TU intern - Dezember 2000 - Hochschulpolitik

PDS:

Markt statt Marx

Auch wenn sich nach zehn Jahren Großer Koalition fast niemand mehr daran erinnern wird - es hat in Berlin fast 20 Monate lang ein rot-grüner Senat regiert. Eines der wenigen noch normative Gültigkeit besitzenden Ergebnisse der kurzen rot-grünen Periode ist das bestehende Berliner Hochschulgesetz (BerlHG). Doch damit könnte es demnächst vorbei sein. Denn der CDU gelang es erst nach dem erneuten Absacken der SPD bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Oktober 1999 die Novellierung des BerlHG in der Koalitionsvereinbarung zu verankern.


Benjamin-Immanuel Hoff
Ohne Absprache mit den Koalitionsfraktionen und ohne Information der Oppositionsfraktionen hat Senator Stölzl nun am 20. November 2000 seine "Grundlagen und Kernpunkte zur Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes” vorgestellt. Vordergründig soll durch die Gesetzesnovelle eine Anpassung an die 1998 geänderten Regelungen des Hochschulrahmengesetzes (HRG) erfolgen, obwohl das HRG den Handlungsspielraum gerade erweitert und sie weniger zur Anpassung an neue Vorgaben zwingt.

Die "Kernpunkte” machen deutlich, dass Berlin sich dem Mainstream in der Hochschulgesetzgebung der anderen Länder, wie Sachsen, Baden-Württemberg, Niedersachsen oder Hamburg anpassen wird. Eine eigenständige progressive Gesetzgebung wird nicht zu erwarten sein. Die "Kernpunkte” setzen deshalb auch auf Altbekanntes:

Die Hochschulleitungen sollen ebenso wie die Dekanate gestärkt, die Institutionen der professorendominierten Gruppenhochschule hingegen abgeschafft werden. Vorbild dieser Organisationsstruktur ist eine marktgesteuerte Unternehmenshochschule, die Abschied nimmt vom Grundsatz der Mitbestimmung der Gruppen in der Hochschulselbstverwaltung. Statt einer pluralistischen Repräsentanz unterschiedlicher wissenschaftspolitischer Ansätze wird Betriebswirtschaft zur faktischen Leitwissenschaft ernannt.

Studiengebühren sollen eingeführt werden für Studierende, die die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschreiten, sowie - optional - für das Weiterbildungsstudium, zu dem künftig das gesamte Ergänzungs-, Zusatz- und Aufbaustudienangebot einschließlich nicht-konsekutiver Masterstudiengänge gehören soll. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen stehen weniger finanzielle Einnahmeerwartungen als vielmehr entsprechende Steuerungsfunktionen: Weniger Studierende sollen kürzer studieren und sich vor allem nicht mehr als Mitglieder, sondern als Kunden der Hochschulen verstehen.

Studierende, die nur noch Kunden der Hochschulen sind, benötigen nach dieser Auffassung auch keine gesetzlich definierte Verfasste Studierendenschaft (StuPa, AStA) mehr. Aus diesem Grunde sehen die "Kernpunkte” vor, die Rechte der Verfassten Studierendenschaft aus dem Gesetz in die Kompetenz der Hochschulen zu verlagern. Vor dem Hintergrund gestärkter Präsidialämter, die entscheidenden Einfluss auf die Grundordnung der Hochschulen bekommen sollen, und der Tatsache, dass die grundordnungsgebenden nach Gruppen besetzten Konzile abgeschafft werden können, bedeutet dies, dass der Uni-Präsident die Kompetenzen von StuPa und AStA festlegen, sie ggf. sogar abschaffen kann.

Die PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus wird im Frühjahr kommenden Jahres einen eigenen Gesetzesentwurf vorlegen. Dieser soll eine grundsätzliche Alternative zum erwarteten Entwurf des Senats darstellen. Der gegenüber dem heutigen BerlHG schlankere Gesetzesentwurf wird sich an folgenden Prämissen orientieren: Modernisierung der Verwaltung und staatlichen Steuerung, Demokratisierung der Mitbestimmung bei rationaler Aufgabenverteilung von Leitungs- und Kollegialorganen, Stärkung der Organisationsautonomie der Hochschulen und Sicherung der Gebührenfreiheit.

Benjamin-Immanuel Hoff ist Sprecher für Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiepolitik der PDS.


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