeutung zu haben. Gruppen sind mathematische Objekte, mit denen
sich Strukturen mit Symmetrien beschreiben lassen; technisch gesehen
sind sie eine Menge von Objekten, für die bestimmte Rechenregeln
gelten (zum Beispiel sind die ganzen Zahlen zusammen mit der Addition
eine Gruppe). Ein berühmter Satz der Algebra sagt aus, daß
alle Gruppen - seien sie noch so groß und kompliziert -
aus den gleichen Bausteinen bestehen; so wie sich die materielle
Welt aus Atomen zusammensetzt. Die "Monstergruppe" ist
nun die größte der "sporadischen, endlichen, einfachen"
Gruppen - und eines der bizarrsten Objekte der Algebra. Sie hat
mehr Elemente als es Elementarteilchen im Universum gibt (ca.
8 x 10^53). Daher der Name "Monster". Borcherds benutzt
in seinem Beweis viele Ideen der String-Theorie - ein überraschender
Weg, die Theoretische Physik für die Mathematik nutzbar zu
machen. Strings - auch wenn die Theorie unter Physikern als spekulativ
gilt - wurden bei der Suche nach der "Weltformel" erfunden,
um verschiedene physikalische Theorien zu vereinheitlichen. Strings
kann man sich als Fäden oder Schlaufen vorstellen, die um
ein vielfaches kleiner als Elektronen sind.
Richard Ewen Borcherds (geb. 29.11.1959) ist seit 1996
"Royal Society research professor" am Fachbereich für
Reine Mathematik und Mathematische Statistik an der Universität
Cambridge, Großbritannien (Department of Pure Mathematics
and Mathematical Statistics, D.P.M.M.S.). Borcherds hat sein akademisches
Leben bisher in Cambridge und Berkeley verbracht. Nach Studium
und Promotion (1985) in Cambridge wurde er Fellow am Trinity-College
und ging 1987 als "Assistant Professor" an die University
of California in Berkeley, um Ende 1988 als Fellow der Royal Society
wieder nach Cambridge zurückzukehren. Seit Ende 1993 ist
er Professor in Berkeley, zur Zeit aber beurlaubt, um seine Professur
in Cambridge wahrzunehmen.
Maxim Kontsevich (geb. 25.8.1964) ist Professor am Institute
des Hautes Études Scientifiques (I.H.E.S.) bei Paris sowie
Visiting Professor an der Rutgers University in New Brunswick
(USA). Nach dem Studium an der Moskauer Universität und erster
Forschungstätigkeit am dortigen "Institut für Probleme
der Informationsverarbeitung" wurde er 1992 an der Universität
Bonn promoviert. Danach führten ihn Einladungen an die Harvard
University, nach Princeton, Berkeley und Bonn. Seit 1995 ist er
am I.H.E.S. tätig.
William Timothy Gowers (geb. 20.11.1963) ist Dozent am
Fachbereich für Reine Mathematik und Mathematische Statistik
an der Universität Cambridge, Großbritannien - genauer:
Lecturer, Department of Pure Mathematics and Mathematical Statistics
(D.P.M.M.S) - und Fellow am Trinity College, Cambridge. Ab Oktober
wird er als Rouse Ball Professor für Mathematik an der Universität
Cambridge arbeiten. Nach Studium und Promotion (1990) in Cambridge
ging er 1991 an das University College London. Ende 1995 kehrte
er als Dozent nach Cambridge zurück. 1996 erhielt er den
Preis der Europäischen Mathematischen Gesellschaft.
Ein weiteres Resultat von McMullen betrifft die Mandelbrotmenge
(unter dem Namen "Apfelmännchen" bekannt). Diese
Menge beschreibt dynamische Systeme, mit denen komplizierte Naturphänomene
wie Wetter oder Strömungen in Flüssigkeiten modelliert
werden. Man interessiert sich dafür, wo das System auseinanderdriftet
und welche Punkte sich auf ein Gleichgewichtszentrum zubewegen.
Die Trennungslinie zwischen diesen beiden Extremen ist die sogenannte
Julia-Menge, benannt nach dem französischen Mathematiker
Gaston Julia, der Anfang des Jahrhunderts die Theorie der dynamischen
Systeme begründete. Die Mandelbrotmenge zeigt nun, für
welche Parameter die Julia-Menge "zusammenhängend"
ist, also eine mathematisch schöne Eigenschaft besitzt. Doch
diese Beschreibung ist noch sehr grob; eine bessere Charakterisierung
der Grenzmenge ist Mathematikern noch nicht gelungen. Curtis T.
McMullen machte aber einen großen Schritt in diese Richtung,
als er zeigte, daß man aus der Mandelbrotmenge zum Teil
auch herauslesen kann, welche zugehörigen dynamischen Systeme
"hyperbolisch", und damit detaillierter zu beschreiben
sind. Für diese Systeme steht eine weit entwickelte Theorie
bereit. Bereits in den 60er Jahren wurde McMullens Ergebnis vermutet,
doch niemand vor ihm konnte diese genauere Charakterisierung der
Julia-Menge beweisen.
Curtis T. McMullen (geb. 21. 5. 1958) ist Visiting Professor
an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts (USA). Er
studierte in Williamstown, Cambridge (Großbritannien) sowie
Paris und promovierte 1985 in Harvard. Danach arbeitete er als
Dozent und Assistent an verschiedenen Universitäten, bevor
er 1990 Professor an der University of California in Berkeley
wurde. Seit 1998 lehrt er in Harvard. Die Fields-Medaille ist
seine zehnte große Auszeichnung. In diesem Jahr wurde er
in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.
Peter Shor (geb. 14. 8. 1959) ist Mathematiker bei den
AT&T Labs in Florham Park, New Jersey (USA). Seine Forschungsinteressen
umfassen Quantencomputing, algorithmische Geometrie und Kombinatorik.
Nach dem Studium an dem California Institute of Technology (Caltech)
promovierte er 1985 am Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Bevor er 1986 zu AT&T ging, war er ein Jahr lang Postdoc am
Mathematical Sciences Research Center in Berkeley, Kalifornien
(USA).
Richard E. Borcherds
Richard E. Borcherds wird für seine Leistungen auf den Gebieten
der Algebra und Geometrie ausgezeichnet, vor allem aber für
seinen Beweis der sogenannten Moonshine-Vermutung. Diese Vermutung
wurde Ende der 70er Jahre von den britischen Mathematikern John
Conway und Simon Norton formuliert und stellt zwei mathematische
Strukturen in einen so unerwarteten Zusammenhang, daß ihr
die Experten den Namen "Moonshine" (Mondlicht) gaben:
Ihr Gefühl war, daß sie die Mathematik dahinter in
einem nur schwachen Licht erahnten. Borcherds konnte 1989 die
Vermutung beweisen und hat - um im Bild zu bleiben - das Licht
angeknipst.
Maxim Kontsevich
Maxim Kontsevich hat sich in der Reinen Mathematik sowie in der
Theoretischen Physik durch einflußreiche Ideen und tiefliegende
Einsichten einen Namen gemacht. Arbeiten der Physiker Richard
Feynman sowie Edward Witten haben ihn beeinflußt. Kontsevich
ist Experte in der sogenannten String-Theorie und der Quantenfeldtheorie.
Bekannt geworden ist er durch Arbeiten zu vier Problemen aus der
Geometrie. So gelang es ihm, eine Vermutung von Witten zu beweisen
und die mathematische Äquivalenz zweier Modelle der sogenannten
Quantengravitation aufzuzeigen. Quantengravitation ist ein Zwischenschritt
auf dem Weg zur "Weltformel". Sie harmonisiert die physikalischen
Theorien des Makrokosmos (Massenanziehung) und des Mikrokosmos
(Kräfte unter Elementarteilchen). Ein anderes Resultat von
Kontsevich betrifft die Knotentheorie. Mathematiker verstehen
unter Knoten das gleiche wie normale Menschen: Verzwirbelte Schnüre
wie Segelknoten und Schnürsenkel (mit dem Unterschied, daß
in der Mathematik die losen Enden der Senkel stets verbunden sind).
Die Zahl der Knoten ist unübersehbar. Eine zentrale Frage
der Knotentheorie ist nun: welche der vielen Knoten sind "äquivalent",
mit anderen Worten: welche Knoten können allein durch Drehungen
und Verbiegungen ineinander überführt werden, ohne daß
man eine Schere zur Hilfe nimmt? Die Frage ist noch unbeantwortet,
obwohl sie bereits Anfang des Jahrhunderts aufkam. Man weiß
noch nicht einmal, welche Knoten sich "auflösen"
lassen, also in eine einfache Schlinge ohne Knoten überführt
werden können. Die Mathematiker suchen nach einer Klassifizierung
aller Knoten: Jedem Knoten soll eine Zahl oder Funktion zugeordnet
werden; äquivalente Knoten erhalten dabei die gleiche Zahl;
Knoten, die sich nicht ineinander durch Verbiegungen überführen
lassen, müssen verschiedene Nummern bekommen. Eine solche
Charakterisierung der Knoten ist noch nicht geschafft. Kontsevich
hat die bislang beste "Knoteninvariante", wie diese
Funktionen heißen, gefunden. Zwar gehört die Knotentheorie
zur reinen Mathematik, doch scheint es Anwendungen in den Naturwissenschaften
zu geben. So tauchen Knotenstrukturen in der Kosmologie, der Statistischen
Mechanik und der Genetik auf.
William Timothy Gowers
William Timothy Gowers hat wesentliche Beiträge in der Funktionalanalysis
geliefert und dabei reichen Gebrauch von Methoden aus der Kombinatorik
gemacht. Diese zwei Gebiete haben nur wenig miteinander zu tun,
und ein großes Verdienst von Gowers ist es, sie fruchtbar
verbunden zu haben. Funktionalanalysis und Kombinatorik haben
gemeinsam, daß viele der Probleme aus diesen Gebieten leicht
zu formulieren, aber äußerst schwer zu lösen sind.
Gowers hat durch ausgefeilte mathematische Konstruktionen einige
Vermutungen des berühmten polnischen Mathematikers Stefan
Banach (1892 - 1945) beweisen können, darunter das sogenannte
"Problem der unbedingten Basen". Banach galt als Exzentriker,
der lieber im Café als in seinem Büro an der Universität
Lemberg (Lwów) arbeitete. In den 20er und 30er Jahren entstand
im "Schottischen Café" eine Kladde, die Probleme
der Funktionalanalysis umfaßte. Sie wurde später als
das "Schottische Buch" bekannt. Gowers hat wesentliche
Beiträge vor allem zur Theorie der Banachräume geliefert.
Banachräume sind Mengen, deren Elemente nicht Zahlen sind,
sondern kompliziertere mathematische Objekte wie Funktionen, Maße
oder Operatoren. Mit ihnen läßt sich in Banachräumen
aber ähnlich wie mit Zahlen rechnen. Anwendung finden diese
Objekte zum Beispiel in der Quantenphysik. Eine zentrale Frage
unter Mathematikern und Physikern ist, welche inneren Strukturen
diese Räume aufweisen, beispielsweise, wieviele Symmetrien
sie enthalten (ob sie also unter Drehungen und Spiegelungen selbstähnlich
bleiben). Gowers gelang es, einen Banachraum zu konstruieren,
der fast keine Symmetrien besitzt. Diese Konstruktion dient seither
als raffiniertes Gegenbeispiel für viele Vermutungen aus
der Funktionalanalysis, darunter das Hyperebenen-Problem und das
Schröder-Bernstein-Problem für Banachräume. Durch
Gowers' Vorarbeit ließ sich eines der berühmtesten
Probleme der Funktionalanalysis, das sogenannte "Problem
der homogenen Räume" lösen. Vor einem Jahr machte
Gowers in der Kombinatorik auf sich aufmerksam, als er zu einem
Theorem des Mathematikers Emre Szemerédi einen neuen Beweis
lieferte, der kürzer und eleganter als die ursprüngliche
Argumentation war. Eine solche Leistung setzt ein äußerst
tiefes mathematisches Verständnis voraus.
Curtis T. McMullen
Curtis T. McMullen wird vor allem für seine Arbeiten auf
den Gebieten der Geometrie und der "Komplexen Dynamik"
ausgezeichnet, einem Zweig der Theorie der Dynamischen Systeme,
die umgangssprachlich oft "Chaostheorie" genannt wird.
McMullen hat in zahlreichen mathematischen Gebieten und ihren
Grenzbereichen gewirkt. Ein wichtiges Resultat konnte McMullen
bereits in seiner Doktorarbeit lösen. Es ist die Frage, wie
man aus einer beliebigen Gleichung alle Lösungen berechnen
kann. Für einfache Gleichungen kann man sie durch Umformungen
ermitteln. Bei den meisten Gleichungen aber muß man sich
mit Näherungslösungen begnügen. Ein bekanntes Näherungsverfahren
ist das "Newton-Verfahren", das - in einfacher Form
bereits in der Antike bekannt war. Für sogenannte polynomiale
Gleichungen zweiten Grades liefert es ohne wesentliche Ausnahmen
sehr gute Ergebnisse. Eine zentrale Frage war daher, ob es ähnliche
Verfahren - die man bloß noch nicht gefunden hatte - auch
für Gleichungen höheren Grades gibt. Curtis T. McMullens
Ergebnis: Für Gleichungen mit einem Grad größer
als drei kann es definitiv keinen solchen universellen Algorithmus
geben; nur für Teilbereiche ist ein Verfahren möglich.
Für Gleichungen vom Grad drei entwickelte er ein "neues"
Newton-Verfahren und konnte damit die Frage nach Näherungslösungen
vollständig lösen.
Der Nevanlinna-Preis geht an:
Peter Shor
Peter Shor hat bahnbrechende Arbeiten in der Kombinatorik und
der Theorie des "Quantencomputing" geleistet. Weltweit
bekannt wurde er 1994, als er ein Rechenverfahren zur "Faktorisierung
großer Zahlen" vorstellte, mit dem sich viele der heute
verwendeten Verschlüsselungsverfahren knacken lassen - zumindest
theoretisch: Shors Algorithmus funktioniert nämlich nur auf
sogenannten "Quantencomputern", von denen es bislang
lediglich Prototypen gibt. Quantencomputer rechnen nicht mit Strom
wie herkömmliche Computer, sondern nutzen Überlagerungszustände
von Atomen aus und können dabei Rechenkapazitäten erlangen,
die die heutigen parallelen Höchstleistungsrechner weit übertreffen.
Shors Ergebnis löste damals unter Physikern und Informatikern
einen Forschungsboom aus. Experten erwarten, daß Quantencomputer
schon in den nächsten Jahrzehnten Wirklichkeit werden könnten.
Diese schnelle Entwicklung wird aber auch mit Sorge betrachtet:
Shor konnte nämlich mathematisch beweisen, daß mit
den neuen Rechnern Verschlüsselungsverfahren wie das "RSA",
das heute als Standard bei digitalem Geld und elektronischen Unterschriften
gilt, nicht mehr sicher wären. "RSA" wurde 1977
von den Mathematikern Ronald Rivest, Adi Shamir und Leonard Adleman
erfunden (daher die Abkürzung). Es nutzt aus, daß die
Faktorisierung von Zahlen eine sogenannte Einbahnstraßen-Funktion
ist. Grob gesprochen bedeutet dies: Zahlen miteinander mal zu
nehmen, geht schnell - aus einer großen Zahl aber ihre einzelnen
Faktoren auseinander zu dividieren, ist nur mit größtem
Zeitaufwand möglich; allein hierauf beruht die Sicherheit
vieler Verschlüsselungsverfahren. Mit Shors Algorithmus ist
die Faktorisierung großer Zahlen auf Quantencomputern genauso
schnell wie das Malnehmen - "RSA" und andere Verschlüsselungsverfahren
könnten geknackt werden. Experten geben zwar Entwarnung,
da noch viel Vorarbeit geleistet werden muß, um solche Rechner
überhaupt zu konstruieren, doch Kryptographen tüfteln
schon heute an neuen, noch sichereren Verschlüsselungstechniken.
Weitere Informationen zum Mathematik-Weltkongreß erteilt
Ihnen gerne Janny Glaesmer, Presse- und Informationsreferat, TU
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