TU intern - Februar/März 2000 - Hochschulpolitik

Nichts bleibt, wie es ist

Der Wissenschaftsrat empfiehlt die Einführung neuer Studienstrukturen

Ein radikaler Vorschlag braucht manchmal zwei Anläufe: So erging es auch dem Wissenschaftsrat mit seinen Empfehlungen für eine große Hochschulreform. Nach einem ersten Versuch im November 1999 fand sich nun auf der Januarsitzung in Berlin eine Zweidrittelmehrheit für die Empfehlung zur Einführung neuer Studienstrukturen und -abschlüsse.

Demnach soll an den deutschen Fachhochschulen und Universitäten nichts mehr so bleiben wie es ist. Die neue Grundrichtung heißt: schnell und berufsqualifizierend. Die Expertenrunde empfiehlt ein Studiensystem, das die bisherigen Diplom- und Magisterabschlüsse ablösen werde. Künftig sollen deutsche Studiengänge zweistufig angelegt sein: Nach drei bis vier Jahren verlassen die Studierenden das erste Mal ihre Hochschule, um in den Job einzusteigen. Vor allem berufsqualifizierend soll dieser modulare Bakkalaureus/Bachelor-Abschluss angelegt sein. Die Vermittlung von grundlegenden Fach- und Methodenkenntnissen sowie die Einübung von Schlüsselqualifikationen, wie PC- oder Internetumgang, wird dabei angestrebt. Der Studierende soll neben dem Fachwissen - und das möglichst nur auf einem Gebiet - vor allem die Fähigkeit vermittelt bekommen, "eigenverantwortlich weiterzulernen".

Der Bachelor-Abschluss ist wiederum Zugangsvoraussetzung für das zweite Modul, das Magister/Master-Studium. Nicht mehr als zwei Jahre soll es künftig umfassen und im Regelfall erst nach einigen Berufsjahren erfolgen. Beim Master-Studium will der Wissenschaftsrat eine möglichste große Vielfalt an Fächerkombinationen ermöglichen.

Für die Planung einer universitären Ausbildung gibt das einflussreiche Beratungsgremium einen starren Zeitrahmen vor: Demnach wird die Zulassung zum Masterstudium vom ersten Semester an nicht möglich sein, sondern nur etappenweise. Weiterhin wird die Dauer des zweiphasigen Studiums auf fünf Jahre begrenzt sein.

Diese radikale Studienreform hat vor allem zwei Konsequenzen: einmal die internationale Kompatibilität der Abschlüsse und zum anderen eine radikale Verkürzung aller Qualifikationszeiten. Das betrifft dann auch die dritte Stufe, die Promotion. Zumal der Wissenschaftsrat sich für eine direkte Aufnahme besonders qualifizierter Bachelor-Studenten in ein Promotionsstudium ausspricht. Das betrifft auch diejenigen guten Studierenden, die ihr erstes Modul an einer Fachhochschule absolviert haben. Damit und mit der Betonung auf die Berufsbefähigung vor allem des ersten Studienabschnitts verwischt der Expertenrat die bisherigen Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen, die häufig Anstoß für Diskussionen boten. In Ausnahmefällen, so die Empfehlungen weiter, könne auch das Master- mit dem Promotionsstudium flexibel verbunden werden, ohne dass eine Masterabschlussarbeit vorgelegt werden muss.

Für die künftigen Studierenden bedeuten diese Vorschläge vor allem folgendes: Sie werden nicht wie bisher erst mit 28 und älter die Hochschule verlassen, sondern zwischen 23 und 25 Jahren alt sein. Hinzu kommt, dass sie mit den Möglichkeiten der modularen Studiengänge künftig eine universitäre Weiterbildung in Form der Magister/Masterstudiengänge nutzen können. Lebenslanges Lernen bekommt somit beste Voraussetzungen. Es kann aber nur umgesetzt werden, wenn dieser radikalen Hochschulreform - noch ist es ja eine Empfehlung - auch Änderungen in der Wirtschaft und im öffentlichen Beschäftigungssektor folgen, die solche "Bildungssabbaticals" ohne negative berufliche Folgen ermöglichen. Früher oder später wird sich die Diskussion auch wieder auf das Thema Studiengebühren verlagern, nämlich dann, wenn es beispielsweise um die Anpassung des Bafög an die modularen Studiengänge geht. Können Berufstätige diese staatliche Förderung erhalten oder müssen die Masterstudiengänge über Gebühren finanziert werden?

Geht es nach dem Wissenschaftsrat, könnte seine Januar-Empfehlung schon in drei bis fünf Jahren an den deutschen Hochschulen umgesetzt sein. Und er betont auch, dass die neuen Abschlüsse auf anderen Studienprogrammen basieren müssen als die bestehenden Studiengänge. Der Abschied vom heutigen Diplom und Magister steht also bevor, außerdem warten auf uns zahlreiche neue Studien- und Prüfungsordnungen. Zunächst einmal wird jedoch der Stab an die Verantwortlichen aus Politik und Hochschulen übergeben. Nichts wird so bleiben, wie es ist!

Stefanie Terp

Wissenschaftsrat

Der Wissenschaftsrat ist das einflussreichste Beratungsgremium von Bund und Ländern in punkto Wissenschaftspolitik. Der Wissenschaftsrat hat die Aufgabe, im Rahmen von Arbeitsprogrammen Empfehlungen zur inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung zu erarbeiten. Der Rat hat ferner die Aufgabe, auf Anforderung eines Landes, des Bundes, der Bund-Länder-Kommission oder der Ständigen Konferenz der Kultusminister gutachtlich zu Fragen der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung Stellung zu nehmen. Bundes- und Landesregierungen erklären im Abkommen, dass sie die Empfehlungen des Wissenschaftsrates im Rahmen der haushaltsmäßigen Möglichkeiten berücksichtigen werden.

stt


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