TU intern - April 2000 - Studium

Hunde und Damen waren in der Universität nicht erwünscht


"Damenkursus" am Institut für Zuckerindustrie, 1904

Hunde und Damen nicht erwünscht." Vor mehr als 100 Jahren machte dieses Schild an einem deutschen Hörsaal deutlich, wer geduldet wurde. Der Weg zu akademischem Erkenntnisgewinn war für Frauen nicht nur steinig, er war vor allem lange verschlossen. Die Bildungsgeschichte war über Jahrhunderte eine Männergeschichte. Waren es vor dem 18. Jahrhundert lediglich elitäre Anstalten oder sogar männliche Attribute, wie Kleidung oder Gestik, die Frauen halfen, an Bildung zu partizipieren, so konnten sie in den dann folgenden Jahrzehnten wenigstens im privaten Bereich vermehrt am Unterricht teilhaben. Doch so schwer der erste Schritt zur Wissensaneignung auch war, so folgte der zweite - die breite Anwendung und Umsetzung des Gelernten in etablierten Berufen und an öffentlichen Forschungsstätten - oft erst zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Der große Durchbruch gelang am 28. Februar 1900 an den Universitäten Heidelberg und Freiberg. In Preußen billigte man ihnen erst ab 1909 eine vollwertige Immatrikulation auch an den technischen Hochschulen zu.

Dabei waren es nicht nur die erzielten Fortschritte in der Mädchenbildung und der Frauenbewegung, auch die wachsende Bedeutung der Natur- und Technikwissenschaften wirkte sich günstig aus. Im Jahr 1899 wurde den technischen Bildungseinrichtungen Preußens das Promotionsrecht verliehen - ein Schritt, der nicht nur diese Hochschulen mit den Universitäten gleichstellte, sondern auch den Ingenieurabschluss als gleichwertigen akademischen Titel anerkannte. Der Weg war frei für Lehre, Forschung und auch für die Kooperation der Wissenschaft mit den jungen Industrieunternehmen. Die Technische Hochschule (TH) Berlin-Charlottenburg begründete in diesen Jahren ihren Weltruf. Dem Trend folgend, aber auch im Kontext zu den überfüllten Hörsälen der Berliner Universität, bot die TH nun auch für Frauen ein wissenschaftliches Betätigungsfeld - selbstverständlich nur für wenige. Bis 1931 lag ihr Anteil an der Studentenschaft unter zwei Prozent.

Auffallend viele Studentinnen entschieden sich in den Anfangsjahren für Chemie - eines der modernsten Wissenschaftsgebiete. Es bot gute Zukunftsaussichten, gab es doch in Berlin zahlreiche chemische Institute. Auch scheint die Attraktivität des Faches mit dem handwerklichen Aspekt der Ausbildung zusammenzuhängen.

Die erste Frau, die an der Technichen Hochschule 1920 die Doktorweihen erhielt, war die 1892 in Bukarest geborene Leonida Herovici. Über ihr Privatleben und ihre Motive, Chemie zu studieren, ist nur wenig bekannt. Zählte sie sich zu einer Ausnahmeerscheinung oder schon bewusst zur weiblichen Avantgarde auf dem Gebiet der technischen Wissenschaften?

Ihre Berliner Jahre verbrachte sie überwiegend am organischen Laboratorium der TH. Zwischen 1914 bis 1919 beschäftigte sie sich mit Substanzen, die den Blütenfarbstoffen verwandt sind. Nachdem sie 1919 den akademischen Grad einer Diplomchemikerin erwarb, legte sie ihre Doktorarbeit "Studien über Chromone" im Oktober des gleichen Jahres vor.

Das Wenige, was wir dem Lebenslauf der Leonida Herovici entnehmen können, scheint typisch zu sein für die "Fräulein Doktor", die ihr folgen sollten. Ganz bestimmt genossen diese aus einem liberalen, oftmals jüdischen Elternhause kommenden Mädchen eine fundierte Bildung. Dabei spielten nicht nur das geradezu obligatorische Erlernen anderer Sprachen, sondern zunehmend die Naturwissenschaften eine wichtige Rolle. Ihre späteren Lehrjahre waren auch immer Wanderjahre. Eine Hochschule auszuwählen, die Frauen den Zugang gewährte; einen Doktorvater zu finden, der sie unterstützte; eine feste Anstellung in Industrie oder Forschung zu bekommen - all das waren keine leichten Aufgaben für die jungen Frauen. Freilich stießen sie auch mit ihrem Forscherdrang bei den Kavalieren des frühen 20. Jahrhunderts auf wenig Wohlwollen. Sie blieben oftmals unverheiratet und kinderlos.

Bis 1931 promovierten an der Charlottenburger Einrichtung 14 Chemikerinnen zur Dr.-Ing. und in den Laboren arbeitete eine weitaus größere Anzahl von ihnen. Auch in anderen Fachgebieten wie Architektur oder Physik betraten Studentinnen vermehrt die Hörsäle, doch die restriktiven Vorstellungen der Nationalsozialisten erschwerte ihnen wieder den Zugang zu Bildung und Forschung. Erst in der Nachkriegszeit stieg der Frauenanteil in den Hochschulen. Im Wintersemester 1998/99 lag er bei 45,1 Prozent. Bis an die Spitze des Elfenbeinturms haben es aber nur wenige geschafft: Rund 6 Prozent der C4-Professuren waren 1998 von Frauen besetzt.

Stefanie Terp


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