TU intern - Juni 2000 - Hochschulpolitik

Studiengebühren: Achtungszeichen für Langzeitstudierende

Studiengebühren sind salonfähig geworden: Die Bundesländer können zwischen zwei Modellen wählen oder darauf verzichten.

Das Schreckgespenst hat seinen Mantel gelüftet - nach jahrlangem Streit über Studiengebühren in Deutschland wurde der Öffentlichkeit Ende Mai ein Kompromiss präsentiert: Die Kultusminister der Länder einigten sich darauf, dass das Erststudium innerhalb der Regelstudienzeit auch weiterhin gebührenfrei bleibt. Dies soll nun ein Staatsvertrag der 16 Bundesländer sicherstellen, dem zunächst die Ministerpräsidenten zustimmen müssen. Später erfolgt die Abstimmung in allen Landesparlamenten.

Zugleich erhalten die Länder freie Hand in zwei wichtigen Punkten: Ihnen steht es weiterhin offen, Strafgebühren von Langzeitstudierenden zu erheben oder darauf zu verzichten. Der Kompromiss erlaubt ihnen auch, zwischen zwei Gebührenmodellen zu wählen. Einzige Bedingung des Beschlusses über die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums: Die Länder sichern die Kompatibilität der Modelle.

Künftig könnten sich die Länder an dem schon erprobten baden-württembergischen Modell (CDU-Modell) orientieren. Bereits heute werden dort Gebühren von jenen Studierenden verlangt, die ihre Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschreiten. Für diesen Zeitverzug müssen sie 1000 DM pro Halbjahr auf den Tisch legen. Oder die Länder folgen dem Modell des rheinland-pfälzischen Wissenschaftsministers Jürgen Zöllner (SPD), der von Studienkonten ausgeht, die nach genutzten Semesterwochenstunden berechnet werden. Das Studium soll dabei so lange nichts kosten, bis das Guthaben von 200 Semesterwochenstunden - das entspricht einem fünfjährigen Studium - aufgebraucht ist.

Im Mittelpunkt dieses in der Praxis noch nicht erprobten Modells steht die Gebührenfreiheit. Auf wie viele Jahre der Studierende seine Stunden verteilt, inwieweit er seine Zeit für Praktika, Auslandsaufenthalte oder die Erziehung von Kindern aufteilt, bleibt dabei ihm überlassen.

Das Guthaben-Modell des baden-württembergischen Wissenschaftsministers Jürgen von Trotha (CDU) geht prinzipiell von einem gebührenpflichtigen Studium aus. Dem Studierenden wird aber ein Guthaben in Form von gebührenfreien Semestern gewährt. Ist dieses Zeitkapital aufgebraucht, wird der Betroffene zur Kasse gebeten. Ein Teilzeit-Studium, das sich aus privaten oder finanziellen Gründen über mehr als fünf Jahre erstreckt, ist dann, jedenfalls in der Endzeit, nicht mehr ohne Geldbeutel zu bewältigen. Ein weiterer wichtiger Passus in dem Beschluss bezieht sich auf die neuen Studiengänge Bachelor und Master: Demnach soll nicht nur das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss grundsätzlich gebührenfrei sein, sondern bei aufeinanderfolgenden Studiengängen auch die Zeit bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss.

Wie konkrete Ausnahmeregelungen für finanzschwache Studierende aussehen könnten, muss noch verhandelt werden. Der Beschluss fordert ausdrücklich, dass die Länder die Lebensverhältnisse der Betroffenen und die jeweiligen Studienbedingungen berücksichtigen. Außerdem sollen Ausnahmen analog der Bafög-Regelungen vorgesehen werden. Ein vor allem für die Hochschulen wichtiger Punkt wurde bei der bisherigen Diskussion ebenfalls kaum thematisiert: Ob und in welcher Höhe das eingenommene Geld an die Ausbildungsstätte zurückfließt. Denn nur wenn es auch dort verteilt wird, wo es erbracht und demzufolge gebraucht wird, sind Studiengebühren brauchbar für die Reformierung des Hochschulsystems. Offen ist ebenfalls die Gültigkeitsdauer des angestrebten Staatsvertrages - nach fünf Jahren Probezeit könnte er gekündigt werden.

Stefanie Terp

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