TU intern - April 2000 - Vermischtes
Standardwerk
Ob sich in der Musikgeschichte die Epochen der Klassik und Romantik
klar abgrenzen lassen, ist durchaus umstritten. Carl Dahlhaus
und Norbert Miller zeichnen in ihrem schon jetzt als Standardwerk
gehandelten Buch beeindruckend präzise nach, dass Klassik
und Romantik keine abgrenzbaren Epochenbezeichnungen sind. Vielmehr
sind bereits in der Klassik Elemente der Romantik präsent.
Als deren wichtigstes Merkmal gilt den Autoren der "sinfonische
Stil".
Romantik, sinfonischer Stil und Oper - an diesen drei Orientierungspunkten
knüpften gemeinsame Gespräche und Forschungen der beiden
Autoren an, die jetzt als Buch vorliegen. Das Unternehmen war
allerdings überschattet vom Tod des Musikwissenschaftlers
Carl Dahlhaus (1989). Norbert Miller kommt das Verdienst zu, dass
er die von Dahlhaus hinterlassenen Kapitel zu Ende geführt
und selbst den Löwenanteil des Buches geschrieben hat. Dass
die Konzeption des Projektes immer noch die Handschrift beider
Autoren trägt, daran besteht kein Zweifel.
Für den kulturgeschichtlich Interessierten und den verschärften
Opernfreund bringt das Buch eine Fülle von Anregungen. Man
liest von kaum oder gar nicht bekannten Opern, die so anschaulich
und packend beschrieben sind, dass man sie sofort kennen lernen
möchte.
Spannend ist die Lektüre, die freilich Ausdauer verlangt,
wo Dahlhaus und Miller systematisch nachzeichnen, welche zentralen
Ideen, welche gesamtkulturellen Bedingungen, welche vorhandenen
sozialen Institutionen die Dynamik der Musikentwicklung im 19.
Jahrhundert in Gang gesetzt und vorangetrieben haben.
Thomas Schulz
Carl Dahlhaus/Norbert Miller: Europäische Romantik in der
Musik. Oper und sinfonischer Stil 1770-1820, Stuttgart/ Weimar
1999, 810 Seiten, 148 Mark.
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