TU intern - Dezember 2000 - Hochschulpolitik

Bündnis 90/Die Grünen:

Eile mit Weile

Fast schon Hektik verbreitet zurzeit Senator Stölzl mit seinen Eckpunkten zum neuen Berliner Hochschulgesetz. Einen Grund gibt es dafür nicht: Die neuen Leitungsmodelle aufgrund der Erprobungsklausel sind, z. B. an der Humboldt-Universität, gerade erst eingeführt worden. Die Legislaturperiode dauert noch volle vier Jahre. Zeit genug also, gründlich und in Ruhe darüber nachzudenken.


Bernhard Weinschütz
Gegen viele Vorschläge muss energischer Widerspruch angemeldet werden. Wir unterstützen, dass die Hochschulen künftig ihre Grundordnungen weitgehend frei gestalten können sollen. Bisher gab es feste Vorgaben im Berliner Hochschulgesetz, jede einzelne Hochschule konnte nur ausnahmsweise aufgrund der "Erprobungsklausel” mit Genehmigung der Senatsverwaltung Abweichungen beschließen. Künftig macht jede Hochschule ihre Grundordnung grundsätzlich selbst und ist dabei viel freier als bisher. Viele Regelungen des künftigen Berliner Hochschulgesetzes gelten nur, soweit eine Hochschule in ihrer Grundordnung noch nichts geregelt hat. Dies ist ein großer Schritt in Richtung Hochschulautonomie.

Autonomie braucht aber Demokratie. Ohne binnendemokratische Strukturen funktioniert sie nicht. Die Stölzlschen Eckpunkte gehen hier genau in die falsche Richtung: Hierarchisierung durch Aufgabenverlagerung von den Gremien zur Hochschulleitung, die auch de facto das Vorschlagsrecht für die Mitglieder des einflussreichen Hochschulrats hat. Stölzl sieht auch eine Verlagerung von Kompetenzen von den Fakultäten zur zentralen Ebene vor, z. B. bei Berufungen von Professoren. Sogar die Fakultäten wären künftig hierarchischer organisiert.

Unsere Grundforderung besteht hingegen darin, dass insbesondere das Gremium, das die Grundordnung festlegt und die Hochschulleitung wählt, gruppenparitätisch besetzt ist. Dies ist eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie an der Hochschule. Die Gruppen sollen auch eigene Vorschlagsrechte haben, wenn Gremien extern besetzt werden, wie dies für den Hochschulrat vorgesehen ist. Das bedeutet nicht, dass dort Gruppenvertreter sitzen müssen, vielmehr ist ein solches Vorschlagsrecht gerade bei der Gewinnung von externen Persönlichkeiten wichtig. Für die Organisation der Fakultäten muss das gleiche demokratische Grundprinzip gelten.

Ob es wirklich Sinn macht, den Landeshochschulrat als Dauer-Beratungsgremium des Wissenschaftssenators ohne Entscheidungsbefugnis zu institutionalisieren, ist in Anbetracht der zahlreichen bereits vorhandenen Beratungsmöglichkeiten (z. B. Wissenschaftsrat) zweifelhaft. Wenn überhaupt, sollte der Landeshochschulrat vom Parlament bestellt werden und dieses beraten, damit das Parlament wieder besser seinen Pflichten nachkommen kann, sich um die zentralen Planungsfragen im Hochschulbereich zu kümmern. Zurzeit hat es durch Hochschulverträge und Ausweitung der Hochschulautonomie kaum noch Einflussmöglichkeiten.

Langzeitstudiengebühren lehnen wir ab. Ich will hier nicht die gesamte Diskussion wiederholen. Wir stimmen zu, dass Studierende möglichst in angemessener Zeit zum Abschluss gelangen können sollen, aber mit Studiengebühren werden die Hindernisse hierfür nicht beseitigt, teilweise - soweit Studierende Zeit verlieren durch den Zwang zum Arbeiten für ihren Lebensunterhalt - sogar noch verschärft. Studiengebühren führen zu einem starken sozialen Gefälle. Erfahrungen in Baden-Württemberg zeigen, dass die Zahl der Studierenden bei Einführung von Langzeitstudiengebühren sinkt. Wir haben im europäischen Vergleich aber zu wenig Absolventen. Wir müssen deswegen junge Menschen zum Studium ermuntern, nicht etwa sie abschrecken. Studiengebühren sind deswegen genau das falsche Signal.

Bernhard Weinschütz ist wissenschaftspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen.


Leserbriefe

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    Dezember 2000


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