TU intern - Juli 2000 - Vermischtes

Das Allerletzte

Amsel mit Handy-Kehle

Mal ehrlich, wir sind doch alle Verwandlungskünstler, die einen mehr, die anderen weniger. Das ewig Gleiche ist in unserer heutigen Zeit total out. Berlin hat es in den letzten Wochen demonstriert: Da schwärmen Männer als Frauen getarnt über den Kudamm, flügge gewordene Teenager aus der Provinz walken als selbsternannte Techno-Jünger durch den Tiergarten. Das Motto dieser Gemeinde prangt in großen Lettern am S-Bahnbogen: "Be a star" - und du bist nie allein.

Ein seltenes Beispiel dieser Trendsüchtigkeit erleben wir momentan auf dem Campus. Schauplatz ist ein lauschiges Plätzchen hinter dem Hauptgebäude, versteckt neben den Ginkobäumen des Starkünstlers Ben Wagin. Nein, kein Professor hält als selbsternannter Jünger im Wickelrock dort seine Vorlesungen. Weit gefehlt, eine pfiffige Amsel probt die neue Zeit. Um ein Star zu werden - so dachte sich die Schwarzdrossel wohl - müsse sie ihr Talent unter Beweis stellen und wenigstens vortäuschen, dass sie nie allein ist, zudem ständig erreichbar und auf dem modernsten Stand der Kommunikationstechnik. Abgeschaut hat sie es der Studentenschar zu ihren Füßen. Ständig klingelt bei ihnen das Handy - im Angebot ist ein großes Repertoire des deutschen Liedgutes: Von Mozart bis Wilhelm Tell. Aber auch Tango- und Polkatöne sind zu hören.

Doch das fliegende Schwarzkleid mit dem gelben Schnabel verkündet stolz und aus voller Brust den schnöden Ring-Ring-Ton. Sie hat es damit bis zur Perfektion gebracht und täuscht die Akademikergemeinde auf gemeine Art. Erst kürzlich wieder: Einträchtig saßen die Wissenschaftler aus aller Herren Ländern und lauschten den Worten unseres Präsidenten. Der Sitzungssaal neben dem Lichthof diente als würdige Kulisse akademischen Austauschs. Die Ruhe - der Tribut an den Redner und dessen virtuosen Gedankenflug - wurde jäh unterbrochen. Trotz Handy-Verbotsschild strapazierte das Gefieder ihren Akku und die Zuhörer ihre Nachbarn mit verstohlenen Blicken. Nichts half, die Amsel wählte das Duell mit dem Präsidenten. Dieser jedoch, in Kommunikation erprobt, rückte das Mikrofon näher an sich. Die Technik verhalf ihm zum Siegeszug und der Amsel zur Einsicht: Nicht nur das Talent zählt, sondern auch die Technik will gelernt sein!

Stefanie Terp


Leserbriefe

  TU intern -
        Juli 2000


© 7/2000 TU-Pressestelle