Medieninformation Nr. 254 - 12. Oktober 2004 - Bearbeiter/in: sn |
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TU-Wissenschaftler fanden einen schonenden Weg, Milchsäurebakterien möglichst unbeschadet durch den Verdauungstrakt bis in den Darm zu schleusen, damit sie dort die ihnen zugeschriebene gesundheitsfördernde Wirkung entfalten können
Erfrischungsgetränke mit den Vitaminen A, C und E oder Margarine mit pflanzlichen Sterinen sind Beispiele für neuartige Lebensmittelprodukte, die in den letzten Jahren immer häufiger angeboten werden. Sie werden oft unter dem Modebegriff "Functional Food" zusammengefasst. Allen gemeinsam ist die Idee, Lebensmittel gewissermaßen mit einem Zusatznutzen auszustatten. Durch die Zugabe bestimmter Nährstoffe oder Zutaten sollen Lebensmittel beim Verzehr eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung bekommen.
Zu Functional Food gehören auch die so genannten probiotischen Lebensmittel, wie zum Beispiel fermentierte Milchprodukte oder manche Salamisorten, die lebende Mikroorganismen enthalten. Meistens handelt es sich dabei um Milchsäurebakterien, die mit der Nahrung in aktiver Form aufgenommen werden und die im Verdauungstrakt positive Gesundheitswirkungen erzielen sollen.
Die Verbesserung der probiotischen Eigenschaften solcher Lebensmittel war das Ziel des von der EU-Kommission finanzierten Forschungsprojekts PROTECH. Wissenschaftler aus Universitäten und Forschungseinrichtungen der Lebensmittelindustrie in acht europäischen Ländern arbeiteten gemeinsam daran, den Einfluss von Herstellung, Verarbeitung und Lagerung probiotischer Lebensmittel auf die probiotische Wirkung im Verdauungstrakt und auf die Stabilität der probiotischen Eigenschaften zu erforschen. In mehreren Teilprojekten wurden Stämme geeigneter Milchsäurebakterien ausgewählt und auf ihre Eignung für die Fermentation, Trocknung und die Verwendung in Lebensmitteln untersucht. Zusätzlich wurde geprüft, wie eine Inaktivierung der Mikroorganismen bei der Verarbeitung und während der späteren Passage durch den extrem sauren Magen möglichst vermieden werden kann, damit die Bakterien wie gewünscht ihre probiotische Wirkung im Darm entfalten.
Die Herstellung von probiotischen Lebensmittelprodukten könnte vereinfacht werden, wenn die dafür benötigten probiotischen Bakterien als Trockenzubereitung in Pulverform mit definierten hohen Zelldichten zur Verfügung stehen. Am Institut für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelchemie der TU Berlin untersuchten deshalb Prof. Dietrich Knorr und sein Mitarbeiter Edwin Ananta in einem der Teilprojekte, wie mit dem preiswerten und schnellen Verfahren der Sprühtrocknung Kulturen von probiotischen Milchsäurebakterien möglichst schonend getrocknet werden können. Beim Sprühtrocknen werden flüssige Produkte am oberen Ende eines Trockenturms in feine Tröpfchen zerstäubt, die während ihres freien Falls durch einen Heißluftstrom im Turm getrocknet werden. Da die Bakterienzellen relativ hitzeempfindlich sind, versuchten die TU-Wissenschaftler, die prozesstechnischen Parameter des Verfahrens so zu variieren, dass dabei möglichst viele Bakterienzellen überlebten, gleichzeitig aber ein gutes Trockenergebnis erzielt wurde. Als annehmbarer Kompromiss konnte eine Trockentemperatur von 80 °C ermittelt werden, die zu einer Restfeuchte von vier Prozent in der Pulverzubereitung führte.
Die Schädigung einzelner Bakterienzellen durch das Trockenverfahren konnte Edwin Ananta durch den Einsatz funktioneller Farbstoffe in einem Durchflusszytometer näher charakterisieren. Mit dieser Technik ist es möglich, den Ort und das Ausmaß von Schäden in den Zellen zu bestimmen. Höhere Temperaturen während der Trocknung führten zu stärkeren Schäden in der Zellmembran. Dies ist offenbar auch die Ursache für die beobachtete Inaktivierung der Bakterienzellen.
In weiteren Versuchsserien testeten die TU-Wissenschaftler, wie durch Vorbehandlungen der Bakterienkulturen ihre Hitzestabilität beim Trockenprozess gesteigert werden kann. Ein vielversprechender Ansatz bestand darin, die Bakterienzellen vor dem Trocknen einem Umweltstress durch hohen hydrostatischen Druck auszusetzen. Dadurch wird in den Zellen die Synthese so genannter Schockproteine ausgelöst, die an der Reparatur von Zellschäden beteiligt sind. Eine Vorbehandlung der Bakterienzellen bei 37 °C mit einem Druck von 100 MPa (das entspricht etwa 1000 Atmosphären) führte anschließend zu einer höheren Überlebensrate bei 60 °C. Eine Untersuchung angefärbter Bakterienzellen im Durchflusszytometer bestätigte, dass bei den druckvorbehandelten Zellen weniger Membranschäden auftreten und dadurch ein vorübergehender Hitzeschutz einsetzt. Der druckinduzierte Schutzeffekt wird offenbar durch die Synthese eines bakteriellen Schockproteins erreicht.
Fotos vorhanden