TU intern - Februar/März 2000 - Medien

Eine Entscheidung von gestern

Ein Frankfurter Investmenthaus ließ sich durchaus etwas zeitgemäßes einfallen: Der tägliche Pressespiegel wurde nicht mehr auf Papier verteilt, sondern per E-Mail. Mit der Verwertungsgesellschaft Wort (VGWort) wurde ein entsprechender Vertrag nach § 49 Urheberrecht geschlossen, in der Annahme, dass einem elektronischen Pressespiegel nichts im Wege stehe.

Das sehen der Verlag Axel Springer, die Süddeutsche Zeitung und das Handelsblatt jedoch anders. Sie zogen vor Gericht und erreichten ihr Ziel: Das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschied Ende Dezember vergangenen Jahres, dass ein elektronsicher Pressespiegel gegen § 49 Urheberrecht verstoße.

In seiner Urteilsbegründung weist das OLG Köln darauf hin, dass die einzelnen Beiträge in elektronischer Form "umgehend nach dem Einscannen in beliebiger Anzahl jedem Nutzer zur freien Verfügung" stehen. "Demgegenüber begrenzt die herkömmliche Form des Pressespiegels den Kreis der Nutzer". Weiter heißt es in der Begründung, "dass der Nutzer die Texte ohne weiteres im Wege der elektronischen Datenverarbeitung, also z. B. durch Zitieren und Einblenden in andere Texte, aber auch durch Verkürzung, Hervorhebung oder Hinzufügungen weiterverarbeiten kann […] Die von dem Gesetzgeber beabsichtigte Möglichkeit des Einzelnen, sich frei von den Rechten des Nutzungsberechtigten mit einem einmal erschienenen Artikel kritisch auseinandersetzen und diesen dabei auch wiedergeben zu können, macht es nicht erforderlich, dass derjenige, der von diesem Recht Gebrauch machen will, den Text des Artikels in einer Form zur Verfügung gestellt erhält, die im Wege der elektronischen Datenverarbeitung die geschilderten Veränderungen ermöglicht."

Die VGWort hält die Begründung des OLG nicht für stichhaltig. Obwohl es einen Referentenentwurf gibt, der eine Erweiterung des § 49 Urheberrecht auf elektronische Pressespiegel vorsieht, muss wohl weiter mit der Schere ausgeschnitten, kopiert und auf Papier aufgeklebt werden. Die technologische Entwicklung wird ihren Weg dennoch gehen, was ja nicht ausschließt, dass man in manchen Dingen eben die Tradition pflegen sollte.

Thomas Schulz


© 2-3/2000 TU-Pressestelle