TU intern - April 2000 - Aktuelles
"Die ersten Schritte wurden von Deutschland gemacht"
Das 75-jährige Jubiläum des Technion Haifa an der
TU Berlin
Der Grundstein wurde 1912 gelegt - das historische Technion-Gebäude
des Berliner Architekten Alexander Baerwald |
Das Technion in Haifa/Israel
zählt heute zu einer der führenden Technischen Hochschulen
der Welt. Seine Gründung ist aufs engste mit der Technischen
Universität Berlin (der damaligen Technischen Hochschule
Berlin) und der deutschen Geschichte verbunden. Zahlreiche jüdische
Ingenieure, die nach 1933 von der Technischen Hochschule Berlin
verdrängt wurden und das Land verlassen mussten, haben am
Technion Haifa eine neue wissenschaftliche Heimat gefunden. Aus
der Geschichte des Staates Israel ist das Technion Haifa nicht
wegzudenken.
Als Technikum nach deutschem Vorbild konzipiert, wurde das Technion
vom 1901 gegründeten "Hilfsverein der Deutschen Juden"
initiiert. Als deutsch-jüdischer Verein setzte er sich das
Ziel, jüdischen Glaubensgenossen in Palästina Hilfe
und Schutz zu gewähren. Das Hauptaugenmerk galt dem Aufbau
eines eigenen Schulwerks, wichtigstes Projekt war die Gründung
einer höheren technischen Lehranstalt.
TECHNISCHE LEHRANSTALT
1907 entwarf der liberale Politiker und Journalist Dr. Paul Nathan
die Konzeption für das Technion als höhere technische
Schule. Es sollte die Krönung der schulischen Aufbauleistungen
des Hilfsvereins für die Juden im Orient werden. Denn: Im
gesamten Osmanischen Reich gab es damals keine technische Ausbildungsstätte,
und Nathan sah gute Berufschancen für künftige Absolventen
wie auch Chancen zur Belebung des Arbeitsmarktes und der technischen
Entwicklung im Nahen Osten.
Die Gründungsgeschichte des Technions in Haifa wurde von
den politischen Umbrüchen im Gefolge des Ersten Weltkrieges
geprägt. In der Gründungsphase war Haifa noch eine Stadt
im Osmanischen Reich, in dem deutsche Aktivitäten gern gesehen
waren. Bei der Eröffnung vor gut 75 Jahren lag Haifa im Britischen
Mandatsgebiet Palästina.
Aus dieser weltpolitischen Verschiebung ergab sich auch ein Wechsel
der Trägerschaft des Technions, die vom "Hilfsverein
der Deutschen Juden" an die Zionistische Organisation überging.
Die personellen Verbindungen mit der Technischen Hochschule Berlin
überdauerten alle politischen Einschnitte und bestanden zunächst
bis in die Jahre nach 1933, als das Technion für eine ganze
Reihe von Wissenschaftlern aus Berlin und anderen deutschen Universitätsstädten
zur Zufluchtsstätte wurde. Aus der technischen höheren
Lehranstalt wurde nun eine Technische Hochschule.
GEORG SCHLESINGER
Einer der führenden Köpfe während der gesamten
Gründungsgeschichte war Georg Schlesinger (1874-1949), seit
1904 ordentlicher Professor für Werkzeugmaschinen und Fabriktechnik
an der Technischen Hochschule Berlin. Schlesinger leitete gemeinsam
mit Wilhelm Franz, ebenfalls Professor an der TH Berlin, den technisch-wissenschaftlichen
Beirat. Beide koordinierten alle Planungs- und Entscheidungsprozesse
von Berlin aus. Ihr Engagement reichte von der Gebäudeplanung
bis zur Gestaltung des Lehrplans.
Die Bauarbeiten nach der Grundsteinlegung im April 1912 kamen
gut voran, so dass mit der Eröffnung der Schule im Sommer
1914 gerechnet wurde. Doch während der Bauzeit, in den Jahren
1913/14, entbrannte im Kuratorium ein so genannter "Sprachenkrieg".
Es ging um die Frage, ob als Unterrichtssprache der neuen Anstalt
Deutsch oder Hebräisch verbindlich sein sollte. Die zionistisch
orientierten Mitglieder traten für Hebräisch ein und
konnten sich mit ihrer Position schließlich durchsetzen.
WELTGESCHICHTE ALS SCHICKSAL
Der Erste Weltkrieg und die politischen Veränderungen in
seiner Folge verhinderten die Eröffnung noch bis zum Dezember
1924, als der Lehrbetrieb in der Fachrichtung Hoch- und Tiefbau
mit 17 Studierenden aufgenommen wurde. Die offizielle Eröffnung
des Technions fand am 9. Februar 1925 statt. Die enge Verbindung
zur TH Berlin erhielt Anfang der 1930er Jahre neue Impulse, als
zahlreiche jüdische Professoren ihre Berliner Hochschule
verlassen mussten und zum Technion wechselten.
Georg Schlesinger, der sich für das Technion Haifa so engagiert
eingesetzt hatte, ging nach seiner Entlassung von der TH Berlin
durch die Nationalsozialisten nicht nach Palästina. Er emigrierte
über Brüssel 1934 nach Großbritannien, wo er noch
einmal ein Laboratorium für Werkzeugmaschinen aufbaute.
Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Technion
zu einer Technischen Universität von Weltruf. Heute umfasst
das Technion 19 Fachbereiche einschließlich Medizin, Informatik
und aller Naturwissenschaften. Rund 750 Professoren und Dozenten
unterrichten 12 000 Studierende, von denen viele aus dem Ausland
kommen. Das Technion ist der Motor der High-Tech-Entwicklung in
Israel und bildet ein wichtiges Rückgrat der Wirtschaft.
Günter Spur
Ruth Federspiel
Leserbriefe |