TU intern - Juli 2000 - Hochschulpolitik
Die Universität als sozialer Ort in der Stadt
Nachhaltige Entwicklung muss auch "von unten" vorangetrieben
werden
Die Universität - nicht nur Dienstleister. Die Studierenden
- nicht nur Kunden |
Es ist ein der TU Berlin nicht unbekanntes Thema: Wie können
wir die verabschiedeten "Umweltleitlinien"
umsetzen, mit denen sich die TU als Institution wie als "Multiplikator"
in Forschung und Lehre dem "Schutz und Erhalt der natürlichen
Lebensgrundlagen im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung"
verpflichtet hat?
Nachhaltige Entwicklung - dieser Prozess kann zwar "von oben"
gestützt, muss aber "von unten" vorangetrieben
werden, ist also auf die engagierte Unterstützung aller Statusgruppen
der Universität, insbesondere der Studierenden, angewiesen.
Hochschule muss mehr sein als eine "Dienstleistungseinrichtung",
Studierende müssen mehr sein als "Kunden". Hochschule
sollte sich zu einem "sozialen Ort" entwickeln und Identifikation
ermöglichen.
VIELFÄLTIGE ANSÄTZE SIND GEFRAGT
Das machen Aufsätze deutlich, die unter dem Titel "Sustainable
University" erschienen sind. Die hier versammelten Beiträge
beleuchten verschiedene Aspekte der Aufgabenstellung "nachhaltige
Entwicklung", im wesentlichen geprägt durch Erfahrungen
und Projekte der Universität Lüneburg.
Dies macht den Charme, aber auch die Begrenzung des Buches aus:
Es ist praxisnah und mit dem ganzen Engagement der Protagonisten
des Umwandlungsprozesses geschrieben. Der Hintergrund für
die vorgestellten Projekte ist aber - so ein Aufsatztitel - die
"Lebenswelt Hochschule", die man jedenfalls an den eher
anonymen Massenuniversitäten, im Gegensatz zum gemütlichen
Lüneburg, nicht so einfach identifizieren kann.
So machen die Aufsätze bei allem optimistischen Schwung ein
Problem deutlich, das der Verweis auf die in den letzten Jahren
allgemeine "ökologische Lustlosigkeit" (Fischer/Hahn)
noch verschärft: Große Massenuniversitäten brauchen,
anders als kleine und überschaubare Campus-Universitäten,
einen besonderen Anreiz für solche Prozesse hin zur nachhaltigen
Entwicklung. Dabei sind vielfältige Ansätze und keine
Patentrezepte angesagt. Ein Beispiel ist der "Energietisch"
der Universität Hamburg,
der zusammen mit fünf Fachbereichen pro Jahr 170000 Mark
Verbrauchskosten eingespart hat - 50 Prozent davon fließen
zu den Beteiligten an der "Basis" zurück. Nach
Recherchen der Autoren beschäftigen sich erst 11 Prozent
der deutschen Hochschulen mit Umweltmanagement - darunter auch
die TU Berlin.
Interessant sind die in den Beiträgen und in einem abschließenden
Aufsatz "Wissenschaft und Verantwortung" (Donner/ Weiß)
immer wieder angesprochenen wissenschaftstheoretischen Implikationen:
Alle redlichen Bemühungen, im Rahmen der "Verantwortung
der Wissenschaft" das "Sustainability-Ethos" zu
mobilisieren, müssen unterfüttert sein von einem neuen
wissenschaftlichen Paradigma. Hier geht es nicht nur um die Überwindung
der disziplinären Verfasstheit durch Interdisziplinarität,
sondern auch um die Abkehr vom klassisch-mechanistischen Paradigma,
also von der Vorstellung, die Welt bzw. die Natur sei eine Maschine.
Statt dessen sollte die Orientierung an der "Wirklichkeit
als lebendigem Organismus" (Donner/Weiß) die Wissenschaft
leiten.
SCHWIERIGE NEUORIENTIERUNG
Mit einer solchen Neuorientierung haben insbesondere die Natur-
und Ingenieurwissenschaften als Hort des mechanistischen Weltbildes
Schwierigkeiten. Die derzeitige Tendenz der Ökonomisierung
und Informatisierung von Wissenschaft (und Gesellschaft) zeigt
- am Beispiel der "Berliner Rede" des damaligen Bundespräsidenten
Roman Herzog exemplifiziert - ebenfalls eher in die Gegenrichtung.
Problembezug und Interdisziplinarität der Wissenschaft, im
Buch zurecht als Voraussetzung für Nachhaltigkeit in Forschung
und Lehre immer wieder angesprochen, könnten dem Sparzwang
zum Opfer fallen, weil sich - vielleicht von den Protagonisten
der Ökonomisierung ungewollt - die Universitäten dazu
gezwungen sehen, sich auf ihre disziplinären "Kernbereiche"
zurückziehen (was leider auch das Gutachten des Wissenschaftsrates
zur Berlin-Brandenburger Wissenschaftslandschaft propagiert).
So könnte den wenigen interdisziplinären Ansätzen
in Forschung und Lehre, auch an der TU Berlin, schnell der Boden
unter den Füßen entzogen werden, der in den vergangenen
beiden Jahrzehnten mühsam Fleckchen für Fleckchen erobert
bzw. erschlichen worden ist.
Schlechte Karten also für die "Überlister",
wie der Produktionswissenschaftler Wiendahl einmal formulierte,
der überkommenen Strukturen? Das Buch verweist darauf, dass
sich gegen normativ-verbissene Umsteuerungslogik auf der einen,
die ihr entsprechende ökonomistische Dogmatik auf der anderen
Seite der Reiz des Neuen durchsetzen könnte - das "Schwierige
Vergnügen einer Kommunikation über die Idee der Nachhaltigkeit"
(Fischer/Hahn) und damit der Kommunikation zwischen den Disziplinen.
Denn deren Ränder sind allemal spannender als die Kerne,
das Beharren auf dem Alten langweilig und das Lebendige gegenüber
dem Maschinenmäßigen letztlich doch überlegen.
Wolfgang Neef
Gerd Michelsen (Hrsg.): Sustainable University. Auf dem Weg zu
einem universitären Agenda-Prozess. Frankfurt/Main 2000
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Leserbriefe
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