[TU Berlin] Medieninformation Nr. 154 - 16. Juli 2001 - Bearbeiter/in: ehr
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Kennen Sie Wittgenstein? Techniker - Philosoph - Künstler - Absolvent der TH Berlin

Symposium, Ausstellung und künstlerisches Rahmenprogramm an der TU Berlin/Vorankündigung

Es ist wenig bekannt, dass Ludwig Wittgenstein (1889 bis 1951) an der Technischen Hochschule Berlin zwischen 1906 und 1908 Maschinenbau studierte. Aus Anlass seines 50. Todestages veranstaltet die Technischen Universität Berlin vom 26. bis zum 28. September 2001 gemeinsam mit dem Einstein-Forum und dem Wittgenstein-Archiv, Cambridge, ein Internationales Symposium mit dem Titel "Ludwig Wittgenstein: Techniker - Philosoph - Künstler". Schirmherr wird Seine Exzellenz Dr. Markus Lutterotti, Botschafter der Republik Österreich in der Bundesrepublik Deutschland, sein. Das Symposium untersucht den Einfluss der ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung sowohl auf die Philosophie Wittgensteins als auch auf seine "praktischen" Arbeiten (Flugmotor, Pulsmessgerät, Hausbau). Ein weiteres Schwergewicht liegt auf den künstlerischen Aspekten seines Werkes, die zahlreiche zeitgenössische Künstler inspiriert haben. Das Symposium wird begleitet von einer Ausstellung zu Stationen von Wittgensteins Leben, Modellen seiner Arbeiten und Erfindungen sowie einem künstlerischen Rahmenprogramm, das aus Lesungen, einem Gesprächskonzert und Filmvorführungen besteht. 

Wir möchten Sie schon jetzt auf diese Veranstaltung aufmerksam machen, die unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Günter Abel, TU Berlin; Dr. Matthias Kroß, Einstein Forum, Potsdam, und Michael Nedo, Wittgenstein Archive, Cambridge, steht.

Beginn: am Mittwoch, dem 26. September 2001, um 19.00 Uhr
Ort: Technische Universität Berlin, Hauptgebäude, Straße des 17. Juni 135, Räume H 1035 und H 1036, 10623 Berlin

Am 28. Oktober 1906 immatrikuliert sich Ludwig Wittgenstein mit der Matrikel-Nummer 18083 an der Technischen Hochschule Berlin, der heutigen Technischen Universität Berlin. Eigentlich hatte er bei Ludwig Boltzmann in Wien studieren wollen. Für Berlin entscheidet sich Wittgenstein vermutlich wegen Franz Reuleaux, dem anderen großen Ingenieurwissenschaftler seiner Zeit. In Berlin beschäftigt sich Wittgenstein, so die Schwester Hermine in ihren Familienerinnerungen, "viel mit flugtechnischen Fragen und Versuchen." Dann notiert sie: "Zu dieser Zeit oder etwas später ergriff ihn plötzlich die Philosophie, d. h. das Nachdenken über philosophische Probleme, so stark und so völlig gegen seinen Willen, daß er schwer unter der doppelten und widerstreitenden inneren Berufung litt und sich wie zerspalten vorkam."

Nach dem Abschlussdiplom 1908 geht Wittgenstein nach Manchester, wo er einen neuartigen Flugmotor entwickelt und patentiert. Schließlich aber dominiert doch die Philosophie: er läßt sich in Cambridge nieder, um mit Bertrand Russell zu diskutieren. Bereits 1911 beginnt Wittgenstein die Arbeit an seinem ersten philosophischen Werk -- dem einzigen, das er zu seinen Lebzeiten veröffentlicht: Die Logisch-Philosophische Abhandlung. Er vollendet es im Sommer 1918, doch erst 1922 erscheint es als zweisprachige Ausgabe unter dem heute bekannten Titel der englischen Übersetzung: Tractatus Logico-Philosophicus. Mit der Vollendung dieser Arbeit glaubt Wittgenstein, seine Berufung für die Philosophie verloren zu haben.

Er wird Volksschullehrer, baut Unterrichtsmodelle für seine Schüler, repariert die Dampfmaschine der örtlichen Weberei, beschäftigt sich mit photographischen Experimenten und der Bildhauerei und arbeitet als Gärtnergehilfe in einem Kloster. Von 1926 bis 1928 baut er in Wien für seine Schwester Margarete Stonborough ein Haus. In diesen praktischen Arbeiten erweist sich Wittgenstein vor allem als Ingenieur, Architekt, und nicht, wie so oft spekuliert wird, als jemand, der etwa "Philosophie gebaut" hat. Doch seine Erfahrungen bei diesen Tätigkeiten zeigen eine profunde Wirkung in seiner Philosophie: "Die Arbeit an der Philosophie ist - wie vielfach die Arbeit in der Architektur - eigentlich mehr die/eine Arbeit an Einem selbst. An der eigenen Auffassung. Daran, wie man die Dinge sieht. (Und was man von ihnen verlangt.)"

1929 geht Wittgenstein nach Cambridge zurück; 1939 wird er zum Nachfolger G. E. Moores berufen. Trotz intensiven Bemühens gelingt es ihm jedoch nicht mehr, seine völlig neuartigen philosophischen Ideen in Buchform zu publizieren. Erst posthum erscheinen die "Philosophischen Untersuchungen", die schnell Weltruhm erlangen.

Während des Zweiten Weltkriegs kehrt Wittgenstein noch einmal zu seinem ersten Beruf zurück. Er arbeitet als Freiwilliger mit einer medizinischen Forschungsgruppe, die den so genannten Wundschock untersucht. Er entwickelt gänzlich neue Apparaturen zur kontinuierlichen Messung von Puls, Blutdruck, Atemfrequenz und Volumen. Dabei bedient er sich der Erfahrungen, die er während der Entwicklung seines Flugmotors gemacht hat. 

Das Symposium "Ludwig Wittgenstein: Techniker - Philosoph - Künstler", die Ausstellung und das künstlerische Veranstaltungsprogramm sollen die engen und vielfach befruchtenden Zusammenhänge zwischen den technischen Wissenschaften, der Philosophie und den Künsten veranschaulichen. 1939 hat Ludwig Wittgenstein geschrieben: "Die Menschen heute glauben, die Wissenschaftler seien da, sie zu belehren, die Dichter und Musiker etc., sie zu erfreuen. Daß diese sie etwas zu lehren haben, kommt ihnen nicht in den Sinn."


Das detaillierte Programm wird noch rechtzeitig bekannt gegeben. Weitere Informationen erteilt Ihnen gern Prof. Dr. Günter Abel vom Institut für Philosophie, Wissenschaftstheorie, Wissenschafts- und Technikgeschichte der TU Berlin, Tel.: 030/314-23295, Fax: -25962, E-Mail: abel@kgw.tu-berlin.de