[TU Berlin] Medieninformation Nr. 164 - 1. August 2003 - Bearbeiter/in: stt
[TU Berlin] [Pressestelle] [Medieninformationen] [<<] [>>]

Die Geheimnisse des Ritzendrecks

Wissenschaftler der TU Berlin untersuchen Pflasterfugen – bisher kaum erforschte Lebensräume

In einem Projekt des Graduiertenkollegs »Stadtökologische Perspektiven einer europäischen Metropole – das Beispiel Berlin« der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) stehen erstmals Straßen und Fußwege im Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses. Die Arbeitsgruppe von Professor Gerd Wessolek von der Technischen Universität (TU) in Berlin untersucht seit Juni 2002 die chemischen, physikalischen und biologischen Eigenschaften des Fugenmaterials Berliner Straßen und Gehwege. Was viele nicht ahnen: Dieser »Ritzendreck« hat eine außerordentlich große Bedeutung für Wasser- und Stoffkreisläufe im Ökosystem Stadt, denn über diesen kleinen Teil der Straße finden praktisch alle Austauschprozesse zwischen dem unter der Straße liegenden Boden und der Umwelt statt.

Für viele von uns ist diese abgedeckte Form des Bodens Alltag. Für Siedlungs- und Verkehrsflächen wurden in Deutschland natürliche Böden größer als die Fläche Baden-Württembergs bebaut, zubetoniert und asphaltiert; man spricht von Versiegelung. Was übrig bleibt vom Boden sind oft nur Fugen. Eine Folge dieser Entwicklung hat Deutschland vor nicht all zu langer Zeit schmerzlich erfahren. Der Regen kann nicht mehr in den Boden gelangen, größere Mengen Niederschlag fließen sehr schnell in unsere Flüsse und verstärken das Hochwasser. Auf der anderen Seite fehlt der Stadt dieses Wasser. Ein ungesundes, sehr trockenes und warmes Klima bleibt den Städtern. Dies geht so weit, dass Pflanzen in Berlin im Sommer bewässert werden müssen. Die Böden in der Stadt haben also vielseitigen Einfluss auf die Lebensqualität der Städter, wurden aber von Wissenschaftlern bisher sehr stiefmütterlich behandelt. Dies liegt am sehr eingeschränkten Verständnis dafür, was überhaupt als Boden bezeichnet wird. Nicht nur die Böden in Grünanlagen und Parks, sondern auch der Bauschutt, der unter der Straße eingebaut wurde, der schmale Ring um unsere Straßenbäume und eben auch die Materialien in den Pflasterfugen müssen endlich als Boden angesehen werden, denn sie nehmen vergleichbare Funktionen wahr.

Die Wissenschaftler der TU Berlin und des DFG-Graduiertenkollegs »Stadtökologische Perspektiven einer europäischen Metropole – das Beispiel Berlin« fanden im Ritzendreck beispielsweise eine dreimal höhere mikrobielle Aktivität als in natürlichen Böden und stellten fest, dass Schadstoffe aus dem Autoverkehr effektiv zurückgehalten werden. Wie viel Regenwasser durch die Fugen unterschiedlicher Pflaster in den Boden gelangen kann, wohin dieses Wasser fließt und welche Schadstoffe damit wie weit transportiert werden, beeinflusst entscheidend die Qualität des Grundwassers und unter anderem auch die Gesundheit der Straßenbäume. Spätestens hier könnten sich Interessenten für die Ergebnisse dieser Arbeit melden: Wenn es um die Verbesserung der Wasserversorgung der Straßenbäume geht, horcht jedes Pflanzenschutzamt auf. Schließlich kostet jeder vertrocknete und zu ersetzende Baum in Berlin viel Geld, Geld, das die Stadt nicht hat. 

Zugepflastert und betoniert - Foto: TU/Nehls
[Bild herunterladen, 46kb]
Zubetoniert und asphaltiert - Foto: TU/Nehls
[Bild herunterladen, 53 kb]
Berlins Straßen und Trottoirs stehen jetzt im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Zugepflastert und betoniert – allein die Fugen zwischen der Versiegelung des Bodens ermöglichen einen Wasser- und Stoffkreislauf im Ökosystem der Stadt. TU-Forscher untersuchen nun die Eigenschaften des oftmals schwarzen Ritzendrecks. Für Siedlungs- und Verkehrsflächen wurden in Deutschland natürliche Böden größer als die Fläche Baden-Württembergs bebaut, zubetoniert und asphaltiert; man spricht von Versiegelung. Was übrig bleibt vom Boden sind oft nur Fugen. 
Fotos: TU/Nehls



Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne: TU Berlin, Institut für Ökologie, Thomas Nehls, DFG-Graduiertenkolleg »Stadtökologische Perspektiven einer europäischen Metropole – das Beispiel Berlin«, Tel.: 030/314-7 3 5 29, E-Mail: thomas.nehls@tu-berlin.de; Prof. Dr. Gerd Wessolek, Institut für Ökologie, Tel.: 030/314-7 35 33 E-Mail: gerd.wessolek@tu-berlin.de 
Fotobestellung über: thomas.nehls@tu-berlin.de
Impressum