TU intern - Dezember 2000 - Studium

Energiegewinnung aus Meereswellen

Studentische Projektwerkstatt MeeresEnergie an der TU Berlin

Ozeanwellen können gewaltige Energien entwickeln, die ausreichen, um Schiffe von mehreren 1000 Tonnen Masse zum Kentern zu bringen. Aber kann diese gewaltige Energie vielleicht auch nutzbar gemacht werden? Wie könnten Anlagen aussehen, die diese Energie in Strom umwandeln? Könnte man damit einen nennenswerten Beitrag zur Energieversorgung leisten? Diese und andere Fragen bewegten eine Gruppe von Studierenden, als sie 1998, im internationalen "Jahr der Meere”, die Projektwerkstatt MeeresEnergie an der TU Berlin ins Leben riefen.

Nach umfangreichen Recherchen zum Thema MeeresEnergie konnte bereits ein funktionstüchtiges Modell entwickelt werden, das nach einigen Anlaufproblemen auch schon seine "Jungfernfahrt” im Wellenkanal des Instituts für Schiffs- und Meerestechnik der TU Berlin absolviert hat. Die gewonnene Energie reicht zwar noch nicht aus, um eine kleine Glühlampe zum Leuchten zu bringen, aber die kleine Luftturbine dreht sich schon mit beachtlicher Drehzahl.

Wieso eigentlich Luftturbine, wenn es um Meeres-(Wasser) Wellen geht? Die Entnahme der Energie über den Umweg einer Luftströmung hat den großen Vorteil, dass keine beweglichen Teile mit dem sehr korrosiven Meereswasser in Berührung kommen. Diese Idee ist schon mehr als 20 Jahre alt und wird u. a. bei Leuchtbojen eingesetzt. Die Luftströmung wird in einer speziellen Kammer erzeugt, die sich an der Wasseroberfläche befindet. Die Wellen verdichten und entspannen abwechselnd die Luft in der Kammer, sodass aus einer Öffnung auf der Oberseite Luft ein- und ausströmt. Eine direkt dort angeschlossene Turbine würde aber aufgrund der ständig wechselnden Richtung der Luftströmung normalerweise kaum Leistung abgeben. Deshalb wurde ein Strömungsgleichrichter gebaut, der nur aus einer Klappe besteht und die Luftströmung so umlenkt, dass die Turbine immer in der gleichen Richtung durchströmt wird.

ZUKUNFT MEERESENERGIE

Das hier beschriebene Druckkammer-Prinzip ist aber nur eines von mehr als 100 Konzepten zur Nutzbarmachung von Wellenenergie. Erste Versuche gab es schon vor mehr als 100 Jahren. Ernsthaft in Angriff genommen wurde die Forschung dann in den 1970er Jahren, ausgelöst von der Ölkrise. In dieser Zeit wurde in Großbritannien ein großes Forschungsprogramm gestartet. Man verzichtete auf kleine Modelle und ging gleich im großen Maßstab zur Sache. Ohne nennenswerten Erfolg. Ein großes Forschungsprojekt versank 1985 noch während des Aufbaus im Sturm vor der schottischen Küste. Knappe finanzielle Mittel, nicht erfüllte Erwartungen und vor allem die Stabilisierung der Ölpreise Mitte der 1980er Jahre führten dann zum Ende dieses Forschungsprogramms.

Es ist vielleicht noch zu früh, von einer Renaissance der Wellenenergie-Nutzung zu sprechen, doch die Forschungsanstrengungen in zahlreichen Ländern deuten darauf hin. Unter anderem wurde 1998 in Dänemark ein Programm mit einem finanziellen Umfang von umgerechnet fünf Millionen Mark gestartet. Zunächst sollen 20 verschiedene Konzepte auf ihre praktische Tauglichkeit hin untersucht werden. Dänemark hat aufgrund seiner Küstenlage gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nutzung von Wellenenergie, es bietet sich eine Kombination mit den geplanten Offshore-Windkraftanlagen an.

Die Projektwerkstatt Meeresenergie ist Bestandteil eines Programms der Kommission für Lehre und Studium (LSK) zur Etablierung von interdisziplinären Lehr- und Forschungsprojekten an der TU Berlin. Hier werden konkrete, praktische Problemstellungen durch eine Gruppe von Studierenden, teilweise aus verschiedenen Fachrichtungen, bearbeitet. Besonderer Wert wird dabei auf eine möglichst interdisziplinäre Sichtweise gelegt, das heißt, es sollen nicht nur die technische Funktion und deren Realisierbarkeit im Vordergrund stehen, sondern auch Fragen etwa nach den Umweltauswirkungen oder einer Gesamtenergiebilanz berücksichtigt werden.

VERBINDUNG VON PRAXIS UND THEORIE

Da in jedem Semester neue Teilnehmer zum Projekt dazustoßen, werden zum Semesteranfang jeweils gemeinsam die bisher gewonnenen theoretischen und praktischen Erkenntnisse aufgearbeitet. Für die Teilnehmer ergibt sich daraus die Möglichkeit, sich in Referaten, der Präsentation von Arbeitsergebnissen und in der Moderation von Diskussionsrunden zu üben.

In diesem Semester ist die Durchführung von Messungen am bestehenden Modell zur Bestimmung des Gesamtwirkungsgrades geplant, um daraus Aussagen über die Höhe des nutzbaren Anteils der Wellenenergie abzuleiten. Aus den Versuchsergebnissen werden sich voraussichtlich Optimierungsmöglichkeiten für das Modell ergeben, die auch in neue konzeptionelle Überlegungen einfließen sollen. Weitere Interessenten an der Arbeit der Projektwerkstatt MeeresEnergie sind natürlich jederzeit willkommen.

Lars Domann


Leserbriefe

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