TU intern - Juni 2000 - Forschung

Den Funktionen der Gene auf der Spur

Berliner Proteinstrukturfabrik erforscht Struktur der menschlichen Eiweiße

Bei der Erforschung des humanen Genoms wird die Wissenschaft in absehbarer Zeit einen Meilenstein weiter sein: Fieberhaft wird an der Entschlüsselung der Buchstaben des Erbguts (der Nukleotidsequenz) geforscht.

Ziel ist es, die Lage der Gene auf den Chromosomen und ihre Nukleotidabfolge bestimmen zu können. Noch aber ist man weit davon entfernt, die Funktion dieser Gene zu verstehen. Denn erst einmal müssen die Produkte der Gene - die Proteine bzw. Eiweiße, also die wesentlichen Struktur- und Funktionselemente aller Zellen und Organismen - "dargestellt" werden, um ihre räumliche Struktur bestimmen und darauf basierend Angriffspunkte für ein zielgerichtetes Wirkstoffdesign definieren zu können. Die Berliner Proteinstrukturfabrik, die seit 1999 über eine Laufzeit von fünf Jahren gefördert wird und weltweites Projekt der Expo 2000 ist, hat sich diese Darstellung von Proteinen zum Ziel gesetzt.

DIE ARBEIT IN DER FABRIK

Die Proteinstrukturfabrik gehört zu den Siegern des Leitprojektwettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) "Diagnose und Therapie mit Mitteln der Molekularen Medizin". In enger Anlehnung an das Deutsche Humangenomprojekt wird derzeit die nötige wissenschaftlich-technische Infrastruktur aufgebaut. Dabei arbeiten Wissenschaftler von Berliner Forschungseinrichtungen - der Technischen Universität, der Humboldt-Universität und der Freien Universität, dem Max-Delbrück-Centrum (MDC) für Molekulare Medizin Berlin-Buch, dem Ressourcenzentrum des Deutschen Humangenomprojekts, dem Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, dem Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) - und aus verschiedenen Firmen - ALPHA Bioverfahrenstechnik, BAYER, LAROVA und WITA - eng zusammen.

Die Arbeitsschritte in der "Fabrik" sind in Form einer "Pipeline" organisiert: Die Sequenzinformation, die im Humangenomprojekt erarbeitet wird, wird zunächst durch Bioinformatiker bewertet und klassifiziert. Dieser Schritt hat das Ziel, unbekannte und für die Grundlagenforschung oder die Anwendung besonders interessante Zielproteine zu definieren. Dann wird die genetische Information in Proteine übersetzt - diese Aufgaben übernehmen Mikroorganismen als kleine "Synthesefabriken". Die Proteine werden anschließend in größeren Mengen hergestellt und über biophysikalische Charakterisierung und schließlich Strukturaufklärung mit Hilfe der Proteinkristallographie oder der magnetischen Kernresonanzspektroskopie analysiert. In einer Datenbank werden alle Ergebnisse von der Sequenz bis zur fertigen Struktur verfügbar gemacht.

Die TU Berlin ist dabei an einem zentralen Punkt beteiligt: der Umsetzung der genetischen Information der DNA in Eiweiße (oder Proteine). An der TU Berlin werden in der Arbeitsgruppe von Dr. Christine Lang am Institut für Biotechnologie, Fachgebiet Mikrobiologie und Genetik, Hefen für die Herstellung dieser menschlichen Proteine entwickelt. Gegenüber der sonst in der Forschung üblichen "Eiweiß-Synthesemaschine", dem Bakterium Escherichia coli, haben Hefen als Eukaryonten den Vorteil, dass sie in vielerlei Hinsicht den menschlichen Zellen sehr ähnlich sind. Deshalb ist zu erwarten, dass sie die menschlichen Proteine sehr zuverlässig und weitgehend wie die humanen Zellen herstellen und falten.

Die Berliner Proteinstrukturfabrik hat sich die Strukturaufklärung von Proteinen "in großem Maßstab" zum Ziel gesetzt. Durch weitgehende Automatisierung und Standardisierung der Herstellungs- und Untersuchungstechniken sollen Proteinstrukturen sehr viel effizienter bestimmt werden können, als es bisher der Fall ist. In den nächsten Jahren sollen so Hunderte verschiedene Proteine, die in den menschlichen Zellen nur in wenigen Molekülen bzw. Kopien vorkommen, in großen Mengen (hierunter verstehen die Forscher die für diese Art von Stoffen gewaltige Menge von etwa 50 mg) hergestellt und der Strukturaufklärung zugänglich gemacht werden.

Christine Lang

Die Ausstellung "Proteinstrukturfabrik" zeigt im Rahmen der Berliner Expo-Projekte anhand von Modellen und Computeranimationen, wie Forscher Gene erkennen, die Struktur der dazugehörigen Eiweiße aufklären und auf diese Weise völlig neuartige Medikamente entwickeln.

Veranstaltungsort: Gläsernes Labor, Forschungscampus Berlin-Buch, Robert-Rössler-Straße 10, 13125 Berlin; Termine: jeweils sonntags (außer 11. 6. und 18. 6.), 9.30 Uhr; Kontakt: Gläsernes Labor, Tel.: (030) 94 89 29 28

Informationen zur Proteinstrukturfabrik gibt es unter http://userpage.chemie.fu-berlin.de/~psf/ifv_psf.htm


Leserbriefe

  TU intern -
        Juni 2000


© 6/2000 TU-Pressestelle