[TU Berlin] Medieninformation Nr. 42 - 16. Februar 1998
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Kuratorium der TU Berlin spricht Empfehlungen an den Akademischen Senat der TU Berlin für die weitere Strukturdebatte aus /
Präsident Ewers nimmt Stellung

Der Akademische Senat (AS) der TU Berlin hatte am 21. Januar 1998 einen Beschluß zur zukünftigen Struktur der TU Berlin gefaßt, der eine Neugliederung der 15 Fachbereiche in acht Fakultäten vorsieht. Vorausgegangen war diesem Beschluß eine achtmonatige inneruniversitäre öffentliche Diskussion über die neue Struktur der TU Berlin: Im Juli vergangenen Jahres hatte Präsident Hans-Jürgen Ewers ein Diskussionspapier zur neuen Struktur der TU Berlin vorgelegt, das den Fachbereichen zur Stellungnahme zugeleitet wurde. Eine Präsidialkommission legte im Herbst 1997 auf der Grundlage dieser Stellungnahmen ein Konzept zur Neustrukturierung der Fachbereiche vor, das vom Akademischen Senat und vom Präsidenten nicht in allen Punkten übernommen wurde. Ein kritischer Punkt in der gesamten Diskussion war z.B. die Gründung einer Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, wofür und wogegen von unterschiedlichen Seiten Gründe genannt wurden. Derzeit arbeitet eine neue Präsidialkommission an den Vorschlägen für die Personalausstattung und die Reform der Studiengänge für die acht Fakultäten. Bis Ende März 1998 muß nach den Vorgaben des Gesetzgebers ein Gesamtkonzept zur Strukturreform an der TU Berlin ausgearbeitet sein.

Auf seiner Sitzung am Freitag, dem 13. Februar 1998, hat das Kuratorium der TU Berlin nun Empfehlungen zur weiteren Debatte um die Strukturreform an der TU Berlin gefaßt. Die Empfehlungen des Kuratoriums, die sich auf Dringlichkeitsanträge und Tischvorlagen der Reformfraktion stützen, sehen vor, daß der Akademische Senat der TU Berlin seinen Strukturvorschlag noch einmal überdenkt und dem Kuratorium nach Abschluß der gesamten AS-Strukturdebatte darüber berichtet. Dabei soll berücksichtigt werden, so die Vorlage aus der Reformfraktion, daß ein Strukturvorschlag möglichst in einem universitären Konsens, d.h. mit einer deutlichen Mehrheit im AS verabschiedet werden sollte. Ebenso sollten die Vorschläge der Fachbereiche dabei soweit wie möglich berücksichtigt werden. Insbesondere sollte die Etablierung einer Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät mit den Disziplinen Mathematik, Physik und Chemie noch einmal diskutiert werden, da eine Kombination dieser Disziplinen mit anwendungsbezogenen Fächern erfolgversprechender zu sein scheint. Auch für andere Fachgebiete werden andere Kombinationsmöglichkeiten für neue Fachbereiche in die Debatte gebracht. Darüber hinaus sollte die Zuordnung der Fachgebiete zu neuen Fachbereichen erst nach der Entscheidung über die an der TU Berlin weiterhin anzubietenden Studiengänge und deren Ausstattung mit Personal erfolgen.

Weiterhin empfiehlt das Kuratorium dem Akademischen Senat zu seiner Unterstützung bei der Entwicklung eines neuen Strukturkonzeptes einen "Runden Tisch” als beratendes Gremium ohne Entscheidungsbefugnisse einzurichten. Grundlage für diese Idee ist das Konzept des AStA für einen "Runden Tisch”, das allerdings vom Akademischen Senat mit Mehrheit (11:14:0) bereits in einer früheren Sitzung des AS (am 14.1.1998) abgelehnt worden war.

Zu den Empfehlungen der Kuratoriumsmitglieder nimmt der Präsident der TU Berlin, Prof. Dr. Hans-Jürgen Ewers, wie folgt Stellung:

In der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, ich hätte "noch in letzter Minute” versucht, "eine tiefgehende Diskussion über die geplante Neuordnung im Kuratorium zu verhindern” und "kritische Fragen” zu vermeiden. In der Tat habe ich versucht, eine Beschlußfassung über einen wenige Tage vor der Kuratoriumssitzung vorgelegten Dringlichkeitsantrag aus dem Kreise der "Reformfraktion” über Details aus dem noch nicht abgeschlossenen Planungsprozeß in der TU Berlin zu diesem Zeitpunkt zu verhindern. Zum einen sind eine Reihe der in diesem Dringlichkeitsantrag kritisierten Tatbestände noch gar nicht vom Akademischen Senat (AS) entschieden, so daß ein entsprechender Kuratoriumsbeschluß auf eine Bevormundung des AS hinausgelaufen wäre. Zum anderen bestand die Gefahr, daß die auf diese Diskussion nicht vorbereiteten und aus den mit dem Dringlichkeitsantrag vorgelegten Unterlagen mangelhaft und extrem selektiv informierten nicht-universitären Kuratoriumsmitglieder von der Minderheit im Akademischen Senat mißbraucht würden, um die nach einer intensiven und komplizierten achtmonatigen Diskussion bislang im AS zustande gekommenen Teilbeschlüsse zu kippen. Darüber hinaus hätte das Kippen der bislang vom AS gefaßten Beschlüsse bedeutet, daß das Zeitziel für die Vorlage eines Entwicklungsplans, der 31. März, nicht mehr hätte erfüllt werden können. Damit würde die TU Berlin ihrer Verpflichtung aus dem Vertrag mit dem Senat Berlin nicht nachkommen können.

Der erzielte Kompromiß im Kuratorium, nach dem die TU Berlin nicht verpflichtet ist, den Vorstellungen des Dringlichkeitsantrags zu folgen, sondern das Ganze nur als Empfehlung an den AS zu betrachten sei, ist wenig hilfreich. Zum einen macht sich das Kuratorium die (als solche in der Sitzung gar nicht diskutierten) inhaltlichen Vorstellungen des Antrages zu eigen, obwohl alle dort geäußerten Kritikpunkte bei mehreren AS-Sitzungen diskutiert, schlußendlich aber mehrheitlich verworfen wurden. Zum anderen scheint ihm die Frage, ob unter den jetzt geschaffenen Bedingungen ein Strukturplan bis Ende März vorgelegt werden kann, offenbar völlig gleichgültig zu sein. Anders kann man diesen Beschluß ebenso wie einen später zur Einrichtung eines "Runden Tisches” auf Antrag des AStA gefaßten Beschluß nicht verstehen. Die Beschlußvorlage dazu wurde als neunseitige Tischvorlage zusammen mit weiteren Tischvorlagen im Umfang von etwa 30 Seiten zu Beginn der Sitzung eingeführt. Sie konnte von keinem der Kuratoriumsmitglieder auch nur gelesen worden sein. Das scheint freilich auch gar nicht erforderlich zu sein. Zu diesem Stil paßt auch ein weiterer Beschluß des Kuratoriums zur Berücksichtigung von Fraueninteressen bei der künftigen Budgetierung der Fachbereiche. Hier wurde in der laufenden Sitzung eine zweiseitige, eng beschriebene Beschlußvorlage mit einem umfänglichen Katalog von Kriterien verteilt und wenige Minuten später ohne jede Diskussion mehrheitlich akzeptiert. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits mehrere Kuratoriumsmitglieder die Sitzung verlassen.

Um die Mehrheitsverhältnisse bei den Abstimmungen des Kuratoriums am 13. 2. 1998 würdigen zu können, bedarf es zusätzlicher Information. Das Kuratorium, höchstes Entscheidungsgremium der Berliner Universitäten, ist wie folgt zusammengesetzt: Acht Mitglieder der Universität (zwei Professoren/innen, zwei wissenschaftliche Mitarbeiter/innen, zwei nichtwissenschaftliche Mitarbeiter/innen, zwei Studierende), vier Mitglieder des Abgeordnetenhauses (je ein Vertreter der CDU, SPD, Bündnis 90/Gründe, PDS), vier Vertreter/innen der Senatsverwaltung (Wissenschaft und Forschung, Finanzen, Inneres, Stadtentwicklung), je zwei Vertreter/innen der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften, eine Vertreterin von Fraueninteressen, ein/e Vertreter/in von Umweltinteressen, insgesamt 22 Mitglieder. Am 13. 2. 1998 fehlte ein Vertreter der Unternehmensverbände, weil die Sitzung kurzfristig um zwei Tage verschoben werden mußte. Bei der Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag von Mitgliedern der Reformfraktion lauteten alle vier Senatsstimmen zugunsten des Antrags, weil die beiden anwesenden Senatsvertreter (Senator Strieder und Staatssekretär Prof. Thies, beide jeweils mit einer zusätzlichen Stimme für die nicht vertretenen Verwaltungen ausgestattet) dankenswerterweise die "Entschärfung” des Antrags zu einer Empfehlung angeregt hatten und nun - wie es schien - nolens volens auch für den entschärften Antrag stimmen mußten.

Ich warte nach allem nur noch darauf, daß uns jene Politiker, die für weitere Kürzungen der Universitätsbudgets eintreten, wieder einmal mangelnde Reformfähigkeit und Reformwilligkeit vorwerfen. Dann wäre das Lehrstück in Sachen Demokratie komplett.