Medieninformation Nr. 113 vom 7. Juni 2005 - Bearbeiter/-in: sn |
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Das an der TU Berlin initiierte Lehrprojekt "Fan-Bewegung" beschäftigt sich mit verkehrsrelevanten Fragestellungen zur Fußball-WM 2006
Für Verkehrsplaner ist die Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer 2006 in Deutschland eine harte Nuss. Denn sicher ist nur eines: Die An- und Abreise der Fans wird ganz anders ablaufen als bei einem Bundesliga- oder Länderspiel. Während im Normalfall Zuschauer aus zwei Städten oder Ländern gezielt ein Stadion ansteuern, kommen die Menschen bei der WM 2006 aus aller Herren Länder und besuchen im Verlauf des Turniers wohl meist mehrere Spiele, die in Berlin, Hamburg und München, aber auch in Kaiserslautern, Leipzig oder Frankfurt angepfiffen werden können.
Die hohe Popularität einer Fußball-Weltmeisterschaft erfordert besondere Verkehrskonzepte. Ausgewählte Gäste müssen schnell und sicher zum Stadion gelangen können. Gleichzeitig müssen die Verkehrssysteme auf die vielen in- und ausländischen Fußballfans vorbereitet sein. Die notwendige intensive Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Institutionen, Verkehrsunternehmen und anderen Dienstleistern auf städtischer, regionaler und nationaler Ebene bietet ein Paradebeispiel für die verkehrswissenschaftliche Lehre. Im Zusammenhang mit dem in diesem Sommer ausgetragenen Confederations-Cup des Weltfußballverbandes FIFA vom 15. bis 29. Juni bietet sich im Vorfeld der FIFA WM 2006 die Möglichkeit, in die Abläufe der Verkehrsplanungen einzudringen.
Beim FIFA Confederations-Cup wird nach ähnlichem Modus gespielt wie bei der WM, aber nur mit acht Mannschaften und nur in den fünf Stadien – Leipzig, Köln, Hannover, Frankfurt und Nürnberg.
So eine WM im Kleinen bietet sich natürlich an, um das Verhalten der Fans zu studieren. In einem durch das Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb von Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Siegmann initiierten Lehrprojekt "Fan-Bewegung – der Weg zum Finale 2006" untersuchen angehende Verkehrsplaner, Soziologen, Geographen und Bauingenieure, aber auch Stadt- und Regionalplaner, wie die Zuschauer des Confederations-Cup zu den Stadien kommen und auf welchen Wegen und mit welchen Verkehrsmitteln sie hinterher die Arenen wieder verlassen.
"Der Confederations-Cup ist die Veranstaltung, die der echten Weltmeisterschaft am ähnlichsten ist," erläutert Christian Canis vom Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb der TU Berlin. Gleichzeitig betont er die besondere Struktur dieses Lehrprojektes. Eingebunden in den Lehrverbund "Fan-Bewegung. Der Weg zum Finale 2006", beteiligen sich auch die Fachhochschulen Darmstadt, Bochum, Braunschweig Wolfenbüttel sowie die Technische Universität München. Erfreulicherweise konnten die Deutsche Bahn AG und die Abteilung Transport und Verkehr des deutschen Organisationskomitees der FIFA WM 2006 für die Unterstützung des Lehrprojektes gewonnen werden, was den hohen Praxisbezug der Lehre unterstreicht.
Die Studenten der einzelnen Hochschulen untersuchen in ihren Lehrveranstaltungen jeweils einen der fünf Spielorte des FIFA Confederations-Cup. In gemeinsamen Seminaren diskutieren die Studenten aller teilnehmenden Hochschulen die Verkehrskonzepte und lernen so die Komplexität der Event-Planung kennen. Dazu schauen sich die angehenden Jung-Wissenschaftler nicht nur die Verkehrswege genau an, die zu den Fußball-Arenen führen, sondern interviewen auch die Fans vor und nach den Spielen. Der notwendige Fragebogen wurde in einem dreitägigen Workshop aller beteiligten Hochschulen von den Studierenden gemeinsam erarbeitet. Eine solche direkte Befragung ermöglicht neue Kenntnisse zum Verhalten der Fans auf dem Weg ins Stadion, ob zum Beispiel die angebotenen Parkplätze genutzt werden, wie die Wegweisung wahrgenommen oder der Anreiseweg empfunden wurde. Die Befragung soll Auskünfte geben, welche Informationskanäle der potenzielle WM-Tourist nutzt.
Die Studierenden haben auf ihrer Frageliste aber noch eine Reihe anderer Punkte, die weit über das Spiel sowie die An- und Abreise hinausgehen. Wenn die Fans schon einmal in Deutschland sind, schauen sie sich dann auch die Sehenswürdigkeiten der Austragungsorte an? Diese Antworten interessieren vor allem die Tourismusexperten, die sich mit der Weltmeisterschaft einen Boom für Deutschlandreisen erhoffen. Da wird dann ebenso die Frage wichtig, wie lange ein Fan in der Stadt bleibt, in der er ein Spiel besucht und wie er von Spielort zu Spielort reist. Schließlich spielen die Mannschaften in verschiedenen Städten, die der Fan spätestens nach der Vorrunde gar nicht wissen, sondern bestenfalls erraten kann. Denn selbst die Fußball-Artisten von Brasiliens Stränden können so starke Gegner haben, dass sie nur als Gruppenzweiter weiter kommen und daher in ganz anderen Städten antreten müssen als der Gruppensieger. Reisen die Fans in solchen Fällen der Mannschaft hinterher und suchen sich ein Quartier in der nächsten Spielstadt? Oder nehmen sie sich ein Hotel, in dem sie während der gesamten WM bleiben und von dem sie dann zu allen Spielen anreisen, am Spielort vielleicht eine Nacht bleiben und anschließend in ihr Stammquartier zurück kehren? Solche Fragen hoffen die TU-Jungforscher mit ihrem Lehrprojekt zumindest für den FIFA Confederations-Cup zu beantworten.
Der ins Leben gerufene Lehrverbund zeigt, dass die notwendige Umstrukturierung der Hochschullehre an der TU Berlin im Bereich des Verkehrswesens offensiv angegangen wird. Dieses Lehrprojekt könnte sehr gut als Element eines Bachelor-Master-Studienganges angesehen werden.
Roland Knauer