TU intern - Juni 2000 - Forschung
TU-Wissenschaftler gehen mit Lärm gegen Lärm vor
Keine Motorengeräusche mehr beim Fliegen - das würde
das Reisen per Flugzeug attraktiver machen, für Viel- und
Langstreckenflieger allemal. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Denn noch betreiben Wissenschaftler am Institut für Technische Akustik
der TU Berlin Grundlagenforschung. Sie versuchen, die Schallwellen
zwischen den Scheiben eines Doppelglasfensters zu neutralisieren
und so eine bessere Schalldämpfung zu erreichen.
Schallwellen spürt, wer sich in der Disko vor einen Basslautsprecher
stellt. Auch der ganz alltägliche Verkehrslärm dringt
als Schallwelle beispielsweise über die Schwingung der Fensterscheiben
in die Wohnung ein. Die Technischen Akustiker um Dr.-Ing. André
Jakob haben, um die Messungen zu vereinfachen, zwei Plexiglasscheiben
in ihr Labor, ein Fensterprüfstand, gebaut und jeweils in
den Fensterecken ein Mikrofon und einen Lautsprecher installiert.
Diese Konstruktion wird von außen mit Lärm beschallt,
den die zwischen den Plexiglasscheiben angebrachten Mikrofone
messen. Um die Schwingungen zwischen den Scheiben zu neutralisieren,
muss mit möglichst geringer Zeitverzögerung ein Gegenschall
über die Lautsprecher "eingespielt" werden. Das
Kernproblem ist der Regler, der diesen "Antischall"
steuert.
Die Idee dabei ist, die Schallschwingungen im Lufthohlraum, also
zwischen den Scheiben, zu minimieren. Damit wird die Schallübertragung
insgesamt verringert, die Dämmwirkung des Doppelfensters
wird verstärkt. Dieser Ansatz scheint der vielversprechendste
zu sein. Andere Möglichkeiten, etwa die Schwingung der Scheibe
direkt durch Krafteinleitung zu reduzieren, erweisen sich zumindest
für eine ungestörte Durchsicht beim Fenster als wenig
praktikabel.
Die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen. Ein Fenster
dieser "Bauart" kann unter günstigen Voraussetzungen
ein um bis zu 10 dB höheres Schalldämmmaß besitzen.
Das entspricht einer Halbierung der Lautstärke-Wahrnehmung.
Zu erforschen wird noch sein, wie breitbandig sich die Konstruktion
einsetzen lässt. Der springende Punkt sind die Frequenzbereiche,
in denen diese "aktive" Maßnahme besonders gut
funktioniert. Nicht zuletzt steht die Nagelprobe noch aus: die
ganze Konstruktion mit echten Fenstern, also Glasfenstern, zu
testen.
Das ganze lässt sich im Prinzip auf alle doppelwandigen Konstruktionen
übertragen. Neben der Flugzeugindustrie könnte sich
auch die Autoindustrie für die Forschungsergebnisse der Berliner
Akustiker interessieren.
Thomas Schulz
Leserbriefe
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