TU intern - Januar 2000 - Aktuelles

Warum gehen wir nicht stiften?

”Die Stiftungsbereitschaft wird beeinträchtigt, weil Stiftungen ihr Vermögen extrem konservativ anlegen müssen."
Christof Helberger

Ins Stiftungsrecht kommt Bewegung. Auf Initiative der kulturpolitischen Sprecherin der Bündnisgrünen, Antje Volmer, hat die Regierungskoalition im Dezember vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf vorgelegt. Er versteht sich als ”Grundstein einer umfassenden Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit gemeinnütziger Stiftungen". Zunächst wird jedoch nur die steuerliche Seite in Anriff genommen. Danach kann ein Stifter zusätzlich zu den zehn Prozent des Jahreseinkommens 40 000 Mark steuerlich absetzen. Die Stiftungen dürfen aus einem Drittel (statt wie bisher einem Viertel) ihres Vermögens Rücklagen für die Erhaltung ihrer Vermögenssubstanz bilden.

Doch reichen diese Regelungen aus? TU intern sprach mit Dr. Christof Helberger, seit 1979 an der TU Berlin Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik und im Vorstand der Stiftung Public Health verantwortlich für das Vermögensmanagement.

Herr Prof. Helberger, das deutsche Stiftungsrecht soll nun endlich reformiert werden. Gehen die vorgesehenen Regelungen weit genug?

Beim deutschen Stiftungsrecht liegt manches im Argen. Die Stiftungen sind dazu verpflichtet, ihr Kapital zu erhalten, d. h. es darf nicht aufgebraucht werden. Das deutsche Stiftungsrecht erlaubt den Stiftungen dies de facto aber nicht. Die vorgesehene Regelung, kaufkrafterhaltende Rücklagen in Höhe eines Drittels statt eines Viertels der Erträge des Stiftungskapitals zu bilden, reicht nicht aus, um die de facto-Entwertung des Stiftungskapitals durch Inflation und Kostensteigerung auszugleichen. Auch der Betrag von 40000 Mark, der zusätzlich zu den zehn Prozent des Einkommens einer Stiftung steuerbegünstigt zugewendet werden darf, ist sicherlich keine Regelung, die zu großzügigen und hinsichtlich der Höhe des Stiftungskapitals interessanten Stiftungen anspornt.

Wie müsste ein zureichendes Stiftungsrecht Ihrer Ansicht nach aussehen?

Erstens müsste es möglich sein, den effektiven realen Kapitalerhalt der Stiftungen ohne Gefährdung der Steuerfreiheit zu gewährleisten. Zweitens sollten die Zuwendungen von Stiftungen in wesentlich höherem Umfang steuerlich befreit sein. Und drittens sollte die Stiftungsaufsicht darauf verzichten, die Stiftungen zu der traditionellen und ertragsfeindlichen Anlagepolitik zu zwingen.

Der Staat zieht sich finanziell aus immer mehr öffentlichen Bereichen zurück, so auch aus der Hochschulfinanzierung. Bieten Stiftungen hier nicht eine Möglichkeit, diesen Rückzug aufzufangen?

Ich glaube, dass die Finanzierung von Aufgaben im universitären Bereich über Stiftungen eine außerordentlich interessante und auch ergiebige Strategie sein kann. Man sollte sich daran erinnern, dass es in der deutschen Geschichte Universitäten gab, die ausschließlich aus Stiftungsmitteln gegründet werden konnten, etwa die Universität Frankfurt a. M. oder die Universität zu Köln.

Sind die Stiftungsprofessuren ein Schritt in diese Richtung?

Stiftungsprofessuren sind in Deutschland in Wahrheit Spendenprofessuren, d. h. ein Stifter stellt einen Geldbetrag zur Verfügung, mit dem der Ausgabenbedarf für 5-6 Jahre finanziert wird. Danach muss die Universität für die Kosten aufkommen. Ich bin allerdings der Meinung, dass man eine Stiftungsprofessur bei gleichem Aufwand des Stifters auch dauerhaft aus den Stiftungserträgen finanzieren kann.

Mein Modell, das nach meiner Kenntnis bisher bei keiner einzigen Stiftungsprofessur in Deutschland realisiert worden ist, sieht so aus, dass die Universität die Stiftungsprofessur für einige Jahre vorfinanziert und die Stiftungsmittel des Stifters in dieser Zeit möglichst ertragreich angelegt werden. Aus dem auf diese Weise vermehrten Stiftungskapital können die laufenden Kosten des Lehrstuhls dann dauerhaft gedeckt werden.

Warum ist die Stiftungsfreudigkeit in Deutschland, verglichen mit dem angloamerikanischen Raum, so gering?

Die Stiftungsbereitschaft wird nicht nur durch die beiden genannten Restriktionen beeinträchtigt, sondern auch durch die in Deutschland herrschende Vorstellung, dass Stiftungen ihr Vermögen extrem konservativ anzulegen haben. Das Kapital, das einer Stiftung bereitgestellt wird, erzielt aus diesem Grund nur sehr geringe Erträge. Diese Anlagepraxis ist nicht vom Gesetz vorgeschrieben, sondern Ausfluss der Kapitalmarktkultur in Deutschland. Die Erwartung einer derart schlechten Bewirtschaftung des Kapitals wirkt auf potente Stifter sicherlich nicht motivierend.

Sie sind Gründungs- und Vorstandsmitglied der Stiftung Public Health der TU. Nach welchem Modell funktioniert das?

Diese Stiftung versucht, abweichend von der üblichen extrem konservativen Anlagepraxis von Stiftungen, das Vermögensmanagement so zu gestalten, dass ein hoher Kapitalertrag erzielt wird. Das ist in erheblichem Umfang gelungen. Das Anfangskapital der Stiftung betrug zwei Millionen Mark. Die Stiftung existiert jetzt seit etwa sechs Jahren und konnte einen Betrag von annähernd 900 000 Mark ausschütten, ein Vielfaches dessen, was konservativ gemanagte Stiftungen hätten ausschütten können. Gleichzeitig ist das Stiftungskapital auf 3,5 Millionen Mark gestiegen.

Von Christof Helberger liegt ein Diskussionspapier vor, in dem er aufzeigt, wie Stiftungsprofessuren finanziert und Universitätsstiftungen organisiert werden könnten: ”Die Finanzierung von Hochschulen durch Stiftungen", hrsg. von der Wirtschaftswissenschaftlichen Dokumentation, FB 14 Wirtschaft und Management.


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