TU intern - Juli 2000 - Studium
Der schwarze Peter wird von Hand zu Hand gereicht
Ministerpräsidenten lehnten Staatsvertrag zu Studiengebühren
ab
Es ist wie mit dem schwarzen Peter, wer ihn hat, will ihn so
schnell wie möglich loswerden und schiebt die Karte geschickt
seinem Mitspieler zu. Ein ebensolches Szenario konnten wir in
den letzten Monaten erleben. Im Spiele vereint saßen da
Ministerpräsidenten, Kultusminister, unsere Ministerin für
Bildung und Forschung, Studierende und viele andere, die ein gewichtiges
Wort in der Hochschulpolitik mitzureden haben.
Das Reizthema Studiengebühren wanderte als schwarzer Peter
fleißig von einer Hand zur anderen. Viel Aufregung bescherte
uns das Spiel und sogar vereinzelte Meinungsregungen unter der
sonst so unpolitischen Studentenschaft. Doch am Ende blieb alles
beim Alten: Die Ministerpräsidenten der Länder hatten
sich Mitte Juni nicht auf einen Staatsvertrag über die Gebührenfreiheit
des Erststudiums einigen können, obwohl zuvor ihre Kollegen
Kultusminister sich nach langer Zeit der Bewegungslosigkeit zu
Wort meldeten. Ihr Rauchzeichen aus dem thüringischen Meiningen
war deutlich erkennbar: Das Erststudium, so ihr Beschluss, soll
gebührenfrei bleiben (TU intern berichtete), nur wer zu lange
studiert, wird zur Kasse gebeten. Die Runde trat damit eine Diskussion
in Gang, deren Regie die Medien dankbar übernahmen und zu
einem "Vor-Sommernachtstraum" inszenierten. Der Zeit-Redakteur
Martin Spiewak hat es dann trefflich so formuliert: "Wenn
alles bleibt, wie es ist, und dies als ,Durchbruch' verkauft wird,
weiß man: Die Kultusministerkonferenz
(KMK) hat getagt." Denn Einigung hin und Nicht-Einigung her,
Fakt ist, die Länder können schon jetzt in eigener Regie
Studiengebühren für diejenigen erheben, die ihre Regelstudienzeit
um vier Semester überschreiten und das Erstsemester bleibt
tabu.
Der Beschluss von Meiningen und die Reaktion der Ministerpräsidenten
wenige Wochen später irritieren und zeigen deutlich, dass
die Politiker doch ein wendiges Völkchen sind, indem die
einen kräftig nicken, winken die anderen eher lässig
ab.
Das Kapitel schien schon fast geschlossen zu sein, da meldete
sich das Centrum für Hochschulentwicklung
(CHE) zu Wort. Eine von CHE in Auftrag gegebene Umfrage fördert
das zu Tage, was viele Politiker wohl nicht für möglich
halten: 57 Prozent der Deutschen sind mit der Einführung
von Studiengebühren von 1000 Mark pro Semester einverstanden,
wenn die Mittel direkt in die Hochschulen fließen und dort
zur Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt werden (siehe unten).
Die repräsentativen Umfrageergebnisse zeigen damit, dass
sich die Politik, die über generelle Gebührenverbote
nachdenkt, zunehmend vom Willen der Bürger entferne, so Prof.
Müller-Böling, Leiter des CHE. Nachdem nun auf Länderebene
eine Patt-Situation entstand, überlegt die Regierung indes,
ein Verbot über das Hochschulrahmengesetzt verankern zu können.
Doch eine Sommer-Vorstellung dürfte es nicht werden.
Stefanie Terp
Vorausgesetzt, die Mittel würden den Hochschulen direkt zufließen
und zur Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt, befürworten
57 Prozent der Deutschen die Einführung von 1000 Mark Studiengebühren
pro Semester. Das ergab eine repräsentative Umfrage, die
das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) beim Meinungsforschungsinstitut
forsa in Auftrag gegeben hat. Sogar 62 Prozent der Bevölkerung
sind für Studiengebühren, wenn die Kosten über
ein Darlehen finanziert werden, das erst nach dem Studium und
bei Überschreiten einer bestimmten Einkommensgrenze zurück
zu zahlen ist. 62 Prozent der SPD-Wähler und 69 Prozent der
CDU/CSU-Wähler befürworten dieses Konzept. Unter der
Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen liegt die Zustimmung
bei 71 Prozent. Mit 74 Prozent stoßen Studiengebühren
jedoch auf eine klare Ablehnung, wenn die Mittel in die Haushalte
von Bund und Ländern fließen würden.
Forsa hatte bereits Anfang 1998 im Auftrag des CHE dieselbe Frage
gestellt. Die Zustimmung zu Studiengebühren, die in die Hochschulen
fließen, lag damals bei 54 Prozent. Über ein Darlehen
finanzierte Gebühren wurden zu 56 Prozent befürwortet.
Damit wird insbesondere das zweite Modell heute mit 62 Prozent
deutlich positiver bewertet. Es zeigt sich also, dass die Bevölkerung
die Diskussion um Studiengebühren heute differenzierter wahrnimmt.
Während die Zustimmung zum Darlehensmodell um 6 Prozent stieg,
erhöhte sich die Ablehnung von Gebühren, die in die
Länderhaushalte fließen, um 4 Prozent.
ths
Die Ergebnisse der forsa-Umfrage: http://www.che.de
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