[TU Berlin] Medieninformation Nr. 182 - 18. August 1998
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Die vier Fields-Medaillisten und der Nevanlinna-Preisträger des International Congress of Mathematicians, Berlin 1998

Was den Physikern oder den Literaten der Nobelpreis bedeutet, ist für die Mathematiker die Fields-Medaille. Mit dieser höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung, die ein Mathematiker erhalten kann, wurden heute vormittag im Rahmen der Eröffnung des International Congress of Mathematicians Richard E. Borcherds, Maxim Kontsevich, William Timothy Gowers und Curtis T. McMullen ausgezeichnet. Außerdem verlieh die Internationale Mathematische Union den Nevanlinna-Preis für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Theoretischen Informatik an den Mathematiker Peter Shor.

Die Fields-Medaille ist die höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die ein Mathematiker erhalten kann. Sie wird alle vier Jahre auf dem Internationalen Mathematiker-Kongreß (ICM) vergeben und ist mit 15.000 kanadischen Dollar (ca. 17.500 DM) dotiert. Es werden jeweils bis zu vier Mathematiker ausgezeichnet, die nicht über 40 Jahre alt sind. Die Altersbeschränkung soll garantieren, daß nicht nur zurückliegende wissenschaftliche Leistungen anerkannt werden. Die Auszeichnung soll die Fields-Medaillisten auch zu weiteren Arbeiten ermutigen.

"Fields-Medaille" ist nur die inoffizielle Bezeichnung der "Internationalen Medaille für herausragende Entdeckungen in der Mathematik". Ihr Namensgeber, der kanadische Mathematiker John C. Fields (1863 - 1932), organisierte den Internationalen Mathematiker-Kongreß von 1924 in Toronto. Fields konnte damals so viele Sponsoren finden, daß am Ende des Kongresses ein Überschuß blieb. Aus diesem Guthaben werden die Medaillen gestiftet. Die erste Fields-Medaille wurde 1936 auf dem Weltkongreß in Oslo vergeben. Wegen der großen Expansion der mathematischen Forschung werden seit 1966 jeweils vier Medaillen pro Weltkongreß vergeben. Die Auszeichnung wird oft als "Nobelpreis für Mathematik" bezeichnet, da die Schwedische Akademie der Wissenschaften Mathematiker nur über den Umweg der Natur- oder Sozialwissenschaften ehren kann; einen eigenen Nobelpreis für Mathematik gibt es nicht.

Die Fields-Medaille ist aus Gold und zeigt den Kopf von Archimedes (287 bis 212 v. Chr.) zusammen mit einem Zitat, das ihm zugeschrieben wird: "Transire suum pectus mundoque potiri" (Über seine geistigen Fähigkeiten hinauswachsen und sich der Welt bemächtigen). Die Rückseite trägt den Satz "Congregati ex toto orbe mathematici ob scripta insignia tribuere." (Die aus aller Welt zusammengekommenen Mathematiker verliehen [diese Medaille] auf Grund herausragender Schriften.)

Der einzige Deutsche, der die Fields-Medaille bislang erhielt, ist Gerd Faltings, Professsor am Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn. Er wurde 1986 wegen seines Beweises der sogenannten Mordellschen Vermutung und seinen Arbeiten in der algebraischen Geometrie ausgezeichnet.

Der Nevanlinna-Preis wird seit 1983 für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Theoretischen Informatik vergeben. Der Preis ist ebenfalls mit einer Goldmedaille verbunden und mit 15.000 kanadischen Dollar (ca. 17.500 DM) dotiert. Stifter ist die Universität Helsinki. Der Preis erinnert an den finnischen Mathematiker Rolf Nevanlinna, der 1959 - 1962 Präsident der Internationalen Mathematischen Union war und den Weltkongreß von 1962 in Stockholm leitete. Die eine Seite der Münze zeigt den Kopf Nevanlinnas. Auf der Rückseite ist das Siegel der Universität Helsinki zu sehen sowie ein Rechteck aus Nullen und Einsen. Hier ist das Wort Helsinki codiert.

Um die Preisträger für die Fields-Medaillen und den Nevanlinna-Preis zu finden, bestimmt das Exekutiv-Komitee der Internationalen Mathematischen Union zwei Gremien. Das "Fields-Medaillen-Komitee" (in dieser Form ab 1962) umfaßt acht, das "Nevanlinna-Preis-Komitee" drei Mathematiker.

Fields-Medaillen gehen an:

Richard E. Borcherds

Richard E. Borcherds wird für seine Leistungen auf den Gebieten der Algebra und Geometrie ausgezeichnet, vor allem aber für seinen Beweis der sogenannten Moonshine-Vermutung. Diese Vermutung wurde Ende der 70er Jahre von den britischen Mathematikern John Conway und Simon Norton formuliert und stellt zwei mathematische Strukturen in einen so unerwarteten Zusammenhang, daß ihr die Experten den Namen "Moonshine" (Mondlicht) gaben: Ihr Gefühl war, daß sie die Mathematik dahinter in einem nur schwachen Licht erahnten. Borcherds konnte 1989 die Vermutung beweisen und hat - um im Bild zu bleiben - das Licht angeknipst.

Die Mondschein-Vermutung setzt die sogenannte "Monstergruppe" mit elliptischen Funktionen in Zusammenhang. Diese Funktionen dienen als Konstruktionsvorschriften für Gitterstrukturen in der Ebene und können beispielsweise in der Chemie nützlich sein, um Molekülstrukturen zu beschreiben. Die Monstergruppe hingegen schien bislang nur innerhalb der reinen Mathematik eine Bedeutung zu haben. Gruppen sind mathematische Objekte, mit denen sich Strukturen mit Symmetrien beschreiben lassen; technisch gesehen sind sie eine Menge von Objekten, für die bestimmte Rechenregeln gelten (zum Beispiel sind die ganzen Zahlen zusammen mit der Addition eine Gruppe). Ein berühmter Satz der Algebra sagt aus, daß alle Gruppen - seien sie noch so groß und kompliziert - aus den gleichen Bausteinen bestehen; so wie sich die materielle Welt aus Atomen zusammensetzt. Die "Monstergruppe" ist nun die größte der "sporadischen, endlichen, einfachen" Gruppen - und eines der bizarrsten Objekte der Algebra. Sie hat mehr Elemente als es Elementarteilchen im Universum gibt (ca. 8 x 10^53). Daher der Name "Monster". Borcherds benutzt in seinem Beweis viele Ideen der String-Theorie - ein überraschender Weg, die Theoretische Physik für die Mathematik nutzbar zu machen. Strings - auch wenn die Theorie unter Physikern als spekulativ gilt - wurden bei der Suche nach der "Weltformel" erfunden, um verschiedene physikalische Theorien zu vereinheitlichen. Strings kann man sich als Fäden oder Schlaufen vorstellen, die um ein vielfaches kleiner als Elektronen sind.

Richard Ewen Borcherds (geb. 29.11.1959) ist seit 1996 "Royal Society research professor" am Fachbereich für Reine Mathematik und Mathematische Statistik an der Universität Cambridge, Großbritannien (Department of Pure Mathematics and Mathematical Statistics, D.P.M.M.S.). Borcherds hat sein akademisches Leben bisher in Cambridge und Berkeley verbracht. Nach Studium und Promotion (1985) in Cambridge wurde er Fellow am Trinity-College und ging 1987 als "Assistant Professor" an die University of California in Berkeley, um Ende 1988 als Fellow der Royal Society wieder nach Cambridge zurückzukehren. Seit Ende 1993 ist er Professor in Berkeley, zur Zeit aber beurlaubt, um seine Professur in Cambridge wahrzunehmen.

Maxim Kontsevich

Maxim Kontsevich hat sich in der Reinen Mathematik sowie in der Theoretischen Physik durch einflußreiche Ideen und tiefliegende Einsichten einen Namen gemacht. Arbeiten der Physiker Richard Feynman sowie Edward Witten haben ihn beeinflußt. Kontsevich ist Experte in der sogenannten String-Theorie und der Quantenfeldtheorie. Bekannt geworden ist er durch Arbeiten zu vier Problemen aus der Geometrie. So gelang es ihm, eine Vermutung von Witten zu beweisen und die mathematische Äquivalenz zweier Modelle der sogenannten Quantengravitation aufzuzeigen. Quantengravitation ist ein Zwischenschritt auf dem Weg zur "Weltformel". Sie harmonisiert die physikalischen Theorien des Makrokosmos (Massenanziehung) und des Mikrokosmos (Kräfte unter Elementarteilchen). Ein anderes Resultat von Kontsevich betrifft die Knotentheorie. Mathematiker verstehen unter Knoten das gleiche wie normale Menschen: Verzwirbelte Schnüre wie Segelknoten und Schnürsenkel (mit dem Unterschied, daß in der Mathematik die losen Enden der Senkel stets verbunden sind). Die Zahl der Knoten ist unübersehbar. Eine zentrale Frage der Knotentheorie ist nun: welche der vielen Knoten sind "äquivalent", mit anderen Worten: welche Knoten können allein durch Drehungen und Verbiegungen ineinander überführt werden, ohne daß man eine Schere zur Hilfe nimmt? Die Frage ist noch unbeantwortet, obwohl sie bereits Anfang des Jahrhunderts aufkam. Man weiß noch nicht einmal, welche Knoten sich "auflösen" lassen, also in eine einfache Schlinge ohne Knoten überführt werden können. Die Mathematiker suchen nach einer Klassifizierung aller Knoten: Jedem Knoten soll eine Zahl oder Funktion zugeordnet werden; äquivalente Knoten erhalten dabei die gleiche Zahl; Knoten, die sich nicht ineinander durch Verbiegungen überführen lassen, müssen verschiedene Nummern bekommen. Eine solche Charakterisierung der Knoten ist noch nicht geschafft. Kontsevich hat die bislang beste "Knoteninvariante", wie diese Funktionen heißen, gefunden. Zwar gehört die Knotentheorie zur reinen Mathematik, doch scheint es Anwendungen in den Naturwissenschaften zu geben. So tauchen Knotenstrukturen in der Kosmologie, der Statistischen Mechanik und der Genetik auf.

Maxim Kontsevich (geb. 25.8.1964) ist Professor am Institute des Hautes Études Scientifiques (I.H.E.S.) bei Paris sowie Visiting Professor an der Rutgers University in New Brunswick (USA). Nach dem Studium an der Moskauer Universität und erster Forschungstätigkeit am dortigen "Institut für Probleme der Informationsverarbeitung" wurde er 1992 an der Universität Bonn promoviert. Danach führten ihn Einladungen an die Harvard University, nach Princeton, Berkeley und Bonn. Seit 1995 ist er am I.H.E.S. tätig.

William Timothy Gowers

William Timothy Gowers hat wesentliche Beiträge in der Funktionalanalysis geliefert und dabei reichen Gebrauch von Methoden aus der Kombinatorik gemacht. Diese zwei Gebiete haben nur wenig miteinander zu tun, und ein großes Verdienst von Gowers ist es, sie fruchtbar verbunden zu haben. Funktionalanalysis und Kombinatorik haben gemeinsam, daß viele der Probleme aus diesen Gebieten leicht zu formulieren, aber äußerst schwer zu lösen sind. Gowers hat durch ausgefeilte mathematische Konstruktionen einige Vermutungen des berühmten polnischen Mathematikers Stefan Banach (1892 - 1945) beweisen können, darunter das sogenannte "Problem der unbedingten Basen". Banach galt als Exzentriker, der lieber im Café als in seinem Büro an der Universität Lemberg (Lwów) arbeitete. In den 20er und 30er Jahren entstand im "Schottischen Café" eine Kladde, die Probleme der Funktionalanalysis umfaßte. Sie wurde später als das "Schottische Buch" bekannt. Gowers hat wesentliche Beiträge vor allem zur Theorie der Banachräume geliefert. Banachräume sind Mengen, deren Elemente nicht Zahlen sind, sondern kompliziertere mathematische Objekte wie Funktionen, Maße oder Operatoren. Mit ihnen läßt sich in Banachräumen aber ähnlich wie mit Zahlen rechnen. Anwendung finden diese Objekte zum Beispiel in der Quantenphysik. Eine zentrale Frage unter Mathematikern und Physikern ist, welche inneren Strukturen diese Räume aufweisen, beispielsweise, wieviele Symmetrien sie enthalten (ob sie also unter Drehungen und Spiegelungen selbstähnlich bleiben). Gowers gelang es, einen Banachraum zu konstruieren, der fast keine Symmetrien besitzt. Diese Konstruktion dient seither als raffiniertes Gegenbeispiel für viele Vermutungen aus der Funktionalanalysis, darunter das Hyperebenen-Problem und das Schröder-Bernstein-Problem für Banachräume. Durch Gowers' Vorarbeit ließ sich eines der berühmtesten Probleme der Funktionalanalysis, das sogenannte "Problem der homogenen Räume" lösen. Vor einem Jahr machte Gowers in der Kombinatorik auf sich aufmerksam, als er zu einem Theorem des Mathematikers Emre Szemerédi einen neuen Beweis lieferte, der kürzer und eleganter als die ursprüngliche Argumentation war. Eine solche Leistung setzt ein äußerst tiefes mathematisches Verständnis voraus.

William Timothy Gowers (geb. 20.11.1963) ist Dozent am Fachbereich für Reine Mathematik und Mathematische Statistik an der Universität Cambridge, Großbritannien - genauer: Lecturer, Department of Pure Mathematics and Mathematical Statistics (D.P.M.M.S) - und Fellow am Trinity College, Cambridge. Ab Oktober wird er als Rouse Ball Professor für Mathematik an der Universität Cambridge arbeiten. Nach Studium und Promotion (1990) in Cambridge ging er 1991 an das University College London. Ende 1995 kehrte er als Dozent nach Cambridge zurück. 1996 erhielt er den Preis der Europäischen Mathematischen Gesellschaft.

Curtis T. McMullen

Curtis T. McMullen wird vor allem für seine Arbeiten auf den Gebieten der Geometrie und der "Komplexen Dynamik" ausgezeichnet, einem Zweig der Theorie der Dynamischen Systeme, die umgangssprachlich oft "Chaostheorie" genannt wird. McMullen hat in zahlreichen mathematischen Gebieten und ihren Grenzbereichen gewirkt. Ein wichtiges Resultat konnte McMullen bereits in seiner Doktorarbeit lösen. Es ist die Frage, wie man aus einer beliebigen Gleichung alle Lösungen berechnen kann. Für einfache Gleichungen kann man sie durch Umformungen ermitteln. Bei den meisten Gleichungen aber muß man sich mit Näherungslösungen begnügen. Ein bekanntes Näherungsverfahren ist das "Newton-Verfahren", das - in einfacher Form bereits in der Antike bekannt war. Für sogenannte polynomiale Gleichungen zweiten Grades liefert es ohne wesentliche Ausnahmen sehr gute Ergebnisse. Eine zentrale Frage war daher, ob es ähnliche Verfahren - die man bloß noch nicht gefunden hatte - auch für Gleichungen höheren Grades gibt. Curtis T. McMullens Ergebnis: Für Gleichungen mit einem Grad größer als drei kann es definitiv keinen solchen universellen Algorithmus geben; nur für Teilbereiche ist ein Verfahren möglich. Für Gleichungen vom Grad drei entwickelte er ein "neues" Newton-Verfahren und konnte damit die Frage nach Näherungslösungen vollständig lösen.

Ein weiteres Resultat von McMullen betrifft die Mandelbrotmenge (unter dem Namen "Apfelmännchen" bekannt). Diese Menge beschreibt dynamische Systeme, mit denen komplizierte Naturphänomene wie Wetter oder Strömungen in Flüssigkeiten modelliert werden. Man interessiert sich dafür, wo das System auseinanderdriftet und welche Punkte sich auf ein Gleichgewichtszentrum zubewegen. Die Trennungslinie zwischen diesen beiden Extremen ist die sogenannte Julia-Menge, benannt nach dem französischen Mathematiker Gaston Julia, der Anfang des Jahrhunderts die Theorie der dynamischen Systeme begründete. Die Mandelbrotmenge zeigt nun, für welche Parameter die Julia-Menge "zusammenhängend" ist, also eine mathematisch schöne Eigenschaft besitzt. Doch diese Beschreibung ist noch sehr grob; eine bessere Charakterisierung der Grenzmenge ist Mathematikern noch nicht gelungen. Curtis T. McMullen machte aber einen großen Schritt in diese Richtung, als er zeigte, daß man aus der Mandelbrotmenge zum Teil auch herauslesen kann, welche zugehörigen dynamischen Systeme "hyperbolisch", und damit detaillierter zu beschreiben sind. Für diese Systeme steht eine weit entwickelte Theorie bereit. Bereits in den 60er Jahren wurde McMullens Ergebnis vermutet, doch niemand vor ihm konnte diese genauere Charakterisierung der Julia-Menge beweisen.

Curtis T. McMullen (geb. 21. 5. 1958) ist Visiting Professor an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts (USA). Er studierte in Williamstown, Cambridge (Großbritannien) sowie Paris und promovierte 1985 in Harvard. Danach arbeitete er als Dozent und Assistent an verschiedenen Universitäten, bevor er 1990 Professor an der University of California in Berkeley wurde. Seit 1998 lehrt er in Harvard. Die Fields-Medaille ist seine zehnte große Auszeichnung. In diesem Jahr wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.


Der Nevanlinna-Preis geht an:

Peter Shor

Peter Shor hat bahnbrechende Arbeiten in der Kombinatorik und der Theorie des "Quantencomputing" geleistet. Weltweit bekannt wurde er 1994, als er ein Rechenverfahren zur "Faktorisierung großer Zahlen" vorstellte, mit dem sich viele der heute verwendeten Verschlüsselungsverfahren knacken lassen - zumindest theoretisch: Shors Algorithmus funktioniert nämlich nur auf sogenannten "Quantencomputern", von denen es bislang lediglich Prototypen gibt. Quantencomputer rechnen nicht mit Strom wie herkömmliche Computer, sondern nutzen Überlagerungszustände von Atomen aus und können dabei Rechenkapazitäten erlangen, die die heutigen parallelen Höchstleistungsrechner weit übertreffen. Shors Ergebnis löste damals unter Physikern und Informatikern einen Forschungsboom aus. Experten erwarten, daß Quantencomputer schon in den nächsten Jahrzehnten Wirklichkeit werden könnten. Diese schnelle Entwicklung wird aber auch mit Sorge betrachtet: Shor konnte nämlich mathematisch beweisen, daß mit den neuen Rechnern Verschlüsselungsverfahren wie das "RSA", das heute als Standard bei digitalem Geld und elektronischen Unterschriften gilt, nicht mehr sicher wären. "RSA" wurde 1977 von den Mathematikern Ronald Rivest, Adi Shamir und Leonard Adleman erfunden (daher die Abkürzung). Es nutzt aus, daß die Faktorisierung von Zahlen eine sogenannte Einbahnstraßen-Funktion ist. Grob gesprochen bedeutet dies: Zahlen miteinander mal zu nehmen, geht schnell - aus einer großen Zahl aber ihre einzelnen Faktoren auseinander zu dividieren, ist nur mit größtem Zeitaufwand möglich; allein hierauf beruht die Sicherheit vieler Verschlüsselungsverfahren. Mit Shors Algorithmus ist die Faktorisierung großer Zahlen auf Quantencomputern genauso schnell wie das Malnehmen - "RSA" und andere Verschlüsselungsverfahren könnten geknackt werden. Experten geben zwar Entwarnung, da noch viel Vorarbeit geleistet werden muß, um solche Rechner überhaupt zu konstruieren, doch Kryptographen tüfteln schon heute an neuen, noch sichereren Verschlüsselungstechniken.

Peter Shor (geb. 14. 8. 1959) ist Mathematiker bei den AT&T Labs in Florham Park, New Jersey (USA). Seine Forschungsinteressen umfassen Quantencomputing, algorithmische Geometrie und Kombinatorik. Nach dem Studium an dem California Institute of Technology (Caltech) promovierte er 1985 am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Bevor er 1986 zu AT&T ging, war er ein Jahr lang Postdoc am Mathematical Sciences Research Center in Berkeley, Kalifornien (USA).


Weitere Informationen zum Mathematik-Weltkongreß erteilt Ihnen gerne Janny Glaesmer, Presse- und Informationsreferat, TU Berlin, Tel: 030/314-22919 oder -23922, Fax: 030/314-23909, E-Mail: pressestelle@tu-berlin.de.