Persi Diaconis war ein bekannter Magier in den USA. Heute ist er Professor für Mathematik. Seine Forschungen nutzt er, um neue Zaubertricks zu erfinden.
"Wenn man Professor für Zauberei werden könnte, wäre ich niemals Mathematiker oder Statistiker geworden", sagt Persi Diaconis, Professor für Statistik an der renommierten Stanford University in Palo Alto (Kalifornien). Am Donnerstag,dem 27. August, um 14.00 Uhr, wird er im Auditorium Maximum der TU Berlin den letzten Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematiker-Kongreß halten ("From Shuffling Cards to Walking Around the Building"). Was sein akademischer Titel und sein Renomée als Forscher nicht verraten: Persi Diaconis ist wirklich ein Zauberer und in den USA so berühmt, daß er längst Professor für Magie wäre, wenn es denn ginge.
Alles begann 1959, als Diaconis in einem New Yorker Zaubercafé den damals weltberühmten Magier Dai Vernon kennenlernte. Der war von dem noch 14-jährigen Diaconis so angetan, daß er den Jungen fragte, ob er nicht mitkommen will. Zwei Tage später verließ Diaconis sein Elternhaus, ohne sich zu verabschieden. Erst zehn Jahre später tauchte er wieder auf und beendete auf der Abendschule das College. Nach insgesamt fünf Jahren schloß er bereits seinen Doktor an der Harvard University ab. Im gleichen Jahr wurde er Professor in Stanford.
"Eigentlich bin ich besser in der Magie als in der Mathematik", sagt Diaconis, "doch die Zauberei wird sehr eintönig, wenn man mit ihr Geld verdient. Man muß immer die gleichen Nummern spielen, um das Publikum nicht zu enttäuschen." Heute steht er nur selten auf der Bühne, aber er erfindet noch Tricks für andere Zauberer. Die zehn Jahre, die er auf der Straße, in Clubs, Hotels und feinen Gesellschaften als Magier verbrachte, prägen aber auch den Stil, mit dem er Mathematik betreibt. "Bei mir darf es nicht allzu abstrakt werden. Ich brüte lieber über realen Problemen", sagt er. Die Realität, die er meint, hat freilich nichts mit Technik und Industrie zu tun, sondern mit seiner Leidenschaft, der Zauberei. So forscht Diaconis unter anderem über das Kartenmischen, über Kartentricks und faire Würfel. Dabei entdeckte er neue mathematische Wahrheiten, die eng mit schon vorhandenen Theorien in Algebra und Wahrscheinlichkeitstheorie zusammenhängen. Auch in der mathematischen Statistik hat Diaconis große Leistungen vollbracht. So untersuchte er, unter welchen Umständen man anhand von umfangreichem Datenmaterial zu sicheren Schlußfolgerungen gelangen kann. Er konnte beweisen, daß unter gewissen Bedingungen die Interpretation von Daten unsicher bleibt, auch wenn immer neues Zahlenmaterial in die Statistik aufgenommen wird.
Hier drei populäre Beispiele der Forschung von Persi Diaconis:
Vom Kartenmischen
Wie oft muß man ein Kartenspiel mit 52 Karten mischen, bis
die Reihenfolge der Karten wirklich zufällig ist? Um die
sieben Mal, ist die mathematische Antwort - aber nur wenn die
Karten wie üblich gemischt werden und dabei nicht geschummelt
wird. Die Formel, die Persi Diaconis zusammen mit David Bayer
von der Columbia University (New York) entwickelte, lautet (1.5)xlog2n,
wobei n die Zahl der Karten angibt. Zentrales Argument im Beweis
des Satzes ist, daß nach einer gewissen Anzahl von Mischvorgängen
die Karten die ursprüngliche Ordnung vollständig verloren
haben. Wann dies eintritt, hängt von der Art des Mischens
ab und ist nicht einfach zu berechnen. Die Mathematik dahinter
stammt aus der Wahrscheinlichkeitstheorie, deren Modelle auch
den zufälligen Zick-Zack-Kurs beispielsweise von Molekülen
in Flüssigkeiten beschreiben.
Faire Würfel
Der normale Würfel hat sechs Seiten. Wie müssen
Würfel mit sieben, acht, neun, zehn oder mehr Seiten aussehen,
damit beim Würfeln jede Fläche mit der gleichen Wahrscheinlichkeit
nach oben zeigt? Zunächst denkt man an symmetrische Objekte:
Alle Flächen müssen gleich groß und alle Winkel
zwischen den Flächen identisch sein - wie beim gewöhnlichen
Würfel. In der Tat sind alle sogenannten Polyeder faire Würfel,
zum Beispiel das Tetraeder (Pyramide mit insgesamt vier Seiten),
das Oktaeder (Doppelpyramide mit acht Seiten) oder das Dodekaeder
(12 Seiten). Doch es gibt auch faire Würfel, die nicht vollkommen
symmetrisch sind. Zum Beispiel sogenannte Prismen, die wie kleine
Säulen aussehen, deren Längsseiten eckig abgestuft sind.
Zusammen mit Joseph Keller (Stanford University) bewies Diaconis,
daß es beispielsweise keinen symmetrischen fairen Würfel
mit fünf Seiten geben kann, wohl aber einen unsymmetrischen.
Dessen Form hängt aber davon ab, auf welcher Unterlage -
Sand oder Holz zum Beispiel - der gewürfelt wird.
Karten-Raten
Ein Experiment für zwei Spieler und einem Kartenspiel
mit 52 Blatt: Der erste Spieler nimmt vom Kartenspiel stets ein
Blatt auf und hält es in der Hand. Der andere Spieler muß
raten, welche Karte es ist. Tippt er falsch, sagt der erste Spieler
nur "Nein" und legt die Karte ohne sie aufzudecken beiseite.
Wie viele der Karten wird der zweite Spieler wohl richtig tippen?
Die mathematische Antwort heißt "etwa zwei" (genau:
e-1, wobei e die Eulersche Zahl 2.718 ist). Werden die Karten
nach dem Raten aufgedeckt, weiß also der zweite Spieler,
welche Karten sich nicht mehr im Stoß befinden können,
so steigt die Anzahl der richtig geratenen Karten auf "vier
bis fünf".
Mit solchen Berechnungen lassen sich zum Teil auch Experimente zur "Außersinnlichen Wahrnehmung" überprüfen. In der Tat hat sich Persi Diaconis auch einen Namen damit gemacht, durch seine mathematischen und magischen Kenntnisse Betrüger auf diesem Feld zu überführen. Aber es gibt noch eine andere Anwendung seiner Forschung: "Die Mathematik hilft mir, neue Kunststücke zu erfinden", sagt Diaconis. Seine Studenten werden nicht selten Zeugen, denn Diaconis pflegt es, während seiner Mathematikvorlesungen dann und wann ein paar Zaubertricks vorzuführen. Nicht zuletzt deshalb wird sein Plenarvortrag am Donnerstag mit Spannung erwartet. Das Thema: "From Shuffling Cards to Walking Around the Building" (Vom Kartenmischen und dem "Um-die-Häuser-Laufen"), 27. August, 14.00 Uhr, Auditorium Maximum der TU Berlin.
Vasco Alexander Schmidt