Medieninformation Nr. 247 vom 26. Oktober 2005 - Bearbeiter/-in: sn |
[TU Berlin] [Pressestelle] [Medieninformationen] [<<] [>>]
Wenig Alkohol und Zucker, aber lecker und gesundheitsfördernd. TU-Biotechnologin entwickelt Wellnessdrink auf der Basis von Würze
Deutsche Brauereien klagen über stagnierenden Bierabsatz. Mit Biermischgetränken haben sich viele bereits ein zweites Standbein aufgebaut. Ein neuartiges Erfrischungsgetränk, hergestellt in traditioneller Brautechnik, könnte dagegen eine echte Alternative zum alkoholreichen Gerstensaft sein. Mit wenig Zucker, maximal 1 Prozent Alkohol, dafür aber gesundheitsfördernden Stoffen wie Milchsäure und Glukonsäure soll das neue Gärgetränk ein richtiger Wellnessdrink werden.
Als Basis für das Produkt verwendet Dr. Edeltraud Mast-Gerlach vom Institut für Biotechnologie der TU Berlin die so genannte Würze. Sie entsteht, wenn Malz mit Wasser im Maischbottich langsam erhitzt wird. Dabei wandeln Enzyme Malzstärke in Maltose und Glukose um. Nach Abtrennen der festen Bestandteile bleibt die "Würze" als aromatische braune Flüssigkeit zurück. Mast-Gerlach vergärt sie nicht nur mit Hefe, sondern setzt auch Milchsäure- und Essigsäurebakterien zu.
Im ersten Projektteil wurden Organismen gesucht, die zwei Kriterien erfüllen: Erstens den Hauptzucker der Würze, die Maltose gut verwerten zu können. Nicht alle Milchsäurebakterien können das, und auch nicht alle Hefen verarbeiten diesen Zucker gleich gut. Die Wissenschaftlerin durchforstete mit ihrem Team dazu eine Stammsammlung zu der rund 2.000 Hefen und 400 Bakterienstämme gehören.
Zweitens – eigentlich noch wichtiger – Milchsäurebakterien zu finden, die einen hohen Anteil an L-Milchsäure produzieren, denn nur diese Form kann vom menschlichen Körper genutzt werden. Die Essigsäurebakterien sollen viel Glukonsäure, aber nur wenig der stark hervorschmeckenden Essigsäure produzieren. Bei den Hefen gilt es solche zu identifizieren, die einen wirklich angenehmen Geschmack erzeugen. Keine Selbstverständlichkeit, denn drei Viertel der getesteten Hefen bilden Fehlaromen und einen unangenehmen Nebengeschmack – verursacht durch Stoffwechselprodukte wie zum Beispiel Schwefelverbindungen.
Im zweiten Projektteil werden derzeit "Kandidaten" der engeren Wahl gemeinsam vergoren. Gesucht werden geeignete Kulturbedingungen – Temperatur, Sauerstoffbedarf und pH-Wert –, die eine optimale Symbiose ermöglichen. Ebenfalls kein Kinderspiel, denn Hefen und Bakterien haben eigentlich unterschiedliche "Wohlfühlbedingungen". Doch es geht nicht nur um gute "Zusammenarbeit". Auch bei den Mischgärungsversuchen, die derzeit in 100 bis 500 Milliliter Schüttelkolben und kleinen Bioreaktoren stattfinden, steht der gute Geschmack im Vordergrund. Und das heißt für die Mitarbeiter: immer wieder verkosten. Denn je nach dem, welche Organismen gemeinsam arbeiten, entstehen unterschiedliche Stoffwechselprodukte.
Ungefähr fünf Tage wird die Gärung des neuen Produktes in den Brauereien einmal dauern. In dieser Zeit sollen die beteiligten Organismen möglichst wenig Biomasse erzeugen – dafür aber eine hohe Stoffwechselrate haben. Zum Schluss wird filtriert, um Hefen und Bakterien weitgehend zu entfernen. Nur so kann der Geschmack über längere Zeit konstant gehalten werden.
Wie wird das Gärgetränk überhaupt schmecken? "Erfrischend, fruchtig durch die Hefen, leicht säuerlich und spritzig durch die Bakterien und eine ausreichende Kohlendioxidbildung", ist Mast-Gerlachs Ziel. Aromen oder Fruchtauszüge werden nicht zugesetzt, denn die Würze ist ein biologischer Naturstoff, dessen Eigengeschmack erhalten bleiben soll.
Das Projekt wird von der Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigungen (AIF) gefördert. Dem projektbegleitenden Ausschuss gehören unter anderem kleinere und mittlere Brauereien an, die keine eigene Forschung betreiben. Bis Mitte 2006 will die TU-Gruppe ein ausgewogenes Verfahren entwickelt haben, das sie diesen Brauereien dann zur Verfügung stellt.
Catarina Pietschmann