[TU Berlin] Medieninformation Nr. 192 - 6. Oktober 1999
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Militär, Krieg und Geschlechterverhältnisse

Was die traditionelle militärhistorische Forschung nicht interessiert

Wollten Männer Soldaten werden? Töteten und kämpften nur Männer? Waren Frauen friedliebender? Welche Rolle spielten sie in der Kriegsmaschine an der Front und in der Heimat? Wie wurden die heimkehrenden Soldaten empfangen? Was geschah mit den Invaliden? Wie erlebten Frauen und Männer den Krieg und wie erinnerten sie sich an ihn? Wie formte er die Menschen - Soldaten wie Zivilisten?
Diese und ähnliche Fragen haben die traditionelle militärhistorische Forschung nicht interessiert. Im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit standen Schlachten, Heerführer, Militärverfassungen und Waffensysteme. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich die Militärgeschichtsschreibung zunächst für sozial- und wirtschafts-, später auch für alltags- und kulturhistorische Forschungsfragen geöffnet. Nur eine Dimension der Geschichte von Militär und Krieg blieb bis in die jüngste Zeit unbeachtet: die geschlechtergeschichtliche. Die bisherige Militärgeschichtsschreibung kennzeichnet ein doppelt männlich geprägter Blick: Zumeist männliche Historiker befassen sich fast ausschließlich mit männlichen Akteuren, ohne jedoch deren Geschlecht und deren kulturell konstruierte Männlichkeit zu thematisieren.
Dieser einseitige Blick soll auf der Tagung "Geschlechter - Kriege: Militär, Krieg und Geschlechterverhältnisse 1914 - 1949", die vom Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin (ZIFG) und dem Freiburger Arbeitskreis für Militärgeschichte veranstaltet wird, gründlich in Frage gestellt werden.

Wir möchten Journalistinnen und Journalisten herzlich einladen, über diese Tagung zu berichten. Bitte leiten Sie diese Medieninformation auch an Ihre Kultur-/Feuilletonredaktion weiter.

Zeit: am Freitag, dem 15. Oktober 1999, 13.00 Uhr

Ort: Ernst-Reuter-Haus, Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin

Anknüpfend an das ZIFG-Kolloquium "Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel (17. - 19. Jahrhundert)" vom November 1997 sollen die bisher weitgehend getrennt bearbeiteten Forschungsfelder der Militär- und der Geschlechtergeschichte in der Folgeveranstaltung auch für das 20. Jahrhundert verbunden werden. Ziel der Tagung ist es, zentrale Problemfelder einer Geschlechtergeschichte von Militär und Krieg im Kreis von Kolleginnen und Kollegen aus der Militärgeschichtsschreibung wie der historischen Frauen- und Geschlechterforschung zu diskutieren. Ein Vorhaben mit Experimentcharakter, das bereits im Vorfeld auf viel Resonanz stieß. In drei Sektionen werden mehr als 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus acht Ländern über Schlüsselprobleme des Themas diskutieren. Die erste Sektion "Frauenbilder - Männerbilder" widmet sich der Konstruktion von konkurrierenden Entwürfen von Männlichkeit und Weiblichkeit im Kontext von Militär und Krieg. Die zweite Sektion zum Thema "Geschlechterbeziehungen - Geschlechterhierarchien" behandelt die gesellschaftlichen Auswirkungen des weitreichenden Wandels im Militär- und Kriegswesen des
20. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt der dritten Sektion "Erfahrungen - Erinnerungen" stehen die subjektiven Wahrnehmungen von Krieg und Gewalt und deren Be- und Verarbeitung im kollektiven Gedächtnis. In den Vorträgen werden unter diesen drei Schwerpunkten unter anderem die eingangs aufgeworfenen Fragen erörtert. Dabei wird sich zeigen, dass eine geschlechtergeschichtliche Behandlung des Themas Militär und Krieg mit vielen überkommenen Vorstellungen aufräumt: Weder waren Frauen per se friedliebender als Männer noch wollten alle Männer sich im Krieg als "Helden" bewähren. Frauen waren auch im 20. Jahrhundert noch ein notwendiger Bestandteil der Kriegsmaschine, nicht nur an der Front, wo sie als Krankenschwester, Verwaltungskraft, Nachrichtenhelferin oder Flakmädchen sowie vor allem in den Befreiungsarmeen auch als Soldatinnen zum Einsatz kamen, sondern auch in der Heimat, wo sie durch ihre Arbeitskraft die Kriegswirtschaft stützten. Die Gewalterfahrungen in Militär und Krieg hatten für Opfer wie für Täter weitreichende physische und psychische Folgen. Die beiden großen europäischen Kriege dieses Jahrhunderts wirkten sich noch lange auf die Gestaltung von Politik, Gesellschaft und Geschlechterverhältnisse aus. Angesichts der aktuellen Brisanz des Themas und der Resonanz auf die Tagung ist eine Publikation der Ergebnisse geplant.


Weitere Information erteilt Ihnen gern: Dr. Karen Hagemann, Zentrum für Interdisziplinäre Frauenforschung der TU Berlin, Tel.: 030/314-26974, Fax: -26988, E-Mail: hagemann@kgw.tu-berlin.de