TU intern - Februar/März 2000 - Forschung

Brennendes Eis im Meeresboden -

Oder warum verschwinden Schiffe und Flugzeuge im Bermudadreieck?

Die in Sedimentpartikeln gebundenen Gashydrate brennen an der Erdoberfläche ab
Wie kam es zum Ende der Eiszeit? Warum verschwinden Schiffe und Flugzeuge im Bermudadreieck? Wodurch werden Flutwellen ausgelöst? Der Grund für all diese Phänomene könnten Verbindungen von Gas und Wasser im Meeresboden, sogenannte Gashydrate, sein. Zu den ernsthaften Fragen gehören der energiewirtschaftliche Nutzen und die Umweltrelevanz von Gashydraten. Die Erforschung der natürlichen Gashydrate steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Im Zentrum steht zunächst die Frage ihrer Entnahme, um sie überhaupt untersuchen zu können. Wissenschaftler der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Amann entwickeln im Rahmen des von der EU geförderten Projektes HYACE (Hydrate Autoclave Coring Equipment System) gleich drei verschiedene Probenahmegeräte.

Gashydrate bestehen aus Gas und Wasser, die bei niedrigen Temperaturen und hohen Drucken kristallisieren. Dabei bildet das Wasser eine Art Käfig - sogenannte Klathrate -, die jeweils ein Gast-Atom, bei natürlichen Gashydraten meist Methan, beherbergen. Gashydrate bilden eine helle, feste Masse, die in der Atmosphäre bei Temperaturen über minus 36 _C zerfällt. Damit entziehen sie sich eines einfachen Zugriffs. Weil das Gas, das bei der Zersetzung von Gashydraten freigesetzt wird, abgebrannt werden kann, spricht man in diesem Zusammenhang auch von "brennendem Eis".

EINE SPÄTE ENTDECKUNG

Obwohl Gashydrate bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beobachtet worden sind, gilt das Jahr 1811 als ihr eigentliches Entdeckungsjahr (als künstliche Gebilde). Die nächsten 120 Jahre waren sie dann von rein wissenschaftlichem Interesse, bis sie durch den erhöhten Energiebedarf der Industrieländer wieder Aufmerksamkeit erregten. Immer wieder, besonders in der kalten Jahreszeit, verstopften die Gas-Pipelines. Zunächst führte man dies auf gefrorenes Wasser zurück, 1934 konnte aber nachgewiesen werden, dass dies auch bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt geschieht und eben Gashydrate im Spiel waren.

Bis zum Jahre 1967 glaubte man, dass Gashydrate nur als künstliche Gebilde vorkommen. Doch dann stieß man in der Sowjetunion bei Bohrungen im Sibirischen Permafrostgebiet auf Gashydrate, 1972 in Alaska, 1974 in Kanada. 1982 wurden sie schließlich aus dem Golf von Mexiko geborgen.

SCHWIERIGE ENTNAHME

Inzwischen konnten Gashydrate in fast allen Weltmeeren nachgewiesen werden. Sie lagern im Meeresboden der Kontinentalhänge und in deren Umgebung, und zwar in den Sedimenten (Ablagerungen). Nur in Ausnahmefällen kommen Gashydrate an der Oberfläche des Meeresbodens vor, etwa vor der Küste Oregons oder in der Barentssee.

Die Forschung steht vor zwei Problemen: Die Gashydrate müssen aus den Tiefen des Meeres entnommen und können nur unter hohem Druck und bei niedrigen Temperaturen untersucht werden.

Bislang konnten nur durch Zufall größere Klumpen von Gashydraten beobachtet werden, die zu massiv waren, um sofort vollständig zu zerfallen. Zwar wurden verschiedene Versuche unternommen, Gashydrate unter ihrem In- situ-Druck zu bergen, leider jedoch mit wenig Erfolg.

Einen neuen Versuch unternehmen Wissenschaftler der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Amann im Rahmen des EU-Projektes HYACE, an dem Industrie- und Forschungseinrichtungen aus sechs europäischen Ländern beteiligt sind. Das HYACE-Team entwickelt Probenahmegeräte und adaptiert Verfahren zur Untersuchung der Gashydrate.

Die neuartigen Probenahmegeräte werden in Bohrungen, die in den Meeresboden abgeteuft wurden, herabgelassen. Dort werden mit speziell entwickelten Techniken "ungestörte" Kerne aus Sedimenten und Gashydraten entnommen. Diese werden dann in einen Druckbehälter befördert und nach Verschließen unter Beibehaltung des Druckes, wie er im Bohrloch herrscht, an die Oberfläche gebracht.

Um die Proben im heimischen Labor untersuchen zu können, entwickelt das Team der TU ein System, mit dem sich die Gashydrate konservieren lassen. Früher schon hatte man Gashydrate in simple Zylinder gepackt und unter entsprechenden Druck gesetzt, doch im Labor angekommen waren die Gashydrate verschwunden.

Bei dem an der TU entwickelten System wird das Wasser, das die Probe umgibt, mit Methan gesättigt, so dass eine Dissoziation - ein Zerfall der Gashydrate - bei Aufrechterhaltung von Druck und Temperatur nicht auftritt. Erste Tests konnten erfolgreich abgeschlossen werden.

ENERGIEQUELLE VON MORGEN?

Was es mit den Gashydraten tatsächlich auf sich hat, das lässt sich wohl erst in Jahren klären. Die Frage nach der Energiequelle Gashydrat stellt sich für die meisten Wissenschaftler zur Zeit nur am Rande. Entsprechende Einschätzungen setzen viel weitergehende Kenntnisse voraus, als sie bislang vorliegen.

Lediglich in der Sowjetunion wurden Versuche zur Gewinnung von Gas aus Gashydraten in größerem Maßstab unternommen. Man bediente sich dabei der Injektion von Inhibitoren zur Lösung der Gashydrate. Die Versuche erwiesen sich aufgrund des großen Aufwandes jedoch als nicht rentabel. Zur Zeit läuft lediglich in Japan ein größeres Projekt, mit dem Ziel, Gas aus Gashydraten zu fördern. Projekte zur Erforschung der Gashydrate laufen jedoch in vielen Ländern, und auch in Deutschland soll noch dieses Jahr ein großes Forschungsprojekt "Gashydrate" beginnen.

Dr. Hermann J. Becker


© 2-3/2000 TU-Pressestelle