TU intern - Februar/März 2000 - Forschung

Umstrittene Mission: Der Castor im Weltall

Der August des Jahres 1999 hatte es in sich: Nicht nur, dass Nostradamus' düstere Prophezeiung auf diesen Zeitraum fiel, auch die Sonne verfinsterte sich und ein kleiner heller Punkt am Himmel über den Südpazifik verhalf vielen Journalisten über das berüchtigte Sommerloch. Am 18. August flog das Sonden-Duo Cassini und Huygens in nur etwa 1160 Kilometern Höhe an der Erde vorbei. Eher ein ungewöhnliches Ereignis, wäre nicht die Fracht an Bord einer der giftigsten Stoffe, die wir kennen. Cassini war am 15. Oktober 1997 mit 32,8 Kilogramm Plutonium ins All geschossen wurden - eine der größten Plutoniummengen in der Geschichte der Raumfahrt. Umweltschützer versuchten vergeblich, den Start des amerikanisch-europäischen Projektes vor Gericht zu stoppen. Die Kritiker warnten, dass eine Panne beim Vorbeiflug mit einer Geschwindigkeit von 68000 Stundenkilometern zu einer nuklearen Katastrophe auf unseren blauen Planeten führen könnte und zahllose Krebserkrankungen nach sich zöge. Nasa-Experten und andere Wissenschaftler hatten jedoch die Gefahr als verschwindend gering eingestuft.

3,5 MILLIARDEN KILOMETER

Wenn Cassini und Huygens wie geplant im Juli 2004 Saturn, den sechsten Planeten von der Sonne aus, erreichen, dann wird das 3,4 Milliarden Dollar teure Raumobjekt eine Strecke von 3,5 Milliarden Kilometern geflogen sein. Um diese große Entfernung zurückzulegen, reist es nicht auf direktem Weg zum Ringplaneten, sondern holt sich durch den Vorbeiflug an anderen Himmelskörpern mit Hilfe der Gravitation Schwung. So hat die Sonde seit ihrem Start bereits zweimal die Venus passiert und Ende Dezember 2000 wird sie ein Rendezvous mit Jupiter ansteuern, um seine Schwerkraft für einen weiteren schwungvollen Flug zu nutzen.

Cassinis Stromquelle sind drei Isotopen-Generatoren, die die beim radioaktiven Zerfall von Plutonium entstehende Wärme direkt in elektrischen Strom umwandeln können. Für die Energieerzeugung, die beispielsweise für den Funkbetrieb und die Messgeräte genutzt wird, müssen die Wissenschaftler in den Tiefen des Weltall auf diese Plutoniumgeneratoren zurückgreifen. Andere Brennstoffzellen, wie sie beim Space Shuttle üblich sind, kamen für Cassini wegen der Länge des Fluges nicht in Frage.

Und auch Solarzellen wie bei Satelliten hätten nicht gereicht, da der Zielplanet Saturn etwa zehnmal weiter von der Sonne entfernt ist als unsere Erde. Dort strahlt die Sonne mit nur noch einem Fünfzigstel der üblichen Energie. Daher hätte Cassini ein Sonnensegel von der Größe eines Fußballfeldes mit sich führen müssen, um auf die benötigte Leistung von 800 Watt zu kommen - ebensoviel wie ein handelsüblicher Fön. Von 25 bekannten Weltraummissionen der USA, die mit Kernenergie arbeiteten, endeten in der Vergangenheit drei mit Unfällen. Auch in der sowjetischen, jetzt russischen Raumfahrt gibt es eine ähnliche Bilanz. Dies schließt den sowjetischen Kosmos-Satelliten ein, der 1978 beim Absturz auf die Erde über dem Nordwesten Kanadas in Stücke zerfiel. Dabei verteilte sich das strahlende Material über zehntausende Quadratkilometer.

DIE WELT WIE VOR 4 MILLIARDEN JAHREN

Wird nun das Weltraumsonden-Tandem Cassini/Huygens nach sieben Jahren Flugzeit im Juni 2004 am Saturnsystem ankommen, dann trifft es dort womöglich auf eine bizarre Welt - vielleicht vergleichbar mit dem Zustand der Erde vor mehr als vier Milliarden Jahren. Cassini wird mehrmals den ringgeschmückten Planeten und seine zahlreichen kleineren Eismonde aus einigen tausend Kilometern Distanz untersuchen. Im Gegensatz zu Huygens wird der Cassini-Orbiter seine Mission noch bis in das Jahr 2008 fortsetzen. Seiner kleineren Schwester ist ein kürzeres Leben vorbestimmt: Huygens soll die Zusammensetzung des Saturn-Mondes Titan untersuchen. 150 Tage nach dem Einschwenken in die Saturnumlaufbahn wird die kleine Sonde an einem Fallschirm in die sehr dichte Titan-Atmosphäre hinabschweben. Während der Abstiegszeit herrschen Temperaturen von bis zu 12000 Grad Celsius, die nur durch ein großes Hitzeschild ferngehalten werden können. Sollte Huygens den Aufprall auf die Oberfläche überstehen, wird sie durch die eisigen Temperaturen von bis zu minus 180 Grad Celsius innerhalb weniger Minuten außer Betrieb gesetzt werden und ihre Mission beenden. Die Wissenschaftler erhoffen sich Aufschluss über die dichte Atmosphäre - die einzigartig für einen Planetenmond unseres Sonnensystems ist. Eines der fesselndsten Aspekte der Mission ist auch die Möglichkeit, dass die Titan-Oberfläche teilweise mit Seen aus Kohlenwasserstoffen bedeckt sein könnte. In jedem Fall ist ein Vergleich mit den damaligen Bedingungen auf der jungen Erde interessant.

Stefanie Terp


© 2-3/2000 TU-Pressestelle