TU intern - April 2000 - Aktuelles
Das Finanzloch ist endlich aufgedeckt
Den Berliner Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist die Frühjahrsmüdigkeit
im wahrsten Sinne des Wortes erspart geblieben. Christa Thoben
hat das Zepter hingeworfen, das ihr erst im Winter übergeben
wurde. 100 Tage dauerte ihre "Regentschaft". Das Erbe
eines Ressorts, dessen Senator in den vergangenen fünfzehn
Jahren nie länger als eine Legislaturperiode auf diesem Posten
blieb, ist eine Herausforderung ohnegleichen und eine doppelte
dazu: geht es doch um Wissenschaft, Forschung und Kultur. Frau
Thobens Ausscheren bewirkte vieles: Hoffnung auf ein Signal, Enttäuschung
über das Aufgeben in einer schwierigen Situation, es offenbart
jedoch in allererster Linie ein großes Finanzloch. Der Mantel
aus politischem Überdeckungsjargon ist gelüftet. Christa
Thoben erklärte, dass die Mittel nicht ausreichen würden,
die gestellten Aufgaben zufriedenstellend zu lösen, und ging.
Die Rahmenbedingungen bleiben: 500 Millionen Mark müssen
die Senatsressorts in diesem Jahr einsparen, im Jahr eins des
neuen Millenniums werden es sogar 850 Millionen sein. Für
den Bereich Wissenschaft ist die Entwicklung dramatisch: In diesem
Jahr stehen Sparforderungen von 96 Millionen Mark zu Buche. 65
Millionen davon fallen allein auf die Hochschulbauten. Großprojekte
wie die Neubauten in Adlershof, die Sanierungsvorhaben der beiden
Universitätsklinika und das Vorhaben der Freien Universität (FU) Berlin
mit dem American Headquarter müssten teilweise eingefroren
werden. Und im Kulturbereich kommt noch einmal ein Minus von 70
Millionen hinzu.
Außerdem zog der Berliner Senat in die Verhandlung über
pauschale Minderausgaben für das Haushaltsjahr 2000 auch
die ausgehandelten Hochschuletats in die Kürzungsbasis ein,
obwohl, so TU-Präsident Prof. Hans-Jürgen Ewers in seiner
Stellungnahme, sie nach Abschluss der Hochschulverträge nicht
mehr antastbar sein sollten. Hierbei geht es um eine Summe von
mindestens 27 Millionen Mark aus dem so genannten Überbrückungsfonds,
der aus Grundstücksverkäufen der Hochschulen gespeist
werden und für kurzzeitige Etatlücken der Hochschulen
zur Verfügung stehen soll. Damit seien Wissenschaft und Forschung,
so Prof. Ewers weiter, doppelt zur Haushaltskonsolidierung herangezogen.
Schließlich sahen die Hochschulverträge bereits eine
Etatkürzung um 45 Millionen Mark vor.
Bei dem deutlichen Anschwellen des Berliner Finanzloches ist für
das nächste Jahr mit weitaus größeren Einsparsummen
zu rechnen. Fest geschrieben ist die Sicherung von 85.000 Studienplätzen,
sie stehen durch die Auflagen der Hochschulverträge nicht
für neue Sparforderungen zur Verfügung. Was bleibt,
sind die Investitionen, die angeschnitten werden können oder
müssen, und die Fragen nach der künftigen Prioritätensetzung.
Gemeint ist vor allem der Ausbau der Wissenschaftszentren Adlershof
und Buch.
Betrachtet man die Haushaltslage über einen längeren
Zeitraum, so werden die drastischen Ausmaße der "Diätkur"
für die Universitäten deutlich: Fast eine Milliarde
werden voraussichtlich im Jahre 2003 weniger im Buche stehen als
noch in den frühen 90er Jahren. "Die Hochschulen sind
inzwischen an einer Schlankheitsgrenze angelangt", so Prof.
Ewers, "bei der jeder normale Patient in die Klinik überwiesen
würde." Doch diesen Genesungsaufenthalt kann sich keine
der drei Berliner Universitäten leisten. Stehen doch ungleich
viele und wichtige Entscheidungen in den nächsten Monaten
an. Das Gutachten des Wissenschaftsrates zu den Strukturplänen
der Berliner Hochschulen wird für Mai erwartet. Die Verhandlungen
über die Berliner Hochschulverträge werden folgen. Hinzu
kommen die Eckpunkte für eine umwälzende Reform, die
das Beratungsgremium Anfang diesen Jahres vorlegte: Mit der Einführung
von Bachelor- und Masterstudiengängen wird sich das Gesicht
der deutschen Hochschullandschaft deutlich ändern. Die Finanzen
dafür stehen noch in keiner Buchhaltertabelle.
In dieser prekären Situation kann man es vielleicht als kleinen
Glücksfall bezeichnen, dass der 13. April 2000, an dem die
Abgeordneten über den neuen Wissenschaftssenator entscheiden,
auf einen Donnerstag und nicht auf einen Unglücks-Freitag
fällt.
Stefanie Terp
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