TU intern - Juli 2000 - Aktuelles

Angst und Hoffnung

Die Debatte um die Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes ist voll entbrannt. Fortschritt für die Menschheit oder der erste Schritt für deren Untergang? TU intern hörte sich auf dem Campus um und fragte Studierende, wie sie über die jüngsten Ergebnisse der Genomforschung denken.

Michael Reiske,
Mathematik,
2. Semester
Für die Wissenschaft ist die Entschlüsselung der menschlichen Gene sicher eine tolle Sache. Der Glaube, dass man jetzt sozusagen den ganzen Menschen aufschlüsseln könnte, ist, denke ich, eine Illusion. Denn hinter dem Menschen steht mehr als nur die Summe seiner genetischen Merkmale. Die Erfahrungen, die er im Laufe seines Lebens macht, prägen ihn mindestens genauso stark wie seine genetischen Veranlagungen. So werden Disziplinen wie Philosophie oder Psychologie weiterhin von großer Bedeutung sein.
Markus Engert,
Luft- und Raumfahrttechnik,
4. Semester
Ich glaube, dass die Entschlüsselung aus Sicht der Medizin, also der Forschung, ein interessanter Aspekt ist. Dass man mit den jetzt vorliegenden Ergebnissen entsprechend vorsichtig umgehen muss, ist hoffentlich vor allem für die beteiligten Wissenschaftler, aber auch für die beteiligte Wirtschaft eine Selbstverständlichkeit. Die Bevölkerung erwartet das, wie ich meine. Die Gefahren, die kurz mit dem Stichwort Missbrauch beschrieben werden, liegen ja auf der Hand. Was die Frage nach Patenten anbelangt, so glaube ich, dass zumindest die jetzt vorliegenden Ergebnisse der Allgemeinheit zugänglich sein sollten und nicht von einzelnen Firmen unter Verschluss genommen werden dürfen.
Mathias Hermann,
Maschinenbau,
10. Semester
Irgendwann einmal wird man sozusagen den ganzen Menschen offen legen können. Ob das so gut ist? Wer schützt mich davor, dass andere meine "Daten" nicht missbrauchen? Ich sehe aber auch die Chance, bislang unheilbare Krankheiten therapieren zu können. Und das wäre in der Tat eine Errungenschaft.
Gordan Seiler,
Geschichte und Germanistik,
8. Semester
Ich finde es nicht gut, dass den Wissenschaftlern die Entschlüsselung geglückt ist. Es gibt Sphären, in die die Wissenschaft nicht eingreifen sollte. Wobei ich nicht der Meinung bin, dass man die Forschungen auf diesem Gebiet verbieten kann. Es gibt ja genügend Beispiele dafür, dass der Mensch seiner Neugierde auch dann nachgeht, obwohl ein "Verbot" verhängt worden ist. Warum versucht der Mensch immer wieder, die Kontrolle über das Leben zu erlangen? Warum kann er sich nicht damit abfinden, dass sich bestimmte Dinge seinem Zugriff entziehen?
Florian Schäfer,
Bauingenieurwesen,
6. Semester
Die Entschlüsselung des menschlichen Gens an sich ist eine gute Sache. Wir werden in absehbarer Zeit die Möglichkeit haben, bestimmte Krankheiten bekämpfen zu können. Ein Patent auf die jetzt vorliegenden Ergebnisse darf es aber nicht geben. Die Gene sind keine Erfindung. Wobei ich das Interesse der beteiligten Firmen, sich die Ergebnisse zu sichern, verstehen kann. Denn sie sind es ja, die viel Geld in die Forschung investiert haben. Irgendwann muss das, aus ihrer Sicht gesprochen, natürlich auch zurückfließen.
Elisabeth Braak,
Psychologie,
7. Semester
Ich denke, da kommt auf uns eine große Gefahr zu, denn mit den Ergebnissen kann auch einiges Schlimmes angerichtet werden. Andererseits ist es der Gang der Zeit, der Mensch will sich selbst bis ins Letzte verstehen. Wenn ich Chancen und Risiken gegeneinander abwäge, scheinen mir die Letzteren zu überwiegen. Ich glaube zum Beispiel, dass man irgendwann Menschen regelrecht produzieren wird. Soweit darf es aber nicht kommen. Da ist der Staat in der Pflicht, Schranken zu setzen.
Christian Adam,
Umwelttechnik,
11. Semester
Die Wissenschaft hat mit der Entschlüsselung des menschlichen Gens einen großen Schritt nach vorne getan. Wie man damit umgeht, ist eine andere Frage. Einzelne Firmen dürfen sich die jetzt vorliegenden Ergebnisse aber nicht zu ihrer ausschließlichen Verfügung sichern. Anders liegen die Dinge, wenn es um die Entwicklung etwa von Medikamenten geht. Dabei handelt es sich um gezielte Anwendungen.
Sebastian Brotkorb,
Lebensmitteltechnologie,
4. Semester
Für mich ist die Entschlüsselung ein überwältigendes Ereignis. Natürlich sind damit auch Gefahren verbunden. Aber das ist immer der Fall, wenn etwas Neues entwickelt bzw. erforscht worden ist. Dass die Ergebnisse veröffentlicht worden sind, finde ich richtig. Aber: Ohne private Firmen geht es nicht, auch weil man damit Geld verdienen kann. Das Firmen das tun, ist völlig legitim.


Leserbriefe

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