TU intern - Februar/März 2000 - Aktuelles
Riesenansturm auf die NanotechnologieChromosomenschneider, Laser und künstliche Viren
| ||
Das Audimax der TU Berlin war zum Bersten voll. Rund 1600 begeisterte
Zuschauer bewiesen auf der Veranstaltung "Zukunfstchance
Nanotechnologie" am 2. Februar 2000, dass Natur- wissenschaften wieder "in" sind |
||
Jugendliche, so heißt es allerorten, haben kein Interesse
mehr an Naturwissenschaften, und auch die rückläufigen
Studierendenzahlen in den Kerndisziplinen scheinen das zu belegen.
Das Gegenteil bewies der Ansturm von Besuchern auf die Veranstaltung
"Zukunftschance Nanotechnologie",
die die TU Berlin am 2. 2. 2000 in Kooperation mit der Philip
Morris Stiftung durchführte.
Gut 1600 Besucher, unter ihnen auch viele Schülerinnen und Schüler, schauten fasziniert zu, als der Moderator der Veranstaltung, WDR Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, und vier Wissenschaftler erläuterten, was Nanotechnologie ist und wo sie angewendet wird. Zur allgemeinen Spannung trugen auch die Experimente mit Flammenwerfer, Rasterkraftmikroskop, Antigraffiti und Antiwasserbeschichtung bei, die Studierende der TU Berlin vorführten. Selten wurde im Audimax der TU Berlin so viel gelacht und noch seltener gab es eine Veranstaltung, die auf so unterhaltsame Weise deutlich machte, wie aufregend Wissenschaft sein kann. REISE IN DEN NANOKOSMOS Zu Beginn der Wissenschaftshow reisten die Besucher mit Hilfe des Films "10 hoch" in die Welt des Nanokosmos ein. Dann stellte Ranga Yogeshwar die Wissenschaftler und ihre Arbeitsgebiete vor. Prof. Dr. Wolfgang Heckl machte deutlich, wie man mit Nanotechnologie Stoffe verändern kann. Sein spezielles Arbeitsgebiet sind Manipulationen am menschlichen Erbgut, die eher durch eine Unachtsamkeit zustande kamen. Bei einem Versuch mit dem Rastertunnelmikroskop verletzte Wolfgang Heckl die Probenoberfläche und kratzte versehentlich aus dem zu untersuchenden DNA-Strang ein Stück heraus. Dieser "Fehler" wurde zur Methode. Wie sie funktioniert, erläuterte Heckl dem staunenden Publikum anhand eines Experiments mit dem Rasterkraftmikroskop, bei dem die Zuschauer am Bildschirm mitverfolgen konnten, wie ein einzelnes Chromosom zerschnitten wird. Diese Methode des Zerteilens und Entnehmens von Erbmaterial, auch Nanoendoskopie genannt, kann in Zukunft vielleicht einmal dazu dienen, Defekte am Erbmaterial mechanisch zu reparieren. DAS GESAMTE FARBSPEKTRUM Prof. Dr. Dieter Bimberg erläuterte, wie quantenmechanische Effekte im Nanometerbereich dafür sorgen, dass sich die Eigenschaften von Stoffen radikal ändern. Wenn man einen Gegenstand immer weiter verkleinert, so ändert sich zum Beispiel seine Farbe. An der TU Berlin werden diese Effekte zur Herstellung von Lasern benutzt. Diese dienen unter anderem zur Entwicklung eines neuartigen Fernsehens, das erstmals das gesamte Farbspektrum in einer Reinheit darstellt, die der des menschlichen Auges entspricht. Nachdem man die Eigenschaften neuartiger Farblacke in einem weiteren Experiment bewundern konnte, stellte Prof. Dr. Uwe B. Sleytr dar, wie man winzige Gitter aus Eiweißmolekülen herstellt. Vorbild dieser Gitter sind die Eiweißhüllen von Bakterien und Viren. KÜNSTLICHE VIREN ALS BOTSCHAFTER Ihre künstlichen Nachfahren, sogenannte S(Surface)-Schichten, können in der Medizin zum gezielten Transport von Wirkstoffen in und aus dem Körper eingesetzt werden. Anschließend machte ein letztes Experiment deutlich, wovon Mütter vieler Kinder nur träumen können: Mit Hilfe der Nanotechnologie wurden Textilien, im Experiment eine Kinderhose, entwickelt, deren Oberflächen völlig wasser- und schmutzabweisend sind. Zum Ende der Veranstaltung holte Ranga Yogeshwar noch einmal alle Wissenschaftler an einen Tisch. Deren Antworten auf die Frage, was ihre Schlüsselerlebnisse gewesen seien, gehörten sicher zu den spannendsten Minuten der Veranstaltung. Als Wolfgang Heckl beschrieb, wie er mit dem Rastertunnelmikroskop zum ersten Mal Atome gesehen hatte, eine Entdeckung, die der Großteil seiner Kollegen übrigens für Unsinn hielt, hatte unter den Zuschauern sicher nicht nur einer eine Gänsehaut. Mirjam Kaplow
© 2-3/2000 TU-Pressestelle |