[TU Berlin] Medieninformation Nr. 71 - 7. April 1998
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Frühe Begegnungen zwischen China und Europa

Europa in China III: Zwischen Ming und Qing. Die Jesuiten, dynastischer Verfall, innere Unruhen und der Aufbau einer neuen Ordnung im China des 17. Jahrhunderts
Konferenz vom 22. bis 26. April 1998 an der TU Berlin/Einladung

Als im Jahr 1648 der 30jährige Krieg durch den Westfälischen Frieden beendet wurde, war es gerade vier Jahre her, daß ein anderes Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung Ostasien erschüttert hatte. Die seit 1368 in China regierende Ming-Dynastie war unter dem Druck von Korruption, inneren Unruhen und dem Vordringen der tungusischen Mandschus aus dem Nordosten zusammengebrochen. Als die Hauptstadt Peking von einer Rebellenarmee erobert wurde, erhängte sich der letzte Ming-Kaiser auf dem Kohlenhügel hinter der Verbotenen Stadt. Nur kurze Zeit später eroberten die Mandschus die Stadt und schickten sich an, von dort aus ihr "Großes Unternehmen" - die Eroberung ganz Chinas und die Etablierung der Fremddynastie der Qing - zu vollenden. Es sollte bis 1683 dauern, bevor es der Qing-Dynastie gelang, die verschiedenen Rebellenarmeen, die sich in den Süden Chinas zurückziehenden Ming-Loyalisten sowie Verräter in den eigenen Reihen zu besiegen und ihren Herrschaftsanspruch durchzusetzen. In dieser von Bürgerkriegen, Gewalt und Intrigen geprägten Atmosphäre versuchte eine kleine Gruppe von europäischen Missionaren, ihr Anfang des 17. Jahrhunderts überaus erfolgreich begonnenes Unterfangen - die Verbreitung des christlichen Glaubens in China - weiter voranzutreiben oder doch zumindest die bisherigen Erfolge zu verteidigen.

Die frühen Erfolge der Mission in China beruhten zu großen Teilen auf der Konzeption einer Missionierung Chinas "von oben", die von dem italienischen Jesuiten Matteo Ricci, der sich seit Ende des 16. Jahrhunderts in China aufgehalten hatte, entwickelt worden war. Als brillantem Wissenschaftler, der fließend Chinesisch sprach und mit den kulturellen Werten der chinesischen Elite vertraut war, gelang es Ricci im Habitus eines chinesischen Gelehrten Zugang zu höchsten Würdenträgern des Kaiserhofes zu erlangen. Als besonders interessant erschienen der chinesischen Elite die Erkenntnisse der westlichen Wissenschaften, die ihnen der Jesuitenpater zu vermitteln verstand. So entstanden eine Reihe von einflußreichen Übersetzungen auf den Gebieten der Astronomie, Mathematik, Geographie und Hydraulik. Auf dieser Grundlage gelang weiteren jesuitischen Missionaren der Aufstieg in einflußreiche Stellungen im Reich der Mitte, wobei sich insbesondere der aus Köln stammende Nachfolger Riccis Adam Schall von Bell seit 1630 um die Reform des für die chinesischen Herrscher ungemein wichtigen Kalenders verdient machte.

Mit erstaunlichem diplomatischen Geschick verstanden es die jesuitischen Missionare, ihre Stellung auch während der Bürgerkriege und inneren Wirren nach dem Fall der Ming-Dynastie zu bewahren. Während Adam Schall von Bell schnell zu einem Vertrauten des ersten Qing-Kaisers wurde, hielten andere Jesuiten enge Beziehungen zu den verschiedenen - und letztlich allesamt glücklosen - Thronprätendenten in der Nachfolge des letzten Ming-Kaisers aufrecht.

Durch die vielfältigen Kontakte der jesuitischen Missionare wurde nicht nur westliches Wissen in China verbreitet, sondern es gelangten im Gegenzug auch eine Fülle von Informationen über China nach Europa, wo sie vor allem beim gelehrten Publikum auf großes Interesse stießen. Ein bedeutendes Ergebnis dieses Austausches waren die 1697 veröffentlichten "Novissima Sinica" ("Das Neueste von China") von Gottfried Wilhelm Leibniz, denen im Oktober des letzten Jahres eine Konferenz an der TU Berlin gewidmet war. Vom 22. bis 26. April 1998 beschäftigt sich nun erneut eine Konferenz an der TU Berlin mit der frühen Phase der Begegnung zwischen China und Europa.

Diese Konferenz mit dem Titel "Europa in China III: Zwischen Ming und Qing. Die Jesuiten, dynastischer Verfall, innere Unruhen und der Aufbau einer neuen Ordnung im China des 17. Jahrhunderts" wird von Prof. Dr. M. Lackner vom Ostasiatischen Seminar der Universität Göttingen und Prof. Dr. Catherine Jami von der Université Paris VII in Zusammenarbeit mit der "Arbeitsstelle für Geschichte und Philosophie der chinesischen Wissenschaft und Technik" an der TU Berlin organisiert. Die Tagung ist die dritte Veranstaltung einer Konferenzreihe, die sich mit der Geschichte der frühen christlichen Mission in China befaßt. Wie bei den Vorgängertreffen in Paris und Rom wird es vor allem um die Untersuchung des chinesischen Kontextes gehen, in dem die Begegnung zwischen Ost und West in China stattfand. Während die Konferenz zu den "Novissma Sinica" in erster Linie das europäische Chinabild beleuchtete, wird bei dieser Veranstaltung die Perspektive gleichsam umgedreht und ein weiterer Schritt zur systematischen Untersuchung der faszinierenden Frühphase der chinesisch-europäischen Beziehungen unternommen. Mehr als 20 Wissenschaftler aus Europa, Asien und Amerika werden sich mit unterschiedlichen Aspekten dieser kulturellen und wissenschaftlichen Begegnung befassen.

Ein Schwerpunkt der Konferenz wird das Problem der Vermittlung der westlichen Wissenschaften - namentlich der Philosophie, der Mathematik, der Astronomie und der Medizin - in das China des 17. Jahrhunderts sein. Untersucht wird dabei einerseits die Form dieser Vermittlungsbemühungen, andererseits die chinesischen Reaktionen auf die neuen Kenntnisse. Daneben werden die Auswirkungen des west-östlichen Kontaktes in den Bereichen Musik und Sprache analysiert sowie die literarischen Ergebnisse, die diese Begegnung in Mandschurisch, Chinesisch und verschiedenen europäischen Sprachen zeitigte. Gleichermaßen bedeutend ist die Untersuchung der ideologischen Rechtfertigung, mit der chinesische Gelehrte in einem Reich, das sich als Zentrum der Welt verstand, ihre Beschäftigung mit dem westlichen Wissen verteidigten. Besonders interessant ist dabei das Entstehen einer Argumentationsfigur, die die Ursprünge des westlichen Wissens nach China zu verlegen trachtete. Bisher weitgehend unerforscht ist auch das Schicksal von bekehrten Christen und Missionaren unter der Herrschaft der verschiedenen Rebellen und unter den glücklosen Nachfolgern des Ming-Hofes im Süden Chinas, das auf der Konferenz ebenfalls in den Blickpunkt gerückt werden soll. Neue Einsichten verspricht auch die Untersuchung der mandschurischen Geheimakten des Prozesses gegen Adam Schall von Bell, der im Jahr 1664 in Folge verleumderischer Angriffe von chinesischen Gegnern zunächst zum Tode verurteilt, schließlich aber, nachdem sich die jesuitischen Berechnungen des Kalenders als richtig herausgestellt hatten, begnadigt wurde.

Die Konferenz soll einen weiteren Beitrag zur Untersuchung der bedeutenden und folgenreichen Begegnung zwischen China und dem Westen leisten. Die interkulturelle Untersuchung eines interkulturellen Begegnung wird den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen chinesischen und westlichen Wissenschaftern weiter vorantreiben.

Iwo Amelung, Arbeitsstelle für Geschichte und Philosophie der chinesischen Wissen-schaft und Technik

Die internationale Konferenz "Europe in China III: Between Ming and Qing. The Jesuits, Dynastic Decline, Internal Strife, and the Establishment of a New Order in Seventeenth Century China" wurde organisiert vom Ostasiatischen Seminar der Universität Göttingen und der Arbeitsstelle für Geschichte und Philosophie der chinesischen Wissenschaft und Technik an der Technischen Universität Berlin. Wir möchten Sie herzlich dazu einladen:

Zeit: Beginn am Mittwoch, dem 22. April 1998, um 14.00 Uhr
Ort: Technische Universität Berlin, Hauptgebäude,Raum H 1035
, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin

Das Programm der Konferenz finden Sie auch im World Wide Web (unter http://station7.kgw.tu-berlin.de/Jesuiten/Program.html) Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Iwo Amelung, TU Berlin, "Projekt Wissenschaftssprache Chinesisch", Ernst-Reuter-Platz 7 (Sekr. TEL 12-1), 10587 Berlin, Telefon: 030/314-79416, Fax: 030/314-79576, E-mail: Iwoa0132@mailszrz.zrz.tu-berlin.de.