[TU Berlin] Medieninformation Nr. 75 - 9. April 1998
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Hertha Nathorff Preis für TU-Absolvent/innen

Berliner Ärztekammer zeichnet beste Magisterarbeiten im TU-Studiengang Public-Health aus

Seit 1995 verleiht die Ärztekammer Berlin jährlich den Hertha Nathorff Preis für die besten Magisterarbeiten im TU-Ergänzungsstudiengang Public Health. Der mit insgesamt 5000,- DM dotierte Preis ist nach der jüdischen Ärztin Hertha Nathorff (1895 - 1993)* benannt. Die Preise werden im Rahmen des "Tages der Public Health Studierenden" von der Gesundheits- und Sozialsenatorin Beate Hübner (angefragt) überreicht. Ein weiterer Programmpunkt sind die Zeugnisverleihungen an die Absolventinnen und Absolventen des Jahres 1997. Den Festvortrag hält Frau Dr. Ilona Kickbusch von der Weltgesundheitsorganisation WHO über "Public Health - Kernstück einer nachhaltigen Gesundheitspolitik". Außerdem wird Prof. Dr. Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin, über seine Begegnung mit Hertha Nathorff sprechen.

Wir möchten Sie hiermit herzlich zu der Veranstaltung einladen.

Zeit: am Freitag, dem 17. April 1996, 14.00 Uhr
Ort: TU Berlin, Ernst-Reuter-Haus, Straße des 17. Juni 112, Raum ER-A (1. Etage), 10623 Berlin

In diesem Jahr gibt es zwei Erste Preisträger, die jeweils 2.500,- DM erhalten:

Gabriele Bartsch beschäftigte sich in ihrer Magisterarbeit "Der neue Diskurs der Weltbank - Konsequenzen für die Entwicklungsländer?" mit den Veränderungen im Gesundheitswesen Nicaraguas seit 1990. In der Arbeit kommt sie zu dem Schluß, daß sich der Gesundheitszustand der nicaraguanischen Bevölkerung verschlechtert hat. Die Ursachen liegt - so Gabriele Bartsch - in der Armut der Bevölkerung, die sich durch die Strukturanpassungsmaßnahmen der Weltbank verschärft hätte. Eine Änderung sei auch nicht in Sicht, da bisher die erhofften privaten Investitionen ausgeblieben seien. Nach Ansicht von Gabriele Bartsch schafft das Konzept, durch Deregulierung und Privatisierung Wirtschaftswachstum zu ermöglichen, keine geeigneten Rahmenbedingungen für die Verbesserungen der Gesundheitsversorgung. Vielmehr werde der Zugang ärmerer Bevölkerungsschichten zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung geringer. Fortschritte würden außerdem durch das soziale und politische Machtgefälle in dem Land erschwert.

Gabriele Bartsch, 1953 geboren, hat Lateinamerikanistik, Soziologie und Agrargeographie studiert. Seit 1977 weilte sie mehrfach in Südamerika. Sie war unter anderem als Gutachterin für entwicklungspolitische Projekte tätig.

Mit Modellen zur Verbesserung der ambulanten Versorgung in Deutschland und dem Ver-gleich mit amerikanischen Modellen beschäftigte sich Dr. Stefan Klatt in seiner Abschlußarbeit. Von solchen Modellvorhabensei nur dann eine positive Wirkung zu erwarten, wenn sie die Kooperation im Gesundheitswesen verbessern und höherwertige medizinische Leistungen hervorbringen. Amerikanische Verfahren sind - so sein Ergebnis - jedoch nur bedingt auf bundesdeutsche Verhältnisse anwendbar. Zum Beispiel sei die Qualität der ambulanten Versorgung in den USA kein primäres Thema. Dennoch seien die amerikanischen Vorerfahrungen als Grundlage für deutsche Modellvorhaben nicht zu ersetzen. Klatt hält es für möglich, durch Modellvorhaben rund 10% der Kosten in der ambulanten Versorgung einzusparen.

Der 1960 geborene Arzt Dr. med. Stefan Klatt ist zur Zeit als Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Arbeits-, Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinischen Fakultät der Humboldt Universität beschäftigt.


* Mit dem Hertha Nathorff Preis wird an eine Ärztin erinnert, die in den 20er und 30er Jahren engagiert im öffentlichen Gesundheitswesen Berlins tätig war. Hertha Nathorff, geb. Einstein, wurde 1895 als Kind einer bekannten, wohlhabenden jüdischen Familie geboren. 1923 wurde sie leitende Ärztin eines DRK-Entbindungs- und Säuglingsheims, das sich in Berlin-Charlottenburg befand. Parallel zu dieser Tätigkeit baute sie sich eine eigene Praxis auf. Unter der Nazi-Diktatur in den dreißiger Jahren mußte sie als jüdische Ärztin ihren Beruf aufgeben. 1939 gelang ihr die Flucht nach Amerika. Ihr Leben konnte sie somit retten, verloren hatte sie jedoch ihre berufliche Aufgabe. Zwar war sie karitativ tätig und arbeitete später als Psychotherapeutin, aber als mittellose Einwanderin konnte sie sich in ihrem Arztberuf in Amerika nicht etablieren und litt unter dem Verlust des Berufes. Für ihr soziales Engagement in Deutschland und den USA erhielt sie 1967 das Bundesverdienstkreuz am Bande, jedoch kehrte sie nie wieder nach Deutschland zurück. Sie starb 1993.

(Im Fischer-Verlag sind die Tagebuch-Aufzeichnungen von H. Nathorff erschienen: "Das Tagebuch der Hertha Nathorff. Berlin - New York. Aufzeichnungen. 1933 bis 1945", hrsg. v. Wolfgang Benz, Frankfurt a. M. 1988).


Weitere Informationen erteilen Ihnen gern: Dipl.-Soz. Hans Jürgen Lorenz, Gesundheitswissenschaften Public Health, Technische Universität Berlin, Tel.: 030/314-21618, Fax: -21578 oder Sybille Golkowski, Pressestelle der Ärztekammer Berlin, Tel.: 030/40806-124.