TU intern - Dezember 2000 - Studium
Deutsche Schüler im Mittelmaß
Wer in der Schule Mathematik oder Physik als Leistungskurs gewählt
und hier sogar eine überdurchschnittlich gute Abiturnote
erzielt hat, kommt, wenn er eines der Fächer an der Universität
belegt, kräftig ins Schwitzen. Da ist Durchhaltevermögen
gefragt, denn die Anforderungen an ein Mathematik- oder Physikstudium
sind hoch. Warum es deutsche Schüler nach dem Abitur etwa
an der Universität vergleichsweise schwer haben, belegt die
"Third International Mathematics and Science Study
(TIMSS), die Schülerleistungen in Mathematik und den Naturwissenschaften
am Ende der Sekundarstufe II international vergleicht. Sie wurde
Ende November im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
vorgestellt.
Die Testleistung deutscher Schüler im Bereich der mathematisch-naturwissenschaftlichen
Schulbildung liegt in der Gruppe vergleichbarer Länder nur
im unteren Bereich. Während deutsche Abiturienten in Mathematik
noch nicht einmal den internationalen Mittelwert erreichen, schaffen
sie es in Physik immerhin ins Mittelfeld. Defizite liegen insbesondere
im Bereich des konzeptuellen Verständnisses und des Verständnisses
naturwissenschaftlicher Arbeitsweisen. Die Diskrepanzen sind im
Bereich mathematischer Grundbildung besonders groß. Bereits
Aufgaben, deren Lösung die Verknüpfung einfacher Operationen
in anwendungsbezogenen Kontexten verlangt, bereiten den meisten
Abiturienten größte Schwierigkeiten. Bei 40 Prozent
der Gymnasiasten stellt die TIMSS-Studie elementare Unsicherheiten
bei grundlegenden Rechenfähigkeiten fest.
Relative Stärken hingegen macht die Studie im mathematischen
Bereich beim Lösen von Routineaufgaben und im Bereich der
Naturwissenschaften im Umgang mit Aufgaben aus, die überwiegend
vorfachliches Wissen oder nur elementare Fachkenntnisse verlangen.
Ein regionaler Vergleich zwischen alten und neuen Bundesländern
weist in den alten Bundesländern bessere Ergebnisse für
die mathematisch-naturwissenschaftliche Grundbildung aus. Damit
setzt sich der Trend eines allmählichen Verlusts des Leistungsvorsprungs
der ostdeutschen Länder fort. Interessant ist dabei allerdings,
dass die ostdeutschen Länder in ihrer gymnasialen Oberstufe
am Ende des 12. Schuljahres im Mittel Mathematikleistungen erreichen,
die in westdeutschen Ländern mit restriktivem Oberstufenzugang
erst am Ende des 13. Jahrgangs erreicht werden. Im Physikunterricht
hingegen zahlt sich das 13. Schuljahr offensichtlich aus.
Die TIMMS-Studie sei eine "Schande für unser Land,
schimpfte der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie,
Hans-Olaf Henkel, und ging mit der Schul- und Bildungspolitik
scharf ins Gericht. Der Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF), Wolf-Michael Catenhusen, formulierte es etwas eleganter:
"Die Studie zeigt uns deutlich: Wir brauchen neue Impulse
für besseren Mathematik- und Physikunterricht in Deutschland.
Hier müssen wir sowohl am Unterricht als auch an der Lehrerausbildung
ansetzen. Mit bisherigen pädagogischen Konzepten können
wir international nicht mehr mithalten. Es sei die Aufgabe
der für die Schulen verantwortlichen Länder zu prüfen,
welche Konsequenzen aus der TIMSS-Studie zu ziehen seien. Das
BMBF sei aber bereit, sich an Reforminitiativen der Länder
zu beteiligen.
ths
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