TU intern - Juni 2000 - Aktuelles
Wir brauchen eine neue Technologiekultur
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"Die Innovationen der Zukunft werden interdisziplinäres
Wissen stark verdichten und schnell verfügbar machen." Günter Spur
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Innovation - ein Begriff, über den immer wieder diskutiert
und mit dem grundlegende Veränderungen beschrieben werden.
Der Prozess der Innovation hat sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts
enorm beschleunigt. Heute üben der globale Markt und der
daraus resultierende Wettbewerb einen großen Druck aus.
Das hat weitreichende Konsequenzen für die Wissenschaft insofern,
als sie ihre Innovationen am Markt anbieten muss. Es reicht also
nicht mehr aus, einfach innovativ zu sein, sondern die Wissenschaft
muss sich dem Management, dem Marketing öffnen. Und: Wissenschaft
und Wirtschaft sind zunehmend aufeinander angewiesen.
Was aber heißt Innovation? Wie innovativ ist Deutschland?
Haben sich die Innovationsprozesse durch die Informationstechnik
verändert? Darüber sprach TU intern mit Prof. Dr.-Ing.
em. Günter Spur vom Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetriebe
der TU Berlin.
Herr Prof. Spur, wie würden Sie den Begriff Innovation
definieren?
Innovation umfasst drei Komponenten: die bessere Befriedigung
schon vorhandener, aber auch neuer Grundbedürfnisse, dann
muss das Gesamtsystem technisch neu sein und außerdem müssen
zur Anwendung des Systems nachhaltige infrastrukturelle Veränderungen
erfolgen. Ob ein eingeleiteter Innovationsprozess zu einem Erfolg
führt, lässt sich nicht immer voraussagen. Wobei man
berücksichtigen sollte, dass wir von einer Innovation meist
erst dann sprechen, wenn sie sich erfolgreich durchgesetzt hat.
Für den Erfolg entscheidend ist eine gewisse Eigendynamik.
Woran liegt es, das die USA oder Japan im Vergleich zu Deutschland
als innovativer gelten?
Zunächst einmal stimmt das nicht ganz. Die deutsche Automobil-Industrie
etwa genießt weltweit höchstes Ansehen. Gleichwohl:
Deutschland tut sich beim Thema Innovation vergleichsweise schwer.
Das liegt vielleicht an einer gewissen Technikfeindlichkeit, die
besonders in Deutschland spürbar ist. Die Begeisterungsfähigkeit
für Technik hat sich in kritisches Bewusstsein gewandelt.
Ich glaube, dass das auch etwas mit einer Sättigung zu tun
hat. Die Angst vor der Technik kommt hinzu, eine Angst davor,
dass technologische Entwicklungen zunehmend eigendynamisch ablaufen.
Wie verhalten sich Wissenschaft und Innovation zueinander?
Hier streiten sich die Geister. Die einen vertreten den Standpunkt,
Aufgabe der Wissenschaft sei es, Grundlagenforschung zu betreiben.
Andere aber halten es gerade auch für die Aufgabe der Wissenschaft,
mit anwendungsorientierter Forschung am Fortschritt der technologischen
Entwicklung mitzuwirken. Hier zeigt sich immer deutlicher, dass
Innovationsprozesse vor allem dann erfolgreich ablaufen, wenn
mehrere Wissenschaftsdisziplinen an einem Tisch sitzen. Denken
Sie beispielsweise an den Maschinenbau: Es geht heute nicht mehr
nur darum, Maschinenstrukturen zu entwickeln, sondern darum, den
Prozessablauf zu optimieren. Dazu brauchen Sie Prozess-, Mess-
und Regelungstechniker, um nur einige Disziplinen zu nennen. Daran
wird schon deutlich, dass die anwendungsorientierte Forschung
heute hoher Investitionen bedarf. Also: Die Wissenschaft braucht
die Finanzkraft der Wirtschaft, umgekehrt die Wirtschaft das Know-how
der Wissenschaft.
Wie haben sich die Innovationsprozesse durch die Informationstechnik
verändert?
Die Innovationen der Zukunft werden interdisziplinäres Wissen
stark verdichten und schnell verfügbar machen. Die Informationstechnik
hat eine neue Technologiekultur eingeleitet. Diese Entwicklung
begann mit der "Karriere" des Computers. In den 50er
Jahren gelang es erstmals, Maschinen mit Computern zu verknüpfen.
Bewegungs- und Schaltbefehle erfolgen nicht mehr mechanisch, sondern
elektronisch. Dies war ein weitreichender und sich immer mehr
beschleunigender Innovationsprozess, der über den technologischen
Bereich hinaus tief in die gesellschaftliche Entwicklung hineinwirkte.
Für die heutige technologische Entwicklung ist der Computer
unverzichtbar: Ohne ihn können wir weder die hohe Präzision
noch die Komplexität von Entwicklungsprozessen bewältigen.
Das Gebrauchsverhalten neuzeitlicher Produkte wird schon in der
Entwicklungsphase mittels Simulationsprogramme getestet; die Risiken,
die mit der Einführung verbunden sind, können so minimiert
werden. Das ist eine phantastische Möglichkeit zur Weiterentwicklung
neuer Technologien.
Das Gespräch führte Thomas Schulz
Leserbriefe
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