Medieninformation Nr. 210 - 20. Oktober 2000 - Bearbeiter: ehr
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Mehdorn will offene Diskussion über Sicherheit verhindern
Stellungnahme von Prof. Dr. H.-J. Ewers
In einer Presseerklärung vom 17.10.2000 kritisiert Bahnchef
Hartmut Mehdorn eine Äußerung, die ich bei einer Anhörung
vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages am 11. Oktober 2000
zum Unglück von Eschede gemacht habe. Mehdorn bezeichnet
diese Äußerung als "Populismus auf Kosten der
Gefühle von Überlebenden und Hinterbliebenen von Eschede-Opfern"
und begrüßt gleichzeitig die "eindeutige Distanzierung
des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen vom Verhalten eines seiner Mitglieder".
Er nimmt damit Bezug auf eine Presseerklärung des Vorsitzenden
des Wissenschaftlichen Beirats vom 15. Oktober 2000.
Hierzu erkläre ich:
- Ich habe bei der genannten Anhörung weder in meiner Eigenschaft
als Präsident der Technischen Universität Berlin noch
in meiner Eigenschaft als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats
gesprochen. Ich habe vielmehr ausdrücklich zu Beginn der
Anhörung erklärt, dass ich als Professor für Volkswirtschaftslehre
der Technischen Universität Berlin meine persönliche
Meinung vertrete.
- Sowohl Bahnchef Mehdorn als auch der Wissenschaftliche Beirat
haben es nicht für notwendig befunden, den tatsächlichen
Wortlaut meiner Äußerung, der als Tonbandabschrift
beim Ausschuss vorliegt, nachzuprüfen. In der fraglichen
Passage ging es um die Frage, ob die von der DB immer wieder vorgetragene
Behauptung, die Sicherheit des Bahnverkehrs leide, wenn Netz und
Transport auf der Schiene von einander getrennt würden, stichhaltig
sei. Für diese Behauptung gibt es keinen Beleg. Ich habe
in diesem Zusammenhang die hypothetische Frage gestellt, ob der
den Unfall von Eschede auslösende Radreifen bei Verhandlungen
einer Schienentransportgesellschaft mit einer unabhängigen
Netzgesellschaft unter den Augen einer unabhängigen Sicherheitsaufsicht
überhaupt zugelassen worden wäre. Diese Frage ist keineswegs
abwegig, wie der Wissenschaftliche Beirat mir vorwirft. In seiner
Zeit hat ein sich selbst beaufsichtigendes, vertikal integriertes
und unter handfestem Problemdruck stehendes Bahnunternehmen die
Zulassung dieses nicht ausgetesteten Radreifens allein entscheiden
können. Wohlgemerkt: Ich habe keinem der an der seinerzeitigen
Entscheidung Beteiligten einen persönlichen Vorwurf gemacht.
Worauf ich hinweisen wollte - und den Tatsachen verpflichtet auch
hinweisen musste, ist der Umstand, dass für den Ausgang solcher
Entscheidungen selbst bei individuell untadeligem Verhalten auch
der Kontext, also in diesem Falle die Organisation des Eisenbahnwesens
entscheidungsprägend ist, und zwar unter Umständen anders,
als die DB AG uns bei der Debatte um die Trennung von Netz und
Betrieb Glauben machen möchte. Nichts lag mir ferner, als
"Populismus auf Kosten der Gefühle der Überlebenden
und Hinterbliebenen von Eschede-Opfern", wie Bahnchef Mehdorn
behauptet, der diese Diskussion durch seine unhaltbare These selber
ausgelöst hat. Und nichts erscheint mir angesichts des Wortlautes
meiner Äußerung mehr an den Haaren herbeigezogen als
dieser Vorwurf. Ich kann nicht dafür verantwortlich gemacht
werden, dass ein einzelner Journalist meine Äußerung
sinnentstellend auf die Formel verkürzt hat, bei Wettbewerb
auf der Schiene wäre der Unfall von Eschede nicht passiert.
Es hat auch während der Anhörung, die vor zahlreichem
interessierten Publikum stattfand, keine besondere Reaktion der
Anwesenden gegeben, schon gar nicht eine empörte. Selbst
die Presse hat unaufgeregt und eher en passant über die Äußerung
berichtet. Die einzige aufgeregte Reaktion stammt von Bahnchef
Hartmut Mehdorn, und durch ihn als Teilnehmer der Sitzung des
Wissenschaftlichen Beirats am 13. Oktober in Hannover induziert,
vom Wissenschaftlichen Beirat. Es wäre für beide ein
Leichtes gewesen, den Wortlaut meiner Äußerung und
den Kontext, in dem diese stand, zu überprüfen, denn
meine mündliche Äußerung ist nahezu identisch
in meiner schriftlichen Stellungnahme für den Ausschuss enthalten,
die sowohl Bahnchef Mehdorn als auch einzelnen Mitgliedern des
Wissenschaftlichen Beirats bereits vor der Anhörung vorlag.
Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne: Prof. Dr. H.-J. Ewers,
Tel. 030/314-25048/22200, Dr. Gottfried Ilgmann, Tel. 040/42911173