Es ist der Traum eines jeden Schauspielers - die Rolle seines Lebens. Für den Hauptdarsteller des berüchtigten Nazi-Propaganda-Films "Jud Süß" wurde diese Rolle zu einem Verhängnis. Der Filmstar Ferdinand Marian hatte sie nur widerstrebend angenommen: Ein Jahr lang wehrte er sich, sprach sogar bei Joseph Goebbels persönlich vor, war aber doch zu schwach, nein zu sagen, und fügte sich dem persönlichen Wunsch des Propagandaministers. Friedrich Knilli, Emeritus der TU Berlin, beschäftigt sich seit den 70er Jahren mit der Lebensgeschichte des Ferdinand Marian. Sein Buch "Ich war Jud Süß. Die Geschichte des Filmstars Ferdinand Marian" wird jetzt in Berlin vorgestellt.
Friedrich Knilli schreibt, dass es im vergangenen Jahrhundert Filmrollen gab, die nicht nur die Identität, sondern sogar das Leben kosteten. Eine solche war auch der Jud Süß. Ferdinand Marian, der ein in der Weimarer Republik und im Dritten Reich bekannter Schauspieler war, wird nur noch mit seiner Rolle in dem Nazi-Propaganda-Film identifiziert. Warum hat sich Marian zunächst ein Jahr gegen diese Rolle gewehrt und sie dann doch angenommen? Weil er "gerne gut aß und viel trank und an einer ständigen Angst vor sozialer Missachtung litt", beschreibt Friedrich Knilli die tragische Entscheidung Marians in seinem aufschlussreichen Buch.
"Jud Süß" gehört zu einem der erfolgreichsten Filme der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Publikum stürmte nur so in die Kinos. Marian zeigt einen tragischen Liebhaber, der es mit den großen Charakteren Shakespeares aufnehmen kann. "Er zeigt keine antisemitische Karikatur, sondern realistisch einen Juden, der sich in einem von Judenhass durchtränkten Deutschland assimilieren möchte. Und Marian benutzt dafür Verfremdungstechniken, die ihm der Brecht-Regisseur Erich Engel inmitten der Nazizeit in Berlin beibringt. Er gibt mit epischen Elementen der Figur eine Tiefe des Gefühls, die nur Feuchtwanger mit seinem dramatischen Roman erreichte." Die Darstellungskunst des österreichischen Schauspielers Marian macht den Film zu einer modernen love story, die mit antisemitischen Stereotypen gespickt ist. "Sein Süß ist die Kino-Ikone einer tragischen Liebesaffäre zwischen einem assimilierten Juden und einer Deutschen inmitten des Holocaust." So bringt Ferdinand Knilli die Ästhetik in seinem Buch treffend auf den Punkt.
Nach Buchvorstellungen in Leipzig, Potsdam, Graz und Frankfurt an der Oder wird Friedrich Knillis Buch "Ich war Jud Süß. Die Geschichte des Filmstars Ferdinand Marian" jetzt in Berlin präsentiert. Dazu möchten wir Sie herzlich einladen.
Zeit: am Sonnabend, dem 9. September 2000, um 17.30 Uhr
Ort: Haus der Kirche, Atrium, Goethestraße 26 - 30, 10623 Berlin
Die Veranstaltung beginnt mit einer Dia-Schau, begleitet von Buchtexten, die der Schauspieler Sebastian Baur liest. Nach einer Pause wird der Film "Jud Süß" gezeigt. Den Abschluss bildet eine Diskussion mit Dr. Peter Rosenberg von der Europa-Universität Viadrina.
"Jud Süß" ist im Mai 2000 mit einem Vorwort von Alphons Silbermann im Henschel Verlag, Berlin 2000, erschienen und kostet 39,90 DM.