TU intern - April 2000 - Vermischtes
Eine reife Schauspielerleistung
Ein honoriger Medizinprofessor aus dem schönen Universitätsstädtchen
Heidelberg überlieferte uns erstmals anno 1678 die Existenz
des Osterhasen. Nach Winters Kälte besiedelte die hüpfende
Meute Wiesen, Felder und wagte sich sogar in Menschennähe.
Seine Mobilität und sein Hunger bescherten Meister Langohr
einen erfolgreichen Siegeszug in die Kulturgeschichte Europas.
Mit seiner vitalen Sprungkraft konnte die eigentliche Produktlieferantin
- die gemeine Haushenne - nicht mithalten. Ihr monotones Gegacker
auf der Hühnerstange gab nicht den Stoff für eine steile
Karriere. Auch konnten die gefiederten Damen keine bunten Eier
legen - das klingt glaubhaft, zumal der Vierbeiner flink und zuckersüß
ist.
Dass der Hase jedoch von den lieben Kindern und ihren Paten, die
das Osterfest gemeinsam verbrachten, aus Jux und Tollerei gejagt
wurde, blieb bis heute kaum erwähnt. Auch nicht, dass das
Langohr im Buch der Bücher einst Klippdachs hieß -
kein besonders schöner Künstlername. Zahlreiche Konkurrenz
galt es ebenfalls auf dem Weg in alle Einkaufsregale abzuhängen:
In Thüringen glaubte man den Eierbringer im hochbeinigen
Storch zu erkennen, Fuchs und Kuckuck wollten ihm den Rang ablaufen.
Nur Letzterer blieb dem Geschäft mit dem runden Naturprodukt
treu. Selbst mit seinem dünnwändigen Überraschungsgeschenk
wurde der hoppelnde Vierbeiner aufgewogen: War es doch im Mittelalter
üblich, Hasen oder Eier gegen Schulden einzutauschen. Heute
jedoch triumphiert er auf dem Osterthron. Weit und breit kein
anderes Tier im Supermarkt. Gehüllt in allerlei bunte Garderobe
gebührt ihm jetzt allein der Oscar: Eine reife Schauspielerleistung
wie im besten Hollywoodfilm!
stt
Leserbriefe |