Medieninformation Nr. 211 - 13. August 2004 - Bearbeiter/in: sn |
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Ein an der TU Berlin entwickeltes neues Testverfahren auf Basis der rechnerischen Simulation verdeutlicht den Einfluss der Fahrzeugfrontform auf die Kinematik eines angefahrenen Passanten und mögliche Verletzungen. Zudem bewertet es den Nutzen technischer Sicherheitsmaßnahmen am Auto
Jährlich sterben in der Europäischen Union 39.200 Menschen bei Verkehrsunfällen, darunter sind etwa 6.000 Fußgänger und 2.100 Fahrradfahrer. Hauptunfallursache ist die Kollision mit einem Pkw. Um die Sicherheit der Fußgänger zu erhöhen, wird im nächsten Jahr europaweit ein zulassungsrelevantes Prüfverfahren für Pkw eingeführt, ein so genannter Komponententest. Dieser soll bewerten, wie fußgängerfreundlich eine Fahrzeugfront im Falle eines Zusammenpralls ist. Der Test aber ist nicht unumstritten. Die Hauptkritik besteht darin, dass das Verfahren das reale Unfallgeschehen in seiner Vielzahl an Variationen nicht ausreichend abbilde. So bleibt zum Beispiel der Einfluss von Frontscheibe und A-Säule (das sind die vertikal verlaufenden Streben rechts und links der Frontscheibe) auf Kopfverletzungen unberücksichtigt, obwohl die Auswertung von Unfällen belegt, dass nicht nur die Fronthaube, sondern eben auch Frontscheibe und A-Säule die schwersten Kopfverletzungen verursachen. Zudem gewinnen diese Fahrzeugzonen angesichts des Trends hin zu kleinen, kompakten Stadtfahrzeugen zunehmend an Bedeutung.
Ausgehend von dieser Erkenntnis wurde nun an der TU Berlin im Rahmen einer Dissertation am Institut für Land- und Seeverkehr unter Leitung von Prof. Dr. Volker Schindler (Fachgebiet Kraftfahrzeuge) ein alternatives, realitätsnahes Testverfahren zum Fußgängerschutz entwickelt. Dieses Hybrid-Testverfahren besteht aus vier Modulen:
Diese vier Module werden miteinander gekoppelt. Kernpunkte des von Matthias Kühn entwickelten Verfahrens sind die rechnerische Simulation des Einflusses der Fahrzeugfrontform auf die Kinematik, also die Bewegung des Fußgängers bei einem Zusammenprall, und insbesondere die Bewertung der Fahrzeugfrontform hinsichtlich der Schwere von Kopfverletzungen. Aus der Vielzahl von Frontformen heutiger Fahrzeugmodelle wurden neun Fahrzeugfrontkategorien abgeleitet.
Kühn konnte in seiner Dissertation zum einen nachweisen, dass die rechnerische Simulation ein geeignetes Hilfsmittel ist, um den Fußgänger-Fahrzeug-Unfall zu analysieren (mit ihr können häufige Unfallkonstellationen fahrzeugspezifisch beliebig oft ohne großen Aufwand nachgestellt werden). Und zum anderen, dass die Form der Fahrzeugfront die Bewegung des angefahrenen Fußgängers ursächlich beeinflusst und damit auch seine Verletzungen. "Besonders die kinematischen Bedingungen beim Kopfaufprall wie Ort, Winkel, Geschwindigkeit werden durch die Form der Fahrzeugfront beeinflusst", sagt Kühn. Generell aber werden folgende Fahrzeugregionen für den Fußgänger als potenziell gefährlich eingestuft:
Mittels des Bewertungsmoduls ist es Kühn gelungen, den Nutzen technischer Maßnahmen zum Fußgängerschutz zu bewerten. So wurde von ihm die Fronthaube, die sich bei einem Aufprall aufstellt, um Deformationsraum zu schaffen, als eine solche Schutzmaßnahme umfassend analysiert. Ergebnis: Die aufstellende Fronthaube ist nicht zwangsläufig eine für alle Fußgänger-Fahrzeug-Unfall-Konstellationen, gleich in welcher technischen Ausprägung, eine sinnvolle technische Maßnahme. "Kombiniert jedoch mit einem zusätzlichen Airbagschutz am Hauben-Ende, erscheint es möglich, einen erheblich verbesserten Kopfschutz für alle Fahrzeugkategorien zu erreichen", sagt Kühn.
Mit seinem Bewertungsmodul können aber auch aktive Schutzsysteme wie zum Beispiel der
Bremsassistent hinsichtlich des Fußgängerschutzes beurteilt werden.