TU intern - Juli 2000 - Aktuelles
Die Chancen liegen in der Diagnostik
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"Die Entschlüsselung des menschlichen Gens ist ein
Meilenstein in der Wissenschaft"
Christine Lang |
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Der Auftritt war medienwirksam inszeniert. Der amerikanische Präsident
Bill Clinton trat flankiert von Craig Venter, Chef der US-Biotechnologie-Firma
Celera Genomics in Rockville
(Maryland), und Francis Collins, Chef des amerikanischen Humangenomprojekts
am National Institute of Health
(NIH), vor das Weiße Haus. Die beiden Wissenschaftler kannte
man bislang nur als Konkurrenten im Wettlauf um die Entschlüsselung
des menschlichen Erbgutes. Mit der Ankündigung, ihre jeweiligen
Ergebnisse gemeinsam zu veröffentlichen, scheint sich eine
Einigung zwischen den beiden Forschergruppen anzubahnen. Während
Venter seine Erkenntnisse nur gegen Bares weitergegeben hat, veröffentlichte
Collins seine Ergebnisse regelmäßig im Internet, womit
sie frei zugänglich waren.
Was bedeutet es nun, dass rund 90 Prozent des menschlichen Erbgutes
entschlüsselt sind? Darüber sprach TU intern mit Dr.
Christine Lang vom Institut für Biotechnologie
der TU Berlin. Sie erforscht die Proteinstruktur der Gene.
Wie werten Sie die gemeinsame Pressekonferenz von Craig Venter
und Francis Collins?
Zunächst einmal ist die weitgehende Entschlüsselung
des menschlichen Erbgutes ein Meilenstein in der Wissenschaft.
Der Auftritt vor dem Weißen Haus ist sicherlich eine politische
Entscheidung gewesen. Wenn Craig Venter und Francis Collins ihre
Ergebnisse tatsächlich gemeinsam veröffentlichen, können
alle vorliegenden Daten des menschlichen Erbgutes in einer Datenbank
zusammengefasst werden. Allein das würde die Forschung einen
großen Schritt voranbringen.
Was kann die Wissenschaft mit den jetzt vorliegenden so genannten
Basisdaten anfangen?
Rund 90 Prozent des menschlichen Erbguts sind entschlüsselt,
d. h. zunächst aber nur, dass wir um deren Existenz wissen.
Nur von einem Bruchteil können wir sagen, welche Informationen
sie tragen. Der nächste Schritt in der Forschung wird sein,
die Funktionsweise der Gene und der dazugehörigen Proteine
zu erforschen. Ist in diesem Bauplan für die Eiweiße
nur ein Baustein verändert, so kann die Funktion des Proteins
im Körper beeinflusst werden. Die Erforschung von Krankheiten
wird zunächst im Vordergrund stehen. Ein weiterer Schritt
wird dann die Erforschung von Therapiemöglichkeiten sein.
Wobei man auf absehbare Zeit nur genetisch veranlagte Krankheiten
behandeln können wird.
Die einen sind besorgt, die anderen euphorisch. Welche Chancen
und Risiken sehen Sie?
Die Chancen liegen zum einen in einer besseren Diagnostik für
genetisch bedingte Krankheiten, zum andern in der Entwicklung
neuer Arzneimittel. Die genetischen Patientendaten müssen
aber, und da sehe ich die Risiken, von den Ärzten unter Verschluss
gehalten werden. Sie dürfen nicht an Arbeitgeber oder Versicherungen
weitergegeben werden.
Die Öffentlichkeit ist verunsichert, beim Bürger
geht die Angst um. Ihre Beispiele zeigen, welche Befürchtungen
im Umlauf sind. Wie steht es in Deutschland um die Aufklärungsarbeit?
Die Öffentlichkeit wird einerseits mit einer Informationsflut
konfrontiert, die sie überfordert, andererseits gibt es gravierende
Informationslücken. Es ist höchste Zeit, dass die Gesellschaft
eine intensive Diskussion darüber führt, wie sie künftig
mit der Gentechnik umgehen will. In den Niederlanden und in Dänemark
geht man mit dem Thema Gentechnik in der Öffentlichkeit ganz
anders um. Dort gibt es Gremien, die paritätisch mit Laien
und Experten besetzt sind. Die Wissenschaftler müssen die
Laien regelmäßig über den Stand der Entwicklung
aufklären.
Das Gespräch führte Thomas Schulz
Leserbriefe
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