TU intern - April 2000 - Aktuelles

Ist der Numerus clausus die einzige Rettung?

Die Diskussion über den Mangel an Informatikern wird von einem Schlagwort dominiert: "Green Card". Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, der Import von IT-Spezialisten aus dem Ausland sei die Lösung schlechthin. Jedenfalls hört man von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die "Green Card" ins Gespräch gebracht hat, kaum etwas zu der Frage, wie die eigenen Ausbildungskapazitäten erhöht werden sollen.

Die Situation am Fachbereich Informatik der TU Berlin ist katastrophal
Die Universitäten bekommen die stark wachsende Nachfrage nach Informatikern schon seit längerem zu spüren: Die Zahl der Studienanfänger stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich. Die Situation am Fachbereich Informatik der TU Berlin ist "katastrophal", so Dekan Klaus Obermayer. Im Wintersemester 1999/2000 kamen auf die rund 280 Studienplätze (200 für den Studiengang Informatik, 80 für den Studiengang Technische Informatik) für das erste Semester rund 700 Studienanfänger (540 Informatik, 160 Technische Informatik). Für das Wintersemester 2000/2001 wird mit rund 1000 Studienanfängern gerechnet. Schon heute teilen sich 2900 Studierende die insgesamt 1400 Studienplätze.

Wen wundert es, dass der Ruf nach einem Numerus clausus in der Universität immer lauter wird. Angesichts der Überlastung liegen die Nerven im Fachbereichsrat blank. Für das vergangene Semester konnte ein NC noch abgewehrt werden, für das kommende Wintersemester wird er immer wahrscheinlicher. "Man kann einen NC an der TU Berlin aber nur dann einführen, wenn die anderen Berliner Universitäten mitziehen. Es wäre verantwortungslos, wenn beispielsweise zwei Universitäten den NC einführten und die dritte Universität nicht."

Angesichts des gewaltigen Fehlbedarfs an IT-Fachkräften in der Wirtschaft wäre eine Zugangsbeschränkung ein falsches Signal. Klaus Obermayer plädiert daher für eine konzertierte Aktion von Fachbereich, Universität, Land Berlin, Bund und Wirtschaft. Mit allen gibt es Gespräche über mehr Geld. Nur: Woher nehmen wenn nicht stehlen? Immerhin hat die TU Berlin ihren Fachbereich Informatik zu 100 Prozent ausgestattet. Doch das reicht bei weitem nicht aus. Und die Industrie? Sie engagiert sich in Form von Stiftungsprofessuren, "schwer tut sie sich aber damit, Mittel direkt für die Lehre zur Verfügung zu stellen", so Klaus Obermayer.

Am dringendsten benötigt werden Mittel für den Mittelbau, der wesentlich die Lehre im Hauptstudium mitträgt, sowie für Tutoren, die das Grundstudium betreuen. In absehbarer Zeit werden auch Mittel für Investitionen in dramatischem Umfang fehlen. "Die Computer sind zum größten Teil veraltet, auch wenn sie den Anforderungen momentan gerade noch genügen."

"Green Card" - sicher eine Lösung, um wenigstens einen kleinen Teil des Bedarfs an IT-Spezialisten kurzfristig zu decken. Das ist auch das erklärte Ziel der Initiatoren. Das ersetzt aber keineswegs das Nachdenken darüber, wie die Ausbildung von Informatikern im eigenen Land bewerkstelligt werden kann.

Thomas Schulz


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