TU intern - April 2000 - Arbeitsplatz Uni
"Mehr Effektivität und Effizienz sind gefragt"
Die TU Berlin führt eine Kosten- und Leistungsrechnung
ein
Bereits aus dem im Jahre 1997 abgeschlossenen Hochschulvertrag
resultiert die Auflage für die Berliner Hochschulen, eine
Kosten- und Leistungsrechnung einzuführen. Keine Hochschule
ist dieser Auflage insbesondere auch aus EDV-technischen Gründen
bisher nachgekommen.
Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hat in seiner Sitzung
am 22. September 1999 den Senat von Berlin daher aufgefordert,
an den Kuratorialhochschulen eine einheitliche Software für
die Kosten- und Leistungsrechnung einzuführen, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung
vorzunehmen und dem Hauptausschuss bis Ende Dezember 1999 hierüber
zu berichten. Er behielt sich in diesem Bericht ausdrücklich
vor, Investitionsmittel für diejenigen Hochschulen zu sperren,
die sich einer gemeinsamen Lösung nicht anschließen.
Es ist davon auszugehen, dass dieser Beschluss sich nicht realisieren
lassen wird. Er wurde zu einem Zeitpunkt gefasst, an dem die TU
Berlin erheblichen Vorlauf zu diesem Thema hatte.
BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHE AUSRICHTUNG
Die seit Jahren sinkenden Zuschüsse machen es zwingend erforderlich,
unsere Universität von der Größe und von der Struktur
her deutlich zu verändern bzw. zu reformieren. Mehr Effektivität
und Effizienz ist gefragt, wenn wir Lehre und Forschung auf einem
hohen Niveau betreiben wollen. Nachdem bei uns in den 90er Jahren
bereits über 1000 Stellen abgebaut werden mussten, war der
mit dem Hochschulvertrag zugesicherte Zuschuss für konsumtive
Ausgaben des Jahres 1999 zum Vorjahr noch einmal um 17 Millionen
DM geringer und wird zum Jahre 2000 weiter um über zehn Millionen
DM sinken.
Um in dieser Situation und bei der sich auch für die Zukunft
abzeichnenden Mittelknappheit, die von uns allen angestrebte Qualität
in Forschung und Lehre mit einer Spitzenstellung unter den Technischen
Universitäten Deutschlands oder gar Europas gewährleisten
zu können, ist es notwendig, durch konsequente Ausschöpfung
aller Spar- und Organisationsmöglichkeiten unsere Universität
zu reformieren. Wir sind also gezwungen, alle kostenintensiven
Einrichtungen auf ihre Wirtschaftlichkeit zu überprüfen,
d.h. Kosten und Leistungen genau zu analysieren, um unsere Universität
insgesamt effektiver gestalten zu können.
Wir müssen uns deshalb betriebswirtschaftlicher ausrichten.
Viele Beschäftigte sehen sich als Verwaltungsmitarbeiterinnen
und -mitarbeiter im konservativen Sinne und nicht als Arbeitnehmerinnen
und -nehmer eines gewinnorientierten Unternehmens und bringen
daher wenig Verständnis auf für solche Überlegungen.
Dies ist nachvollziehbar.
Man darf nicht verkennen, dass sich eine Universität in wesentlichen
Merkmalen von einem erwerbswirtschaftlichen Unternehmen unterscheidet.
Trotzdem müssen wir gewisse Elemente betriebswirtschaftlichen
Denkens in unsere Organisation aufnehmen, z. B. die Kosten- und
Leistungsrechnung. Dies ist insofern ein neuer Gedanke, als die
öffentliche Verwaltung bislang nach dem kameralen Haushaltsprinzip
wirtschaftet, also nach einer Darstellung von erzielten Einnahmen
und geleisteten Ausgaben. Sie ermittelt in Form einer reinen Verlaufsbuchführung,
welche Abweichungen vom Haushaltsplan innerhalb eines Jahres festzustellen
sind (Überschuss oder Fehlbetrag). Dieses Haushaltsprinzip
beinhaltet nicht die Prüfung und Beurteilung, zu welchem
Zweck die Mittel ausgegeben wurden bzw. welche Ziele damit erreicht
wurden.
NEUES INFORMATIONSSYSTEM
Die Kosten- und Leistungsrechnung stellt inneruniversitär
das künftige Informationssystem zur Mittelbewirtschaftung
bei dezentraler Budgetverantwortung dar und ist das entscheidende
Informationssystem für die zukünftigen Leitungs- und
Organisationsstrukturen an der TU Berlin. Zielvereinbarungen mit
den Fakultäten, leistungsbezogene Mittelverteilung lassen
sich letztlich nur auf einer transparenten Datengrundlage treffen.
Bundesweit wird derzeit in den öffentlichen Verwaltungen
und Hochschulen nicht mehr das ob, sondern das wie der Einführung
diskutiert. Hierbei gibt es über die Komplexität der
Systeme Auffassungsunterschiede, z. B. ob man gänzlich eine
kaufmännische Buchführung einführen sollte. Dies
würde bedeuten, dass neben der nach wie vor bestehenden kameralen
Haushaltsführung, auf die Parlament und Rechnungshöfe
weiterhin bestehen, ein Buchhaltungssystem eingeführt wird,
wie es außerhalb der öffentlichen Verwaltung üblich
ist.
Ein derartiges Verfahren wäre für eine Organisation
unserer Größe mit erheblichen Investitionen und hohen
laufenden Kosten verbunden. Aus diesem Grunde gibt es unter der
Federführung einiger deutscher Universitäten, insbesondere
der TU München,
derzeit eine Initiative für eine Übergangsphase, ein
etwas schlankeres Verfahren der Kosten- und Leistungsrechnung
als zwischenzeitliche Ergänzung der kameralen Haushaltsführung
einzuführen. Hierzu wurden auf einer Tagung der deutschen
Hochschulkanzler Empfehlungen erarbeitet ("Greifswalder Grundsätze").
Ich habe als Kanzler der TU Berlin bereits 1999 an dieser Initiative
mitgewirkt und nunmehr die Voraussetzungen geschaffen, ein derartiges
System hier einzuführen. Eine Präsentation mit der TU
München für alle Berliner und Brandenburger Hochschulen
fand große Beachtung.
KEIN STANDARDPRODUKT
Die Diskussion wird auch von den zur Verfügung stehenden
DV-Systemen bestimmt. Es gibt derzeit nur eine sehr beschränkte
Anzahl von Firmen, die für Hochschulen geeignete Produkte
anbieten können. Obgleich ganze Bundesländer auf bestimmte
Systeme setzen, wird auf Tagungen und Kongressen deutlich, dass
es kein Standardprodukt für deutsche Universitäten gibt.
Andererseits sind Eigenentwicklungen immer kritisch zu beurteilen.
Erschwerend kommt die Situation hinzu, dass wir bereits über
eine Vielzahl von DV-Systemen verfügen, die auch die Basis
für Auswertungen der Kosten- und Leistungsrechnung darstellen
(Personal-, Finanz- und Studentendaten). Dies schränkt unsere
Handlungsmöglichkeiten erheblich ein, da diese Systeme nicht
einfach abgelöst werden können. Deswegen wird die TU
Berlin bewusst ein Mischsystem zwischen Standardprodukten und
eigenen Entwicklungen implementieren. Dies soll eine hohe Gewähr
bieten, zunächst Arbeitsprozesse und Strukturen rasch mit
leistungsfähigen DV-Systemen zu unterstützen, gleichwohl
werden Weiterentwicklungen nicht verbaut.
DIE PROBE AUFS EXEMPEL
Die aktuelle Notwendigkeit zum Handeln ergibt sich aus dem o.
a. Beschluss des Hauptausschusses und dem Probebetrieb der Fakultät III.
Dort ist bereits zu erkennen, dass dezentrale (Ressourcen-) Verantwortung
die Unterstützung mit anderen Instrumenten erforderlich macht.
Das nun beginnende Probejahr wird genutzt, um mit der Fakultät
einen Pilotversuch für die Kosten- und Leistungsrechnung
einzuführen, der dann im nächsten Jahr in den Echtbetrieb
gehen wird. Ziele des Projekts sind wie folgt zu benennen:
- Schaffung von Kosten- und Leistungstransparenz
- Beitrag zu einem aussagefähigen Berichtswesen
- Ermittlung und Überwachung von Global- und Fakultäts-Budgets
- Planung und Überwachung von Projekten
- Entscheidungshilfe bei der Frage Eigenleistung oder Fremdvergabe
- Kalkulation von Preisen
- Entwicklung und Kontrolle von Kontrakten und Zielvereinbarungen
Inhalt dieses Pilotprojekts wird es also sein, in einem ersten
Schritt die technischen Instrumente, Arbeitsprozesse und Wirkungsweisen
eines derartigen Steuerungs- und Kontrollinstruments sowohl dezentral
als auch zentral zu verfolgen. Für die Projektorganisation,
die im Einzelnen noch zu benennen sein wird, zeichnen Prof. Dr.
Klaus Rebensburg, Dr. Christian Hünicken und Michael Wullert
verantwortlich. Über den weiteren Verlauf wird berichtet.
Wolfgang Bröker
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