TU intern - April 2000 - Arbeitsplatz Uni
Halbwertzeit des Wissens
Immer öfter wird ein größerer Praxisbezug des
vermittelten Wissens gefordert - zu Recht aus Sicht eines erfolgreichen
beruflichen Einstiegs. Was aber, wenn die Wissensinhalte in kürzeren
Zyklen überholt sind, als die Ausbildung dauert? Bilden wir
heute Fachspezialisten dem neuesten Stand der Technik entsprechend
aus, so werden sie am Ende ihrer Ausbildung doch nicht auf dem
neuesten Stand der Entwicklung sein.
Und während sich Technik und Wissen immer schneller verändern,
werden die Menschen immer älter. Der demographische Wandel
zeigt, dass es immer weniger junge Arbeitskräfte geben wird.
Schon in etwa 15 Jahren werden 40 Prozent der Arbeitnehmer über
50 Jahre, in 30 Jahren knapp die Hälfte aller Deutschen über
60 Jahre alt sein.
In vielen innovativen Branchen gilt schon heute als "ältere
Arbeitskraft", wer Mitte 30 ist. Und wer heute auf die 50
zugeht, muss schon über ganz besondere Fähigkeiten und
Kenntnisse verfügen, wenn seine Bewerbung nicht ad acta gelegt
werden soll. Wohlgemerkt: Viele Arbeitgeber, Vorstände und
Manager sind selbst schon im Rentenalter. Interessanterweise wird
gerade den älteren Mitarbeitern zugetraut, sich nicht von
der Hektik des Tagesgeschäfts anstecken zu lassen, mit Umsicht
und Gelassenheit den Überblick zu behalten.
Bereits beim heutigen Ruhestandsalter muss eine Ausbildung oder
ein Universitätsstudium die Grundlage für mehr als 30
Berufsjahre schaffen. Gefragt sind also Konzepte der Aus- und
Weiterbildung, die ein erfolgreiches Berufsleben trotz der gewaltigen
Veränderungen in dieser Zeit ermöglichen.
Gerade die universitäre Ausbildung muss sich darauf konzentrieren,
die Befähigung zu vermitteln, sich das neueste Wissen schnell
aneignen zu können. Paradoxerweise ist das in erster Linie
methodisches Grundwissen. Natürlich sind Anwendungskenntnisse
wichtig, aber es reicht eben nicht aus, etwas zu können,
ohne zu wissen, was man da eigentlich tut.
Wie rasch sich die Arbeitsbedingungen in den vergangenen 50 Jahren
gewandelt haben und vor welchen Herausforderungen die Arbeitnehmer
stehen, das dokumentiert und reflektiert die 1953 gegründete
Gesellschaft für Arbeitswissenschaften (GfA). Ihr gehören
Ingenieure, Arbeitspsychologen, Sozialwissenschaftler, Mediziner
und Wirtschaftsexperten an. Sie trafen sich Mitte März dieses
Jahres zu ihrem 46. Kongress an der TU Berlin.
Wie wird die Arbeit der Zukunft aussehen? Auch im akademischen
Bereich wird in wenigen Jahren nichts mehr so sein, wie es heute
ist. Statt sich im festen Büro jahrelang zum immer perfekteren
Experten zu entwickeln, werden die Menschen, in ständig wechselnden
Projektteams mit ganz unterschiedlicher Zusammensetzung arbeiten.
Dabei wird es auf Verständnis- und Kommunikationsfähigkeit
wie auch Flexibilität und Kompromissbereitschaft ankommen.
Lebenslanges Lernen und die Bewältigung immer schnellerer
Veränderungen sind ja schon heute erforderlich, um dem rasanten
Fortschritt und den technischen Entwicklungen zu folgen.
Matthias Göbel
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