TU intern - Juni 2000 - Menschen
Keine Grundlagenforschung ohne Anwender
Gerd Wessolek wäre beinahe Künstler geworden. Schon
als Schüler widmete er sich der Malerei und beteiligte sich
an mehreren Ausstellungen. Auch heute noch greift er in seinem
Berliner Atelier zum Pinsel, vorausgesetzt, seine Forschungs-
und Lehrtätigkeit am Institut für Ökologie und Biologie
der TU Berlin lässt ihm Zeit dazu. Nach zwei Jahren als Gastprofessor
in Halle und an der TU Berlin erfolgte im Frühjahr 1999 der
Ruf auf die Professur für Standortkunde und Bodenschutz.
1953 in Braunschweig geboren, studierte er von 1972 bis 1976 Agrarwissenschaften
in Göttingen. Mit acht Semestern war er einer der Schnellsten
in der Fakultätsgeschichte. Und nicht nur das: Er war während
seines Studiums Wissenschaftliche Hilfskraft und belegte nebenher
noch Kurse in Kunst und Malerei.
Nach der Promotion 1979 (mit 26 Jahren) am Institut für Agrikulturchemie
in Göttingen wechselte er in den Bereich der Entwicklungshilfe.
Für die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
(GTZ) ging er für zwei Jahre nach Ägypten. Weil er längerfristig
nicht Auslandsexperte für die GTZ werden wollte, bewarb er
sich 1981 mit einer Postkarte beim Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung
in Hannover. Hier kannte man Gerd Wessolek. Denn das Landesamt
beschäftigte sich gerade mit dem Thema, über das er
promoviert hatte: die Beeinflussung des Sickerwassers durch Düngung.
Die Stelle beim Landesamt war ihm sicher.
Doch schon nach zwei Jahren kam ein neues, interessantes Angebot:
nach Berlin zu wechseln und an der TU als Akademischer Rat am
Institut für Ökologie zu arbeiten. Hier befasste er
sich mit der Entwicklung und Anwendung von mathematischen Modellen
zur Beschreibung des Wasserhaushalts und Stofftransports in Böden.
Über dieses Thema habilitierte er 1988. Nach seiner Habilitation
hat er in Berlin bis 1995 Forschungsvorhaben konzipiert und entsprechende
Gelder eingeworben. Er nutzte diese Zeit auch für mehrere
Forschungsaufenthalte im Ausland.
Seine Arbeit im Niedersächsischen Landesamt und als Akademischer
Rat an der TU sind zu Koordinaten seiner Arbeit als Professor
geworden. "Ich glaube es ist wichtig, auch außerhalb
der Uni gearbeitet zu haben. Im Landesamt habe ich kennen gelernt,
welche Fragestellungen an die Wissenschaft herangetragen werden."
Das kam ihm zugute, als er als Akademischer Rat Forschungsprojekte
konzipierte und entsprechende Mittel einwarb. In dem einen Jahr,
seit er den Lehrstuhl für Standortkunde und Bodenschutz besetzt,
hat Gerd Wessolek acht Projekte mit einem Volumen von mehr als
einer Million Mark auf den Weg gebracht; für ökologische
Forschung eine stattliche Summe.
Die Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Bodenschutzes,
wie Bilanzierung von Stoffkreisläufen in Ökosystemen,
Schadstoffeinträge und -verhalten in Böden, Sanierungskonzepte
für belastete Standorte, die Kopplung zwischen Pflanzenwachstum
und Wasserhaushalt bzw. Nährstoffversorgung, urbane Einflüsse
und der globale Wandel des Wasserkreislaufs. Betreibt Gerd Wessolek
anwendungsorientierte oder Grundlagenforschung? "Ich glaube,
wenn man in der Grundlagenforschung erfolgreich ist, dann kommen
automatisch ,Anwender' auf einen zu, die die Ergebnisse umsetzen
wollen. Das eine geht nicht ohne das andere." Übrigens:
Beim Malen kommen ihm die besten Ideen für neue Forschungsprojekte.
Thomas Schulz
Leserbriefe
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