TU intern - Dezember 2000 - Internationales
Praktikum in Südkorea:
Einen kühlen Kopf und die Selbstbeherrschung bewahren
Durch das Heinz-Nixdorf-Programm der Carl-Duisberg-Gesellschaft
(CDG) hatte ich nach meinem Elektrotechnik-Studium an der TU Berlin
die Gelegenheit, an einem Absolventenprogramm in der Republik Südkorea
teilzunehmen. Um den Tigerstaat und die Mentalität der Menschen
kennen und verstehen zu lernen, bot man uns die besten Voraussetzungen,
da die kulturellen und sprachlichen Vorbereitungen ein wichtiger
Teil des Praktikums waren. Der erste zweimonatige Sprachkurs, bei
dem wir das Alphabet, einfache Vokabeln und Floskeln lernten, fand
in Bochum statt. Nach der Klärung aller Aus- und Einreiseformalitäten
machten wir uns auf den Weg nach Seoul. Beim Anflug sahen wir schon
die große Dunst-Glocke über der Stadt hängen. In
Korea angekommen, gab es erst einmal den erwarteten Klima- und Kulturschock.
Unser Gastvater wartete am Flughafen und brachte uns nach Pundang.
Dort bezog ich ein kleines Zimmer mit Bett und Schrank - also noch
recht europäisch, denn normalerweise schlafen Koreaner auf
geheizten Böden. Wohnraum ist in Korea sehr teuer. Jedes Stück
Flachland wird entweder landwirtschaftlich genutzt oder ist mit
Hochhäusern bebaut.
Mit deutscher Direktheit kommt man in Südkorea nicht weiter |
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Nach
Abschluss des zweiten Intensivsprachkurses begann ich mit dem Praktikum
bei der Siemens
AG in Seoul. Ich arbeitete an verschiedenen Projekten der Mess-
und Automatisierungstechnik. Eine meiner ersten Aufgaben war es,
ein Training für meine Kollegen zu entwerfen, um sie mit einem
Messdatenprogramm vertraut zu machen. In Korea hat man als "Sonsängnim
- also als Lehrer - einen sehr angesehenen Stand. Das war auch die
Basis für das sehr gute Verhältnis zu meinen koreanischen
Kollegen. Parallel zu diesem Schulungsprogramm arbeitete ich an
einem Tunnel-Automatisierungsprojekt, bei dem Sensoren den Stickstoff-
und Kohlendioxidgehalt messen.
Bei meinem Einblick ins Wirtschaftsleben war ich trotz der jüngsten
Krise der Tigerstaaten sehr von der Dynamik beeindruckt. Hochhäuser
wachsen wie Pilze aus dem Boden. In vielen Firmen beträgt
die Arbeitszeit zehn bis zwölf Stunden. Koreaner haben meistens
nur fünf bis sechs Tage Urlaub im Jahr. Andererseits gibt
es relativ viele Feiertage, an denen familiären Pflichten
nachgegangen wird. Die Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen
und die Leistungsbereitschaft sind sehr beeindruckend. Persönliche
Beziehungen, Bekanntheitsgrad und die Stellung in der Firma spielen
in der vom Konfuzionismus geprägten Gesellschaft eine große
Rolle.
Zwei Grundsätze wurden mir während meines Aufenthaltes
deutlich. Das Wort von Kollegen, die in der Hierarchie eine Stufe
höher stehen, wird nie in Zweifel gezogen. Das hat Vor- und
Nachteile. Einerseits kann das zu "blindem Gehorsam
führen. Andererseits verkürzt es oft die Entscheidungswege,
sodass auf Änderungen im Markt sehr flexibel reagiert werden
kann.
Als "Ö-guk-Saram, also als Ausländer in Korea,
sollte man nicht versuchen, Probleme mit deutscher Direktheit
zu lösen. Das führt nur dazu, dass man die so wichtigen
persönlichen Beziehungen stört. Wenn Probleme auftreten
sollten, ist es empfehlenswert, einen kühlen Kopf zu bewahren
und niemals die Selbstbeherrschung zu verlieren.
Eine neue Erfahrung war es auch, die engen Verbindungen in den
Familien oder zwischen bestimmten Gruppierungen in einem Unternehmen
kennen zu lernen. Man gehört einfach dazu, wenn man an der
gleichen Universität oder Schule sowie bei derselben Armee-Division
war. Teilweise besteht eine lebenslange Bindung an die Firma.
Die Familie und das Unternehmen bilden in Korea das soziale Netz,
das in Notfällen Einzelne auffängt. Auch die Verbundenheit
zu ihrem Land und der Nationalstolz sind bemerkenswert ausgeprägt.
Will man in Korea geschäftlich erfolgreich sein, sollte man
all das in seine Planung einbeziehen. Meine asiatischen Erfahrungen
waren ein außergewöhnlicher sowie lehrreicher Einstieg
ins Berufsleben und nutzen mir jetzt bei meiner Tätigkeit
in der Robert Bosch GmbH, Stuttgart.
Für diejenigen jungen Absolventen, die Ähnliches vorhaben,
ist die Carl-Duisberg-Gesellschaft eine sehr gute Anlaufadresse.
Christian Danz
Das Heinz-Nixdorf-Programm der Carl-Duisberg-Gesellschaft e.V.
(CDG) vermittelt berufliche Asien-Pazifik-Erfahrung. Es ist das
größte Programm einer privaten gemeinnützigen
Stiftung zur Förderung von Auslandserfahrung. Teilnehmer:
Absolventen, ggf. besonders leistungsfähige Studenten, bevorzugt
Personen mit beruflicher Ausrichtung auf Informations- und Kommunikationstechnologien.
Alter: bis 30 Jahre. Finanzierung: Stipendium und Eigenmittel.
Zielländer: VR China, Indien, Indonesien, Japan, Malaysia,
Südkorea, Taiwan, Vietnam. Dauer: zehn Monate. Kontakt: Carl-Duisberg-Gesellschaft
e.V., Gruppe Asien/Pazifik, Weyerstr. 79-83, 50676 Köln,
Tel.: 02 21/20 98-303, -293, E-Mail: KnischewskiC@cdg.de,
BuschE@cdg.de, Internet: http://www.cdg.de.
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Leserbriefe
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